Schrottimmobilien:Viel Spielraum für neue Grabenkämpfe

Wer sich in den neunziger Jahren eine überteuerte Eigentumswohnung als Steuersparmodell aufschwatzen ließ und deshalb jetzt in finanzieller Bedrängnis ist, hat auf ein Machtwort des Europäischen Gerichtshofs gehofft. Dies ist ausgeblieben.

Thomas Öchsner

Der Richterspruch bringt geschädigten Käufern von Schrottimmobilien nicht den großen Durchbruch in ihrem Kampf gegen Banken und Vermittler. Hunderttausende Anleger müssen weiter um ihre Ansprüche kämpfen. Trotzdem hilft ihnen das Urteil weiter.

Jeder mündige Bürger in Deutschland kann ein schlechtes Geschäft abschließen. Davor schützt kein Gesetz und kein Richter. Wer eine heruntergekommene Wohnung ungeprüft zu einem Mondpreis an einem schlechtem Standort erwirbt, ist zunächst einmal selbst schuld.

Beim Verkauf der Schrottimmobilien ging es in den meisten Fällen aber um organisierten Betrug. Kreditinstitute und provisionshungrige Drückerkolonnen haben systematisch Klein- und Mittelverdiener vorsätzlich getäuscht und ihnen überteuerte Immobilien angedreht.

Dies juristisch stichfest zu beweisen ist allerdings schwierig: Die Rechtslage ist verworren. Die Banken tun so, als ob sie nie mit den Vermittlern zusammengearbeitet hätten. Und der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit allerlei juristischen Klimmzügen ganz überwiegend auf die Seite der Geldhäuser gestellt. Mit dem Urteil aus Luxemburg wird dies dem BGH künftig aber schwerer fallen.

Der EuGH sagt klipp und klar: Kreditinstitute müssen das Risiko für das gesamte Anlagepaket tragen, wenn der Kunde den Kredit als Haustürgeschäft, also bei einem unaufgeforderten Besuch des Verkäufers, abgeschlossen hat und über sein Widerrufsrecht nicht aufgeklärt wurde.

Dem XI. Senat des BGH, der von einer Haftung der Banken bislang nichts wissen wollte, hat der Gerichtshof damit eine überraschend heftige Ohrfeige erteilt. Das gilt auch für das Bundesjustizministerium: Der EuGH wünscht sich, dass die Regierung den Schutz des Verbrauchers vor den Risiken des Haustürgeschäftes gewährleistet. Stattdessen hatte das Ministerium plump und völlig einseitig die Argumentation der Geldinstitute übernommen.

Die geprellten Anleger sollten sich deshalb nicht zu früh freuen. Das Urteil lässt viel Spielraum für neue Grabenkämpfe vor deutschen Gerichten. Die Frage ist, was für konkrete finanzielle Folgen eine Haftung der Banken hat. Käme es nun zu einer Kehrtwende der deutschen Rechtsprechung, könnte dies die Geldhäuser Milliarden kosten. Zu rechnen ist damit aber nicht.

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