Süddeutsche Zeitung

Schreiben des Finanzministers an europäische Kollegen und den IWF:Schäuble fordert Umschuldung Griechenlands

In einem Schreiben an seine EU-Amtskollegen und den Internationalen Währungsfonds, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, spricht sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble für weitere Milliardenhilfen an Griechenland und für eine Umschuldung aus. Sonst drohe "der erste ungeordnete Bankrott" eines Landes in der Eurozone.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Bundesregierung hat erstmals offen eingeräumt, dass Griechenland ein weiteres milliardenschweres Hilfsprogramm und eine Umschuldung benötigt. Ohne ein solches Paket drohe "der erste ungeordnete Bankrott" eines Euro-Landes, heißt es in einem Brief von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. An der Umschuldung müssten sich auch die privaten Gläubiger, also etwa Banken, beteiligen. Sie sollen sieben Jahre länger auf die Rückzahlung ihres Geldes warten.

Schäubles zweiseitiges Schreiben ist an seine EU-Amtskollegen, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, EU-Finanzkommissar Olli Rehn und den amtierenden Direktor des Internationalen Währungsfonds' (IWF), John Lipsky, gerichtet.

Mit dem Brief gesteht er ein, dass das bisherige Konzept von EU, EZB und IWF für eine Stabilisierung Griechenlands gescheitert ist. Es sah vor, dass die Regierung in Athen rigide Programme zur Sanierung des Haushalts und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auflegt und im Gegenzug Kredite der Partner erhält. Vom Frühjahr 2012 an sollte sich das Land sein Geld dann wieder schrittweise bei Banken, Versicherungen, Investmentfonds und Kleinanlegern leihen.

Eine "substantielle Erhöhung"

Schäuble hält eine solch rasche Rückkehr an den Markt jedoch mittlerweile für "mehr als unrealistisch". Er sehe deshalb "die Notwendigkeit, dass wir uns auf ein neues Programm für Griechenland verständigen, um die Finanzlücke zu schließen und eine Insolvenz zu verhindern". Welchen Umfang das neue Programm haben muss, sagt der Minister in dem Schreiben nicht, er spricht lediglich von einer "substantiellen Erhöhung" der bisherigen Summe von 110 Milliarden Euro.

Im Gespräch ist eine Aufstockung um mindestens 60 Milliarden Euro. Sollte sich Griechenland allerdings auch 2013 und 2014 noch allein über die Kredite der Euro-Partner, der EZB und des IWF finanzieren müssen, wäre ein Zusatzbeitrag von mehr als 100 Milliarden Euro nötig.

Schäuble betonte, dass "jede weitere finanzielle Hilfe für Griechenland eine faire Lastenteilung zwischen den Steuerzahlern und den privaten Investoren beinhalten" müsse. Um eine "substantiellen Beitrag" der privaten Gläubiger sicherzustellen, sei ein "Bond Swap" der richtige Weg, also ein Umtausch alter in neue Staatsanleihen.

Konkret schwebe ihm vor, dass die Investoren alle Papiere, die sich aktuell in ihrem Besitz befinden, in neue Schuldverschreibungen mit einer um sieben Jahre verlängerten Laufzeit umtauschen. Sie erhielten ihr Geld damit später, aber immerhin in voller Höhe zurück. Die alten Anleihen würden dagegen bei einer doch noch eintretenden Insolvenz womöglich nicht zurückbezahlt.

Schäuble ließ in seinem Schreiben offen, ob die privaten Gläubiger zu einer Beteiligung an dem Programm gezwungen werden sollen. Das hatten bisher sowohl Trichet als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel abgelehnt. Trichet fürchtet, dass eine Umschuldung - zumal bei Beteiligung der privaten Gläubiger - das Finanzsystem erneut in schwere Turbulenzen stürzen und zudem ein tiefes Loch in die Bilanz der EZB reißen könnte. Hintergrund ist, dass die Notenbank längst der größte Gläubiger Griechenlands ist. In Berliner Regierungskreisen wurde hingegen darauf verwiesen, dass viele Banken ihre griechischen Papiere abstießen. "Wenn wir noch lange warten, hat Griechenland gar keine privaten Gläubiger mehr", hieß es.

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SZ vom 08.06.2011/olkl
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