Drei Szenarien für Griechenland:An der Umschuldung führt nichts vorbei

Griechenland, was nun? Ganz Europa bangt um das südeuropäische Land - und die vielen Milliarden Euro Hilfsgeld, die zur Rettung vor der Pleite geschickt worden sind. Welche Auswege es nun noch gibt.

Griechenland, was nun? Ganz Europa bangt um das südeuropäische Land - und die vielen Milliarden Euro Hilfsgeld, die zur Rettung vor der Pleite geschickt worden sind. Welche Auswege es nun noch gibt.

Akropolis in Athen

Die Akropolis in Athen: Die finanzielle Lage Griechenlands ist prekär.

(Foto: dpa)

Auf die sanfte Art

Nun gesteht auch der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Jean-Claude Juncker, ein: Ein Schuldenschnitt in Griechenland ist nur noch eine Frage der Zeit. Auch Mitglieder der Bundesregierung sollen davon überzeugt sein, dass Athen nicht ohne Umschuldung über den Sommer kommt.

Was sie im Sinn führen, ist aber keine Radikalkur, sondern das, was Ökonomen eine "sanfte" Umschuldung nennen: Griechenland bietet seinen Gläubigern neue Anleihen zum Tausch an, die verglichen mit den alten Papieren geringere Zinsen oder eine längere Restlaufzeit aufweisen.

"Es könnte sein, dass man sich jetzt zu diesem Schritt entscheidet", sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Der Tausch, so die Idee, solle freiwillig sein. Die Frage ist nur: Warum sollten Anleger bereit sein zu tauschen und damit ein für allemal Verluste in Kauf nehmen?

"Es würde mich wundern, wenn alle einem freiwilligen Umschuldungsangebot zustimmen", sagt Jochen Felsenheimer, Kreditexperte bei Assenagon. Viele Investoren hätten den Wert ihrer Griechenland-Anleihen schon weitgehend abgeschrieben oder zumindest abgesichert.

Wer in eine Umschuldung einwillige, vergäbe nur die Chance auf Zinszahlungen und Wertzuwächse. Aber selbst wenn es gelänge, mit viel Überzeugungskraft und ein wenig Druck alle Gläubiger ins Boot zu holen: Viel helfen würde es nicht.

"Damit bekommen sie keine wesentliche Verringerung der Schulden zustande", urteilt Mayer. "Laufzeitstreckung und geringere Kupons sind eher Kosmetik. Damit kriegt man die Kuh nicht vom Eis." Er sieht die sanfte Methode nur als Zwischenstation auf dem Weg zum großen Schuldenschnitt.

Die brutale Methode

Letzter Ausweg Schuldenschnitt? Es wird immer unwahrscheinlicher, dass der ursprüngliche Plan der Europäer aufgeht. Griechenland ist im Sog sinkender Wirtschaftsleistung und steigender Schulden gefangen. Schon jetzt tun sich neue Finanzierungslücken auf. Mit 160 Prozent der Wirtschaftsleistung steht Athen in der Kreide.

Eine solche Belastung lässt sich nur durch einen beherzten Schuldenschnitt entschärfen. 50 Prozent müssten es sein - mindestens, schätzen die Analysten der Ratingagentur Standard & Poor's. Es ist die brutale Methode, die im Finanzjargon verniedlichend Haircut (Haarschnitt) genannt wird: Praktisch bittet Athen die Anleger zum Schuldenaustausch.

Dazu gewährt der Rettungsfonds EFSF den Griechen einen Kredit über 150 Milliarden Euro. Die Griechen kaufen dafür Bundesanleihen und bieten diese ihren Geldgebern zum Tausch gegen 300 Milliarden Euro ausstehende griechische Staatsanleihen an. Die Gläubiger bekommen für jeden Euro, den sie Athen geliehen haben, also nur 50 Cent zurück.

Dafür besitzen sie statt griechischer Ramschanleihen liquide, hochwertige Bundespapiere. Für Griechenland bietet dies die Chance eines Neustarts, doch für den Rest Europas birgt ein Haircut enorme Risiken. "Wenn es jetzt eine harte Umschuldung gibt, dann kommt es zu einem Domino-Effekt, der definitiv nicht mehr zu kontrollieren ist", befürchtet Jochen Felsenheimer. Der Kreditexperte rechnet damit, dass die Kettenreaktion auch Portugal und Irland erfasst - und viele europäische Banken in die Knie zwingt.

Panik dürfte allerdings nur ausbrechen, wenn Athen ohne Vorankündigung die Zahlungen an Gläubiger einstellt. Ein geordneter Schuldenschnitt ließe sich dagegen managen, glaubt Deutsche-Bank-Ökonom Thomas Mayer. "Viele Banken haben die Wertverluste schon abgeschrieben", sagt er.

Jene Banken und Versicherungen, die noch keine Wertberichtigungen vorgenommen hätten, müssten von der Aufsicht mit sanftem Druck dazu gebracht werden. Für die griechischen Geldhäuser gäbe es allerdings keine Hoffnung: Sie müssten abgewickelt werden.

"In Griechenland wäre die politische Akzeptanz für harte Reformen größer, wenn auch die Gläubiger ein Opfer bringen würden", sagt Bernd Rudolph, Professor an der LMU in München. "Es wäre für alle ein Neuanfang."

Erst einmal Zeit gewinnen

Morgen, morgen, nur nicht heute: Es ist gut möglich, dass die Retter alle Bedenken am eingeschlagenen Kurs hintanstellen und die Zweifel verwerfen, ob sie jemals ihre Hilfsmilliarden zurückbekommen. Das wäre in der nahen Zukunft die einfachste Lösung, nur ist sie mit zwei gravierenden Problemen behaftet. Erstens: Die Steuerzahler könnten Rache nehmen und Regierungen bestrafen, die immer neue Milliarden für Schuldensünder lockermachen. So mancher möchte schon heute die Währungsunion gleich mit entsorgen oder zumindest die einstigen Weichwährungsländern aus der Gemeinschaft ausschließen.

Die zweite Gefahr der Hinhaltetaktik: Wenn EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) Länder wie Griechenland, Irland und Portugal heraushauen, schaffen sie einen Präzedenzfall. Der neue, dauerhafte Rettungsfonds ESM wird dann unglaubwürdig, der eigentlich eine Prüfung der Schuldentragfähigkeit vorsieht, bevor geholfen wird. "Dann wird die Währungsgemeinschaft in eine Haftungsunion umgewandelt - bis einige sagen: Wir machen nicht mehr mit", glaubt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

So seien schon die lateinische Münzunion 1914 und die skandinavische Währungsunion im 19. Jahrhundert zerbrochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder so kommt, ist hoch. Je länger die Politiker von heute auf dem eingeschlagenen Weg unterwegs sind, desto stärker werden die privaten Gläubiger herausgekauft.

"Ausländische Banken haben ihr Risiko in griechischen Staatsanleihen seit dem Höchststand Ende September 2009 um mehr als 50 Prozent oder 46 Milliarden Euro gesenkt", rechnet Giada Giani von der Citigroup vor. Deshalb liegt schon heute ein Drittel der griechischen Staatsschulden in Händen von EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB). Bald könnte es die Hälfte sein.

"Die Gefahr ist groß, dass die Steuerzahler der Politik am Ende die Quittung schicken und die Währungsunion ablehnen", fürchtet Mayer. Dann wird ein Schuldenschnitt unausweichlich.

Je länger er aufgeschoben wird, desto härter trifft er die Retter von heute, Bürger wie Institutionen. "Wenn künftig die Hauptlast des Schuldenverzichts bei der EZB läge, würde dies das Kapital der Notenbank zu sehr aufzehren und die Notenbank als Hort der Stabilität beschädigen", warnt Bankprofessor Bernd Rudolph.

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