Scheidung:Was passiert mit der gemeinsamen Immobilie?

Wenn Eheleute sich scheiden lassen, kann es ein böses Erwachen geben: Wer glaubt, dass ihm die Immobilie mit dem Gang zum Standesamt hälftig gehört, der irrt.

Andrea Nasemann

"Einen hundertprozentigen Ausgleich gibt es nicht immer, wenn man sich scheiden lässt und Immobilien im Spiel sind", sagt die Münchner Rechtsanwältin Astrid Congiu-Wehle von der Kanzlei Fischl & Lettl. Zwar steht im Normalfall, also im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft den Ex-Ehepartnern bei der Scheidung ein Ausgleichsanspruch zu. Dieser beträgt die Hälfte des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens, bei einer Immobilie also die Hälfte des Netto-Hauswertes.

Komplizierter wird es aber dann, wenn einer der Eheleute einen Teil des Hauses als Geschenk der Eltern erhalten hat. Solche Zuwendungen wie beispielsweise auch Erbschaften bleiben im Scheidungsfall außen vor. Bei einer Scheidung muss kein Ausgleich geleistet werden. Ausnahme: Der Wertzuwachs, der über die allgemeine Preissteigerungsrate hinausgeht, fällt unter den Zugewinn.

Schon bei mancher Scheidung gab es für einen der beiden Eheleute ein böses Erwachen: Wer glaubt, dass ihm die Immobilie mit dem Gang zum Standesamt hälftig gehört, der irrt. Bringt zum Beispiel die Ehefrau ein Grundstück in die Ehe mit, auf dem beide dann gemeinsam ein Haus errichten, gehört auch die Immobilie allein der Frau, die als Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen ist.

Ehevertrag abschließen

"Der Zugewinn bringt dem Ehemann dann nur die Hälfte seiner Eigenleistung zurück", warnt Hans-Ulrich Sorge, Geschäftsführer des Bayerischen Notarvereins. Er rät in der Regel dazu, sich an der Ehewohnung gemeinschaftlich eintragen zu lassen oder einen individuellen Ehevertrag zu schließen. "Der Alleineigentümer hat das alleinige Verfügungsrecht über die Immobilie. Er könnte sie in der Scheidung unter Wert verkaufen und den Zugewinn damit schmälern", folgert Sorge.

Was passiert mit der gemeinsamen Immobilie?

Im Normalfall erwerben die Ehegatten erst während ihrer Ehe die Immobilie. Sie werden als hälftige Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. "Gehen die Eheleute dann eines Tages getrennte Wege, ist die Immobilie wegen der höheren Fix- und Lebenshaltungskosten für getrennte Wohnungen oft nicht mehr zu halten", weiß Sorge.

Die Immobilie könne in manchen Regionen meist nur mit Verlust verkauft werden. Auch Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Maklerprovision oder Erschließungskosten seien häufig nicht mehr realisierbar. Dazu kommen Vorfälligkeitsentschädigungen für die Ablösung noch laufender Kredite, Löschung von Grundschulden etc.

Steht die Immobilie im gemeinsamen Eigentum der Eheleute, müssen beide dem Verkauf zustimmen. Fehlt es an einer Einigung, kann es im schlimmsten Fall zu einer Teilungsversteigerung kommen. Diese aber sollte möglichst vermieden werden, rät Rechtsanwältin Astrid Congiu-Wehle. "In der Teilungsversteigerung erzielt man nur selten den Verkehrswert", warnt sie. In den meisten Fällen lasteten noch Schulden auf der Immobilie, daher gingen viele geschiedene Ehepaare auch aus der Teilungsversteigerung mit Schulden heraus.

Ist dagegen einer der geschiedenen Eheleute finanziell in der Lage, die Immobilie zu übernehmen, kann ihm der andere seinen Miteigentumsanteil übertragen. Liegt zum Beispiel der hälftige Wert des Hauses bei 150.000 Euro, fallen 564 Euro Notarkosten an. Dazu kommen Umschreibungsgebühren beim Grundbuchamt in Höhe von 141 Euro.

Übertragung der Hälfte

Doch was passiert, wenn ein Ehegatte während der Ehe dem anderen die Hälfte der Wohnung übertragen hat? Im Falle der Scheidung sind gerade diese Vermögensübertragungen heiß umkämpft, ist die Erfahrung von Rechtsanwältin Congiu-Wehle. Schließlich erfolgt die ehebedingte Zuwendung in der Erwartung, dass die Ehe aufrechterhalten wird und der Zuwendende weiterhin die Immobilie nutzen kann.

Kann das Zugewendete dann von dem anderen Ehegatten wieder zurückverlangt werden? Dies geht nur in Ausnahmefällen, entschieden die Gerichte. Nur dann, wenn der Zuwendende ansonsten völlig leer ausginge, kann ein Rückgewähranspruch in Frage kommen.

Trostpflaster: Die Zuwendung wird im Zugewinnausgleich berücksichtigt. "Um Streit zu vermeiden, dass aus Zuwendungen unter Ehegatten während der Ehe im Falle einer Scheidung unsichere Rechtspositionen entstehen, sollte schon bei der Übertragung eine Regelung für den Fall der Scheidung aufgenommen werden", rät Astrid Congiu-Wehle. Eine solche Regelung, die ein Rückübertragungsrecht für den Übertragenden für den Fall der Scheidung einräumt, muss notariell beurkundet werden.

Es kann dann bereits zum Zeitpunkt der Übertragung und Abschluss des notariellen Vertrages eine Vormerkung in das Grundbuch für den Rückübertragungsanspruch eingetragen werden. Die Kosten eines solchen Vertrags hängen von der Höhe des Immobilienwerts ab. Beträgt dieser zum Beispiel 400.000 Euro und wird das ganze Haus von einem Ehegatten auf den anderen übereignet, belaufen sich die Notargebühren auf 1314 Euro.

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