Schatzsucher:Gold am Meeresgrund

Mel Fisher hat fast 20 Jahre nach einem Wrack von 1622 gesucht, viel Geld und seinen Sohn verloren. Aufgegeben hat er nie. Der Lohn: Silber, Gold und Smaragde.

Alexander Hagelüken

In Indiana sind keine Wellen zu hören, das Meer ist hunderte Meilen von dem US-Bundesstaat entfernt. In Indiana gibt es viele Kühe, immer weniger Indianer und ein weltberühmtes Autorennen, aber kaum etwas, das mit Schiffen zu tun hätte.

Schatzsucher, SZ-Grafik

Silber, Gold und Smaragde im Wert von 400 Millionen US-Dollar (286 Millionen Euro) waren auf der Atocha. Ein später Erfolg für den Schatzsucher Mel Fisher - Teil I der neuen Serie.

(Foto: Foto: SZ-Grafik)

Der kleine Mel Fisher interessiert sich aber nicht für Autos und Indianer und für Kühe schon gar nicht. Immer wenn er in der Schule eine Freistunde hat, liest er Geschichten über Piraten und Schatzsucher.

Als er 1933 von dem französischen Taucher Jacques Cousteau hört, bastelt er sich eine Taucherhaube. Damals ist Mel Fisher aus Hobart/Indiana gerade mal elf Jahre alt.

Sein Vater ist Schreiner, Mel interessiert sich aber nicht fürs Schreinern. Zurück aus dem Zweiten Weltkrieg startet er in Kalifornien einen Tauchshop. Im Krieg haben Forscher der Armee das Tauchen revolutioniert.

Jetzt lässt sich leichter nach Schätzen suchen, nach den Kostbarkeiten aus den Büchern seiner Jugend. Fisher kauft das erste Schiff, die Golden Doubloon. Damit fährt er in die Karibik. Sucht Schätze. Und macht nur Schulden.

Trotzdem ist Fisher angefixt. Mit 40 Jahren verkauft er sein Haus und alles Übrige und geht nach Florida. Mit ein paar Mitstreitern, seiner Frau und vier kleinen Kindern zieht er in ein Motel. Sie tauchen nach einem spanischen Wrack aus dem 18. Jahrhundert.

Tausend Goldmünzen gefunden

Sie tauchen 360 Tage, an denen sie nichts finden, gar nichts, 360 Tage lang. Am 361. Tag finden sie tausend Goldmünzen, endlich. Fisher sagt: "Wer einmal den Meeresboden sah, wie er mit Gold gepflastert ist, der vergisst das nie mehr."

In Florida entsteht Ende der 60er Jahre ein Goldfieber. Glücksritter mieten sich in den Küstenorten ein. Doch die Behörden machen ihnen die Beute streitig, als Tom Gurr etwas findet, beschlagnahmen es die Behörden.

Mel Fisher schmeißt eine Party, um ihn aufzuheitern. An dem Abend zieht jemand eine zerlesene Kopie eines Buches heraus, einer dieser Schinken, aus denen ihre Hoffnungen sind.

Das Buch erzählt von einer Galeone, der Atocha, angeblich eines der reichsten Wracks aller Zeiten. Sie ist 1622 aus dem heutigen Kuba losgesegelt, voller Gold und Sklaven, kam aber nie in Spanien an.

Irgendwo muss das reichste Wrack aller Zeiten liegen

Irgendwo in der Straße von Florida erwischte sie ein Sturm. Irgendwo vor Florida muss sie liegen. Muss sie doch, oder? Fisher ist fasziniert von der Geschichte. Dieses Schiff muss es sein. 1969 fängt er an, dieses Schiff zu suchen. 16 Jahre lang tut er kaum etwas anderes.

Er stürzt sich voll rein, mit ihm seine Frau, die älteren Kinder und eine Horde von Fans und Freunden. Sie verzichten häufig auf einen Lohn, wovon sollte sie Fisher auch bezahlen? Die ersten zwei Jahre finden sie nichts, gar nichts.

Der Schatz war so nah, dann geschah die Tragödie

Dann taucht ein Anker auf, ein Silberbarren, eine Goldkette. Sicher sind sie dem Schatz nahe, oder? Sie müssen bald auf die Galeone stoßen. Oder? Sie finden in den nächsten Jahren alles Mögliche, aber keinen Schatz.

Schatzsucher: Da kann er endlich feiern: 1985 stößt Mel Fisher (links) mit Champagner auf seinen Fund an. Sein Sohn Kane hält einen Silberbarren aus dem Wrack.

Da kann er endlich feiern: 1985 stößt Mel Fisher (links) mit Champagner auf seinen Fund an. Sein Sohn Kane hält einen Silberbarren aus dem Wrack.

(Foto: Foto: AP)

Die Jahre vergehen, das Geld zerrinnt. Schon in den 60er Jahren kostet eine Suche locker 1.000 Dollar am Tag, ohne Gehälter. Rivalen suchen in denselben Gewässern.

Die Behörden bestreiten, dass er den Schatz behalten darf, falls er ihn findet. Weil er nicht zahlt, wird das Telefon abgestellt. Seine Büros sind in einer renovierten Galeone im Hafen von Key West. Das Schiff sinkt.

Fisher kämpft weiter, er und seine Frau. "Mutter kochte nicht und nähte nicht, sie hatte keine Zeit für solche Sachen", erzählt später ein Sohn. "Mama und Papa gingen morgens tauchen, abends kamen sie zurück."

Geldgeber zerren ihn vor Gericht. Fisher versucht mit allen Mitteln, die Investoren bei der Stange zu halten. Einmal fährt er 200 von ihnen zu einer Party auf eine Insel, wo er Münzen und andere Stücke versteckt. Jeder bekommt einen Metalldetektor. Wer etwas findet, darf es behalten.

So ist er, Fisher. Mit seinen Ideen fängt er sie ein. Und mit seinem Charme. Sie geben ihm das Geld, obwohl sie nur halb dran glauben. Und er taucht weiter. Im Juli 1975, sie suchen jetzt sechs Jahre, da ist es da, das erste Hoffnungszeichen.

Ein Suchboot sinkt. An Bord: sein Sohn

Sein 20-jähriger Sohn Dirk findet Kanonen aus Bronze, die von der Atocha stammen können. Auf einmal scheint die Bergung des Schatzes nah, ganz nah. Alle hoffen. Eine Woche nach dem tollen Fund sinkt ein Suchboot. An Bord Sohn Dirk und dessen Frau. Beide ertrinken.

Die Jagd geht weiter. "Dirk hätte es nicht anders gewollt", das ist die Formel, mit der Mel Fisher das rechtfertigt. Es ist verdammt lang her, dass er ein kleiner Junge in Indiana war und diese Seefahrer- und Piratengeschichten las.

Wenn er nicht bald die Atocha findet, ist alles aus. Er erfindet ein dickes Rohr, das die Sicht am finsteren Meeresgrund erleichtert. Er findet einen Kolonialhistoriker, der an alten Karten erkennt, dass sie Hunderte Meilen zu weit weg suchen.

Er findet 1980 das Schwesterschiff der Atocha, doch es birgt wenig Wertvolles. Nun sucht er schon mehr als eine Dekade, ist 58 Jahre alt, andere denken in dem Alter an Rente. Fisher hat nichts.

Silber, Gold, Smaragde im Wert von 400 Millionen Dollar

Am 20. Juli 1985 kauft er ein paar neue Taucherflossen, als ihn Passanten ansprechen. Man suche ihn, sein Schiff habe etwas gefunden. Es ist das Wrack der Atocha, voller Silber und Gold, alter Geschmeiden, kolumbianischer Smaragde. Alles in allem 400 Millionen Dollar (286 Millionen Euro) Wert.

Manche Fachleute sprechen vom größten Schatz, seit 1922 das Grab des Pharaos Tutanchamun entdeckt wurde. Fisher hat jetzt viel nachzuholen, gegen alle, die ihn verlachten.

Jahrelang taucht er goldbehangen in den Kneipen auf, Ketten um den Hals, Münzen in der Hand. Er hat es allen gezeigt. Heute sucht seine Firma weiter nach Gold und Geschmeiden. Seit seinem Tod mit 77 Jahren sind die Söhne an der Spitze. Sie haben im Leben nie anderes gekannt als die Schatzsuche.

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