Süddeutsche Zeitung

Schatzsucher:Ein Teppich aus Gold am Meeresgrund

Bei einem Schiffsunglück versanken 21 Tonnen Gold im Meer. Ein Amerikaner barg den Schatz - und kämpfte dafür sogar vor Gericht.

Bernadette Calonego

Hundert Leute starren aufgeregt auf ein mit Wasser gefülltes Aquarium auf dem Podium. Darin sind nicht etwa Fische zu sehen, sondern ein elf Kilogramm schwerer Goldbarren. Neben dem Aquarium ruht eine riesige Glocke aus Bronze, geborgen aus dem Wrack des 1857 gesunkenen Schaufelraddampfers SS Central America. Das Publikum im Saal des Columbia Athletes Club ist hingerissen. Was der US-Schatzsucher und Unterwasser-Ingenieur Tommy Thompson seinen Geldgebern an diesem Tag präsentiert, haben er und sein Team aus einer Tiefe von 2700 Metern heraufgeholt.

21 Tonnen Gold im Atlantik

Die SS Central America war während des Goldrausches von Kalifornien in einem Orkan vor der Küste des US-Staates North Carolina gesunken. Mit ihr wurden angeblich 21 Tonnen Gold, die von San Francisco nach New York hätten gelangen sollen, in den Atlantik gerissen. Ein Teil des Goldes gehörte der US-Regierung, ein Teil Spekulanten, der Rest Goldsuchern, die es mühsam aus Boden und Bächen Kaliforniens geholt hatten.

Weil sie damit nicht schwimmen konnten, leerten die Verzweifelten ihre Münzen und Beutel voller Goldstaub auf die Böden des untergehenden Schiffes. 425 Menschen kamen um, darunter der Kapitän, nur 153 wurden gerettet. 130 Jahre danach spürte der Tauchroboter von Thompsons Team auf, was von diesem Schiff übrig geblieben war.

An jenem 26.November 1988 im Athletenclub in Columbia (Ohio) beobachtete ein Augenzeuge "eine sehr aufgeräumte und glückliche Gruppe von Investoren", wie der US-Journalist Gary Kinder in seinem Buch "Ship of Gold in the Deep Blue Sea" berichtet. Damals ahnten die Geldgeber noch nichts von der emotionalen Achterbahn, die sie noch erleben würden.

Seinen Investoren zeigte Tommy Thompson auch zwei wertvolle Doppeladler-Goldmünzen von 1857 und scherzte: "Dass mir die ja niemand einsteckt." In jenem Moment des Triumphs dachte der stolze Finder sicher nicht daran, dass er für seinen Schatz jahrelang vor Gericht gegen fremde Ansprüche streiten würde. Seine geglückte Suche nach der SS Central America, einem 85 Meter langen Schiff aus Holz, gilt heute noch in weiten Kreisen als kommerziell erfolgreichste Bergung des Inhalts eines Wracks.

Wert des Schatzes: streng geheim

Aber der genaue Wert des geborgenen Goldes - rund drei Tonnen - wurde nie öffentlich gemacht. Jeder konnte frei spekulieren. Phantastische Summen in der Höhe von einer Milliarde Dollar und darüber wurden in Medienberichten genannt. Andere sprachen von "nur" 150 Millionen Dollar. Unklar ist auch, ob sich im Wrack noch weitere Tonnen Gold befinden.

Thompson und seine Firma Columbus-America Discovery Group hielten das Gold-Inventar stets geheim, ebenso Details der Schatzsuche und Ausrüstung. Der heute 57-jährige Amerikaner - er wurde auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Untergang des Luxusschiffes Titanic geboren - wollte auch nie als Schatzsucher, sondern stets als Wissenschaftler bezeichnet werden.

Schon als Bub war er ein besessener Tüftler mit phantastischen Ideen gewesen, der im Alter von acht Jahren heimlich die Telefonleitung seiner Eltern anzapfte und einen eigenen Apparat aus der Schmuckschatulle seiner Mutter baute. Er arbeitete später für die renommierte Forschungsanstalt Bataille in Columbus, aber schon bald wusste er: Er wollte historische Schiffswracks in der Tiefsee bergen.

Seine Chancen hielt er am größten in den extremen Tiefen des Ozeans, wo bis dahin geeignete Instrumente für die Suche gefehlt hatten. Mit Hilfe genialer Experten entwickelte er Sonargeräte und einen Tiefsee-Roboter und wählte die SSCentral America wegen ihres Goldes aus. Dank Thompsons Überzeugungskraft und seiner wissenschaftlichen Vorgehensweise waren Investoren schnell bereit, teilweise enorme Summen in das Projekt zu investieren.

Auch als es Rückschläge gab, hielten sie zu ihm. Zunächst peilten Thompson und sein Team zweimal das falsche Wrack an, während Konkurrenten immer wieder versuchten, ihnen zuvorzukommen oder sie auszuspionieren. Endlich, im September 1988, identifizierten sie ein Objekt am Ozeangrund, das einem Schaufelraddampfer wie der SSCentral America am nächsten kam. Einige Tage später machte der Tauchroboter phantastische Bilder. "Der Boden war wie ein Teppich aus Gold", sagte Thompson damals: "Überall Gold." Goldbarren, aufgeschichtet wie Brotlaibe, Balken unter Goldmünzen begraben, ihr Glanz so frisch wie einst.

Kampf gegen Versicherungen

Thompson, der von Geheimhaltung besessen war, ließ einen neuen, sechs Tonnen schweren Tiefsee-Roboter "Nemo" für rund zehn Millionen Dollar bauen, mit über hundert elektronischen und 90 hydraulischen Funktionen, um das Gold mit archäologischer Sorgfalt zu bergen. Als Thompsons Schiff, Arctic Discoverer, mit Münzen, Barren und Blöcken aus Gold im Oktober 1989 in den Hafen der US-Stadt Norfolk einfuhr, wo eine begeisterte Menge wartete, reichten 39 Versicherungsfirmen Klage vor Gericht ein. Sie behaupteten, sie hätten für den Verlust des Goldes der SS Central America geradestehen müssen. Ein 13-jähriger Rechtsstreit folgte. Schließlich sprach ein US-Gericht den Versicherungen knapp acht Prozent des geborgenen Goldes zu.

Im Juni 2006 schrieb das US-Magazin Forbes, einige der Investoren, die insgesamt über 50 Millionen Dollar für die Schatzsuche aufgebracht haben sollen, warteten noch immer auf ihr Geld. Laut Forbes verkaufte Thompson über den Sportmakler Dwight Manley 7800 Goldmünzen und viele Goldbarren. Ihr Wert wurde damals auf mehr als 100 Millionen Dollar geschätzt. Dem Magazin gelang es aber nicht, Thompson aufzuspüren: "Seine letzte offizielle Adresse: ein Wohnwagen-Park in Fort Pierce, Florida."

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SZ vom 24.12.2009/tob
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