Schatzsucher: DDR-Geld im Harz:Und Geld stinkt doch

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Nach der Wende tauschten die DDR-Bürger ihre Ost-Mark in D-Mark um. Die alten Scheine landeten in einem Stollen im Harz - und zogen kriminelle Glücksritter an.

Silke Bigalke

Es ist ein düsterer Tag im Herbst, nass und kalt. Richter Holger Selig watet durch Matsch, durch feuchtes Gras und modrige Blätter. Er ist auf der Spur eines Verbrechens. Ihm folgen Verteidiger, Staatsanwalt, die Protokollführerin und der Besitzer des alten Stollens. Es ist der Tag der Beweisaufnahme. Ziel der kleinen Gruppe ist ein alter Lüftungsschacht im Boden, der ins Innere des Stollens führt. Arbeiter haben das Gitter, das sonst über dem mehrere Meter breiten Schacht liegt, bereits zur Seite geschoben. Richter Selig klettert die dreckigen Sprossen hinunter in die Dunkelheit.

Deutsche Bank, Währungsreform, Foto: APD

Ostdeutsche drängeln sich in der Nacht zum 1. Juli 1990 in Berlin vor der Deutschen Bank, um nach der Währungsreform das neue Geld zu bekommen.

(Foto: Foto: APD)

Im Innern der Thekenberge ruhte jahrelang ein ungewöhnlicher Schatz. Hier, in einem Stollen bei Halberstadt in Sachsen-Anhalt lag fast das gesamte Geldvermögen der DDR. Eigentlich für die Ewigkeit verscharrt. Doch dann kam es wieder ans Tageslicht - und Richter Selig soll nun klären, wie das genau geschah.

Im Zweiten Weltkrieg mussten KZ-Häftlinge die Anlage zu einem riesigen, unterirdischen Bunker ausbauen. Später diente der Stollen der Nationalen Volksarmee (NVA) als Depot, 1990 schließlich übernahm ihn die Bundeswehr. Mit der Wende bekamen die neuen Länder neues Geld, die alten Scheine mussten verschwinden. Etwa 3000 Tonnen Papier fuhr die Staatsbank in den Halberstädter Stollen und mauerte es 50 Meter tief unter der Erde ein. Über einen Schacht füllte sie das Versteck dann mit Kies auf.

Panzer unter der Erde

Richter Selig leuchtet mit der Taschenlampe durch die Gänge, der Strom ist abgeschaltet. "Das war schon unheimlich. Der Stollen ist so unvorstellbar groß, das glaubt man nur, wenn man es sieht", erinnert er sich Jahre später an die Beweisaufnahme. Zu NS-Zeiten fuhren Panzer unter der Erde. Mancher Tunnel sei so weitläufig, dass Autos darin locker auf 120 Stundenkilometer beschleunigen könnten. Vom Lüftungsschacht zum Geldlager ist es ein Stück. Im komplizierten Tunnelsystem können sich Eindringlinge leicht verirren, ohne Führer wäre die Gruppe hoffnungslos verloren. Richter, Anwälte und Gerichtsangestellte tasten sich langsam vor. Ihr Weg endet jäh an einer rötlichen Mauer. Sie sind am Ziel.

Im zwei Meter dicken Stahlbeton ist ein Loch, etwa vier Meter über dem Boden. Selig steigt über eine Leiter hinauf und leuchtet durch die Öffnung. Ein beißender Geruch schlägt ihm entgegen. Die DDR-Staatsbanker hatten Buttersäure darübergekippt. Hinter Bergen alter Sparbücher sieht Selig die Banknoten. Sie sind noch da, nicht verrottet, sondern gut erhalten unter Dreck und Kies. Der luftdichte Raum hat die Scheine konserviert. Lediglich die oberen sind rötlich verfärbt. Den Richter führt nur eine Frage her: Wer hat das Loch gebohrt?

"Es gab sicher eine Menge Leute, die vertraut waren mit der Anlage", sagt Gerd Kugler, Abteilungsleiter für Sicherheit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die KfW hatte 1994 die ehemalige DDR-Staatsbank übernommen und damit den Geldberg geerbt. "Wir wussten nur, wo das Geld eingelagert war. Wir wussten aber nichts vom Zustand des Geldes", sagt Kugler. Niemand hatte mit Problemen gerechnet, das Altpapier hätte längst verrottet sein sollen. Das Versteck wurde zudem militärisch gesichert, zumindest bis 1995. Dann kaufte ein privater Unternehmer den Stollen.

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