Schäuble und die Schuldenbremse:Die Tricksereien des Finanzministers

Rechnet Wolfgang Schäuble die Schulden des Jahres 2010 extra hoch, um in Zukunft weniger sparen zu müssen? Der Bundesrechnungshof rügt die Haltung des Finanzministers, die SPD warnt vor Manipulationen.

Claus Hulverscheidt

Der Bundesrechnungshof hat Finanzminister Wolfgang Schäuble davor gewarnt, die neue Schuldenbremse im Grundgesetz durch Tricksereien auszuhebeln. Die Kontrolleure fordern Schäuble in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags auf, seine Finanzplanung an die unerwartet gute Konjunkturentwicklung anzupassen und die vorgesehenen Kreditobergrenzen für die kommenden Jahre deutlich herabzusetzen.

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Der Bundesrechnungshof befürchtet, Finanzminister Wolfgang Schäuble könnte bei der neuen Schuldenbremse fürs Grundgesetz tricksen.

(Foto: AFP)

Schäubles Finanzplanung liegen Zahlen vom Juni zugrunde, die angesichts der hohen Steuereinnahmen und überraschend geringen Ausgaben für den Arbeitsmarkt veraltet sind. Laut Rechnungshof muss deshalb das gesamte Tableau nach der nächsten Steuerschätzung im November noch einmal überarbeitet werden. Halte der Minister an seinen bisherigen Zahlen fest, lade er dem Land eine unnötig hohe Schuldenlast auf, heißt es in dem siebenseitigen Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Das sei weder mit dem "Sinn und Zweck der neuen Schuldenregel" noch mit dem Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit vereinbar.

Die Schuldenbremse verlangt, dass der Bund sein Haushaltsdefizit bis Mitte des Jahrzehnts in gleich großen Schritten auf maximal 0,35 Prozent der heutigen gesamtwirtschaftlichen Leistung reduziert. Ab 2016 darf die Nettokreditaufnahme - bereinigt um Konjunktureinflüsse - somit nur noch höchstens neun Milliarden Euro betragen.

Ausgangspunkt des Defizitabbaus ist das Jahr 2010, dem damit für die Festlegung aller jährlichen Kreditobergrenzen bis 2015 entscheidende Bedeutung zukommt: Je höher nämlich das sogenannte strukturelle Defizit im Ausgangsjahr ausfällt, desto größer ist der Verschuldungsspielraum in den Folgejahren. Neben dem Bundesrechnungshof warnt deshalb auch die Bundesbank davor, den Startpunkt künstlich nach oben zu verschieben, um "eine Art Sprungschanze" zu erhalten.

Trotz aller Warnungen bleibt Schäuble bislang stur. Gemäß seiner Planung wird das strukturelle Defizit im laufenden Jahr gut 53 Milliarden Euro betragen. Soll dieser Fehlbetrag nun bis 2016 in etwa gleich großen Schritten reduziert werden, läge die Kreditobergrenze beispielsweise 2011 bei etwa 46 Milliarden und 2012 bei gut 38 Milliarden Euro. Tatsächlich gehen Experten aber davon aus, dass das Defizit im Startjahr 2010 nicht 53 Milliarden, sondern nur etwa 40 Milliarden Euro betragen wird. Bediente sich Schäuble nun dieser realistischeren Zahl, verringerten sich auch die Kreditlimits für die Folgejahre deutlich: auf 35 Milliarden Euro 2011 und auf 30 Milliarden Euro 2012.

Bis zum Jahr 2016 gerechnet dürfte der Bund nach der Schäuble-Methode 30 Milliarden Euro mehr an neuen Schulden aufnehmen als eigentlich nötig. Der Rechnungshof hält das für einen Verstoß gegen die "Gesamtarchitektur" der Schuldenregel. Ein Sprecher Schäubles sagte dagegen, man habe die Zahlen im Juni bereits an die bessere Konjunkturentwicklung angepasst. Damit erfülle der Finanzplan "klar die Anforderungen der Schuldenbremse".

SPD fordert Einbeziehung der Fünf Weisen

Die SPD argwöhnt dagegen, dass der Minister an alten Zahlen festhält, um Union und FDP die dringend erwünschten Spielräume für schuldenfinanzierte Steuersenkungen zu eröffnen. Tatsächlich sprach sich am Wochenende nach der FDP auch die CSU für Steuerermäßigungen im Jahr 2012 aus.

Dagegen forderte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, Schäuble auf, Deutschlands Position in Europa durch "Tricksereien mit der Schuldenbremse" nicht weiter zu schwächen. "Die Steuersenker in der Koalition sind immer noch nicht in der Realität angekommen, die sich durch die neue Schuldenbremse verändert hat", sagte Schneider. "Schäuble sollte keinen Zweifel daran lassen, dass er die Verfassung in diesem Punkt ernst nimmt."

Der SPD-Politiker verlangte, dem Finanzministerium die komplizierte Berechnung des strukturellen Defizits zu entziehen und sie dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten Fünf Weisen, zu übertragen. Damit könne Schäuble auch für die Zukunft den Verdacht aus der Welt schaffen, die Zahlen würden politisch manipuliert.

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