Troika-Bericht:Griechenland braucht mehr Geld - bis zu 120 weitere Milliarden

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Ernüchternder Bericht von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank: Athens Rückkehr auf die Finanzmärkte im Jahr 2012 scheine unwahrscheinlich, deshalb sei das bisherige Hilfsprogramm unterfinanziert. Kanzlerin Merkel wirbt in den Koalitionsfraktionen um eine eigene Mehrheit für die Griechenland-Hilfen - offenbar mit Erfolg.

Claus Hulverscheidt, Berlin und Cerstin Gammelin, Brüssel

Griechenland braucht weitere Finanzhilfen, um nicht insolvent zu gehen. Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds präsentierten am Mittwochabend ihren lange erwarteten Prüfbericht. Darin heißt es, in Anbetracht "der Unwahrscheinlichkeit einer Rückkehr Griechenlands auf die Finanzmärkte im Jahr 2012" sei das bisherige Hilfsprogramm unterfinanziert. Finanzminister Wolfgang Schäuble schätzt den Betrag auf 90 bis 120 Milliarden Euro.

Die Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB nennt das bisherigen Hilfsprogramm für Griechenland unterfinanziert. Auf 90 bis 120 Milliarden Euro schätzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble den zusätzlichen Bedarf. (Foto: Getty Images)

Schäuble nannte diese Summe am Mittwochabend in der Unionsfraktion. Die Prüfer, die keinen konkreten Betrag genannt hatten, fordern, die bisherige Finanzierungsstrategie zu überprüfen und die "Finanzlücke" zu schließen.

Davon hänge auch die Zahlung weiterer Tranchen aus dem laufenden Hilfsprogramm von insgesamt 110 Milliarden Euro ab. "Die nächste Auszahlung kann nicht stattfinden, bevor das Problem dieser Unterfinanzierung nicht gelöst ist", schreiben die Experten.

Die Troika hatte einen Monat lang die Lage vor Ort geprüft. Sie sollte beurteilen, ob die bisherigen Bemühungen der griechischen Regierung um eine Haushaltssanierung ausreichen. Zudem sollte sie prüfen, ob und von wann an das Land wieder in der Lage sein wird, seine Schulden selbst zu finanzieren. Danach wollten EU und IWF entscheiden, ob, wann und in welcher Höhe sie weitere Hilfen an Athen auszahlen.

Die Experten urteilen, dass Griechenland "wahrscheinlich nicht" in der Lage sein wird, 2012 wie bisher geplant an die Märkte zurückzukehren und seine Schulden ohne fremde Hilfe zu finanzieren. Sie beklagen auch die schleppenden Reformen in dem Land.

EU-Diplomaten gehen davon aus, dass ein zweites Hilfspaket geschnürt werden muss. Sein Umfang hängt davon ab, wie lange es dauert, bis Athen wieder allein Kredite aufnehmen kann. Bisher war von 65 Milliarden Euro zusätzlich bis 2013 die Rede.

Bevor das neue Paket nicht geschnürt ist, wird die fällige Tranche aus dem laufenden Hilfspaket nicht ausgezahlt. Darauf pocht vor allem der IWF. Anfang Juli soll Griechenland planmäßig 12 Milliarden Euro aus dem Paket bekommen. Zudem muss die griechische Regierung ein weiteres Spar- und Reformpaket durch das Parlament bringen.

Merkel: Sparen allein wird Griechenland nicht helfen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb am Abend während einer Sondersitzung der Unionsfraktion vehement für weitere Hilfen für Griechenland, verknüpft allerdings mit harten Bedingungen für weitere Reformen. Nach Angaben von Teilnehmern betonte sie, Sparen alleine werde Griechenland nicht helfen. Zugleich hob sie hervor, dass die Hilfe mit Auflagen verbunden sein müsse, ansonsten wäre das ein schlechtes Signal für Länder wie Irland und Portugal.

Einzelne Abgeordnete warben für eine Insolvenz Griechenlands. Die meisten aber sprachen sich angesichts der Risiken im Falle einer ungeordneten Insolvenz des Landes für weitere Hilfen aus, hieß es.

Merkel kann für das Votum im Bundestag auf eine eigene Mehrheit hoffen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, die Liberalen trügen Merkels Politik mit. Die Wende brachte offenbar ein Brief Schäubles, in dem dieser die deutsche Zustimmung zu weiteren Griechenland-Hilfen davon abhängig macht, dass die privaten Gläubiger, also etwa Banken, auf Ansprüche verzichten.

Vor den Fraktionen kündigte Merkel zudem an, dass die Koalitionsspitze noch vor der Sommerpause zu einer Klausur zusammen kommen werde, um über alle Probleme zu sprechen.

© SZ vom 09.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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