Sanierung des Anger Palais:Palais mit Paternoster

Mit der Sanierung eines früheren Verwaltungsgebäudes haben im Münchner Angerviertel auch die Stadtwerke neue Büros geschaffen.

Ingrid Weidner

Derzeit bevölkern Handwerker und Bauarbeiter das Foyer. Sie passen Bodenleisten an, polieren Türen und wienern das Treppenhaus. Wo früher Beamte morgens zur Stechuhr eilten, werden bald vor allem Rechtsanwälte und Berater durch den Eingang strömen. Die sechs Männer-Statuen in ihren mintgrün gekachelten Nischen lässt das Schauspiel ungerührt. Seit fast hundert Jahren schmücken sie das Entree des Anger Palais, sie genießen wie das gesamte Gebäude Denkmalschutz. Wie viele andere Häuser in der Nachbarschaft wurde das Objekt grundlegend saniert, um kaufkräftige Büro-Mieter anzulocken.

Sanierung des Anger Palais: Symmetrie dominiert die Aussenfassade des Anger Palais.

Symmetrie dominiert die Aussenfassade des Anger Palais.

(Foto: Foto: SWM)

Ocker war Pflicht

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der städtischen Gaswerke wurde zwischen 1913 und 1917 nach den Plänen von Robert Rehlen erbaut. 2001 packten die letzten städtischen Mitarbeiter am Unteren Anger ihre Kisten und zogen in das neue Verwaltungsgebäude der Stadtwerke München (SWM) in die Emmy-Noether-Straße. Entgegen der sonstigen Firmenphilosophie, nicht genutzte Gebäude zu verkaufen, entschlossen sich die SWM im Jahr 2005, das Anger Palais in Eigenregie zu sanieren und anschließend zu vermieten. Seit 2006 wird das Gebäude herausgeputzt.

Der neoklassizistische Bau mit der symmetrischen Außenfassade besticht durch große Rundbogenfenster im Erdgeschoss, neben denen das Eingangsportal fast bescheiden wirkt. Hinter drei der torartigen Fenster bietet ein Designladen seine Waren an. Die komplette Fassade blieb unverändert, lediglich eine frische Farbe durfte sein. Die Auflagen des Denkmalschutzes reichten vom ockerfarbenen Anstrich der Sprossenfenster bis zum Bodenbelag im Inneren des Hauses. Die Innengestaltung dagegen ist modern und von SSK Architekten aus München umgesetzt worden.

7000 Quadratmeter Bürofläche

Mit einer neuen Raumaufteilung entstanden auf fünf Etagen circa 7000 Quadratmeter Bürofläche. Die Preise liegen mit mehr als 20 Euro für den Quadratmeter im oberen Preissegment. Pro Etage sind maximal drei Mietparteien vorgesehen, es können aber auch ganze Stockwerke angemietet werden. Sabrina Schmitz vom Verkaufsteam der SWM bedauert, dass das sechste Geschoss mit dem herrlichen Blick über die Altstadt nur als Lagerfläche dient. Die Auflagen für den Ausbau seien zu hoch gewesen. Mit sechs genutzten Stockwerken gilt ein Gebäude nämlich als Hochhaus; Sicherheitsmaßnahmen wie eine Sprinkleranlage für den Brandschutz und weitere Auflagen hätten die Kosten dann zu sehr in die Höhe getrieben.

Das Angerviertel erlebte in den vergangenen Jahren große architektonische und städtebauliche Veränderungen. Den im Jahr 2002 ausgeschriebenen Realisierungswettbewerb für eine große Neuplanung gewann das Büro Steidle & Partner aus München. Mit der kompletten Neugestaltung am Oberanger im Jahr 2004 sowie dem Neubau der Synagoge am St. Jakobsplatz, dem jüdischem Gemeindezentrum, Museum und einer Schule gewann das lange vernachlässigte Areal wieder ein eigenes Gesicht.

Palais mit Paternoster

Bereits von 1970 an entwickelte die Stadt München neue Ideen. Das Mitte der sechziger Jahre entstandene sechsgeschossige Parkhaus sowie die Tankstelle am St. Jakobsplatz raubten dem Viertel viel Charme. Der Münchner Projektentwickler Wöhr + Bauer interessierte sich schon länger für das Areal des Parkhauses: "Für uns war es ein Rohdiamant mit vielen Ecken und Kanten sowie einer dicken Lehmschicht", erklärt Florian-Andreas Walser von Wöhr + Bauer. Zu den neuen Gebäuden zählt heute auch der von Wöhr + Bauer geplante und realisierte Angerhof. Das Gebäude verfügt über circa 13.000 Quadratmeter Bürofläche, die sich vom Erdgeschoss bis in die vierte Etage verteilen.

Wohnungen der höchsten Preisklasse

Die Firma Linde entschloss sich 2006 im Rahmen einer Umstrukturierung des Konzerns ihre Unternehmenszentrale von Wiesbaden nach München in das neue Gebäude am Oberanger zu verlegen. Bis zur Fertigstellung der neuen Räume zogen die Mitarbeiter zunächst an den schon bestehenden Standort in der Leopoldstraße und von dort im Oktober 2008 in die neuen Büros am Oberanger. Heute haben dort etwa 250 Linde-Angestellte ihren Arbeitsplatz. "Ein attraktiver Standort in der Innenstadt ist ein wichtiges Argument im Wettbewerb um gute Mitarbeiter", erläutert ein Unternehmenssprecher. Linde hat die kompletten Büroflächen des Gebäudes angemietet, weshalb neben dem Vermarktungstitel "Angerhof" bei vielen Münchnern der komplette Neubau nur salopp als "Lindezentrale" bezeichnet wird.

In dem markanten Gebäude gibt es neben einer Tiefgarage mit etwa 520 Stellplätzen auch ein Restaurant im Erdgeschoss sowie eine Reinigung. In der fünften und sechsten Etage des Angerhofs stehen Wohnungen der höchsten Preisklasse zum Verkauf. Von den insgesamt 30 Einheiten hat mehr als die Hälfte bereits einen neuen Eigentümer gefunden. Die Wohnfläche variiert zwischen 50 und 500 Quadratmetern, für die Interessenten zwischen 8000 und 15 000 Euro pro Quadratmeter zahlen müssen. Verkaufsleiter Florian-Andreas Walser von Wöhr + Bauer ist zuversichtlich, dass er in diesem Jahr alle Verkaufsgespräche abschließen kann. "Viele Leute flüchten momentan an sichere Standorte und möchten ihr Geld in solide Projekte investieren. Die Preise sinken keinesfalls, die Nachfrage ist weiterhin groß."

Neu installierter Paternoster

Sabrina Schmitz von den Stadtwerken München rechnet ebenfalls damit, dass bis Jahresende alle Büros im Anger Palais vermietet sind. "Die aufwendig restaurierten Büros in Innenstadtlage sind etwas besonderes." Mieter können zum Beispiel mit einem neu installierten Paternoster die Etagen wechseln. Ob das Gebäude um ein Restaurant in der ehemaligen Kantine erweitert wird, steht noch nicht fest. Die grünen Statuen im Treppenhaus scheinen aber bereits auf neue Gäste zu warten.

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