Sal. Oppenheim:Viele Verlierer und ein stiller Held

Die Staatsanwaltschaft in Köln will offenbar ein Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Gesellschafter der Privatbank Sal. Oppenheim einleiten.

H. Leyendecker und K. Ott

Die Bankiersfamilie Oppenheim stellte in den vergangenen Jahrhunderten viele Mäzene in der "leichtfertigen Stadt", wie Heinrich Böll seine Heimatstadt Köln genannt hat. Für den Dom, für die Synagoge, für Krankenhäuser, für Museen, für die Universität und sogar für den Karneval wurde von Mitgliedern des 1789 gegründeten Geldhauses Sal. Oppenheim reichlich gespendet.

Als Alfred Freiherr von Oppenheim, wohl der letzte wirkliche Patriarch der Sippe, vor fünf Jahren starb, erhielt er als erster Protestant in der mehr als 750-jährigen Geschichte des Hohen Doms einen evangelischen Trauergottesdienst.

Der Sohn des Alten, Christopher Freiherr von Oppenheim, der zur siebten Generation der Bankiersfamilie gehört, bekommt es in den nächsten Wochen - ebenso wie einige der ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter des vornehmen Geldhauses - wohl mit einer irdischen Kölner Institution zu tun, deren Tätigkeit manchmal in den Klüngelpütz, in das örtliche Gefängnis, führt: Die Staatsanwaltschaft Köln wird voraussichtlich nächste oder übernächste Woche Ermittlungsverfahren gegen die frühere Führung der Bank wegen Verdachts der Untreue einleiten.

Dabei geht es vor allem um Darlehen über 680 Millionen Euro, die ein halbes Dutzend Bankeigentümer von ihrem Geldhaus zum Teil zu sehr günstigen Konditionen und angeblich ohne ausreichende Sicherheiten erhalten haben soll.

221 Jahre nach der Gründung wurde in Köln die Unabhängigkeit der größten europäischen Privatbank buchstäblich verspielt. Oppenheim ist nur noch ein Name im Finanzimperium der Deutschen Bank. Das vornehme Geldhaus für die Reichen, das Erbe, die Dynastie - alles verloren. Auch der Mythos vom ehrbaren, verantwortungsvollen Privatbankier, der keine übergroßen Risiken eingeht, ist ruiniert. Das alles ist, mit den Augen des Zeitgeschichtlers betrachtet, schlimmer als ein gewöhnliches Kriminaldelikt.

Aber für Historie und die Würdigung einer einst ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte ist die Kölner Staatsanwaltschaft nicht zuständig. Sie hat in einem Vorermittlungsverfahren, das bis zum Freitag noch nicht abgeschlossen war, die Ströme der Zahlen nachgezeichnet. Ob den Strafverfolgern bei all den Kurven und Schluchten schwindlig wurde, ist nicht bekannt.

Für Ende März wird der Countdown erwartet: Bevor die Ermittler auch nur ein einziges Aktenzeichen vergeben haben, schauten bereits vor Wochen einige der erfahrensten Wirtschaftsanwälte der Republik im Auftrag der Banker bei der Staatsanwaltschaft in Köln vorbei und sprachen mit den Strafverfolgern über deren Prüfung der Unterlagen. Die Ermittler ließen keinen Zweifel, dass sie Ermittlungsverfahren einleiten werden.

Ziemlich sicher wird es vier Ex-Gesellschafter treffen, darunter den etwas blassen Christopher Freiherr von Oppenheim und den unglücklichen Matthias Graf von Krockow, der viele Jahre das Institut geführt hat. Womöglich bekommt auch der große Strippenzieher der Immobilienbranche, der schillernde Josef Esch, ein Aktenzeichen. Nicht wegen der seltsamen Kredite, sondern wegen anderer Merkwürdigkeiten, in die er verstrickt sein soll.

Die Anwälte der Betroffenen äußern sich nicht dazu. Das nun von der Deutschen Bank geführte Geldhaus Sal.Oppenheim will mit der Staatsanwaltschaft eng kooperieren. "Sollte ein Ermittlungsverfahren gegen ehemalige persönlich haftende Gesellschafter eingeleitet werden, werden wir selbstverständlich die Staatsanwaltschaft unterstützen, damit die Untersuchungen schnell und umfassend abgeschlossen werden können", erklärte ein Sprecher von Sal.Oppenheim.

Auch bereiten einige Altgesellschafter Privatklagen gegen die alte Bankführung vor, die aus persönlich haftenden Gesellschaftern bestand. Die Deutsche Bank hat nur eine Milliarde Euro für das Geldhaus bezahlt. Das wird möglicherweise nicht bei allen Gesellschaftern und vermutlich auch nicht bei den rund 40 Familienaktionären reichen, um die eigenen Schulden zu bezahlen. Sal. Oppenheim soll kurz vor der Katastrophe gestanden haben.

"Spekulation klingt herrlich"

Eigentlich unvorstellbar. 2007 noch hatte das Geldhaus die Rekord-Bilanzsumme von 41 Milliarden Euro gemeldet. Stets hatten die Manager der Privatbank öffentlich langfristige Ziele gelobt und den kurzfristigen Erfolg in Zweifel gestellt. "Spekulation klingt herrlich, man weiß nur nicht, wann es aufhört", erläuterte Christopher Freiherr von Oppenheim den Ethos der Privatbankiers. Dabei wurde in Köln gewaltig gezockt.

Wie viele andere Vorstände vieler anderer gewöhnlicher Banken hatten sich die Geldmanager, die die Superreichen betreuten, an neuartigen Finanzprodukten versucht. Neben die traditionelle Vermögensverwaltung trat immer stärker das Investmentbanking. Oppenheim wucherte weitgehend unkontrolliert und wurde ein Opfer des eigenen Erfolgs. Als verheerend erwies sich aber die geschäftliche Liaison mit einer langjährigen, einst guten Kundin, der Ex-Milliardärin Madeleine Schickedanz.

Vor zwölf Jahren hatte sich die Haupterbin des Versandhauses Quelle am Warenhauskonzern Karstadt beteiligt. Bis heute steht nicht genau fest, ob sie damals wirklich vom Kölner Traditionshaus einen Großkredit in Höhe von 500 Millionen Euro erhielt. Der soll zwar mit Aktien und Immobilien abgesichert gewesen sein, aber das Darlehen war für die Privatbank ungewöhnlich groß.

Karstadt-Quelle wurde zum Milliardengrab, und das änderte sich auch nicht, nachdem das Unternehmen in Arcandor AG umbenannt worden war. Es gab eine Kapitalerhöhung, neue, noch gewaltigere Kredite wurden gebraucht. Merkwürdigerweise sicherten Mitglieder der Oppenheim-Dynastie die Darlehen mit privaten Bürgschaften ab.

"Wir kennen uns, wir helfen uns"

Als es brannte, stieg Sal. Oppenheim noch rasch mit 30 Prozent als Großaktionär ein. Womöglich setzten die Bürgen auf Aktienkursgewinne. Vielleicht gingen sie davon aus, dass die Bundesregierung der Arcandor AG die beantragte öffentliche Hilfe in Höhe von 650 Millionen Euro gewähren würde. Über einen Großteil dieser rätselhaften Geldmanöver wurden Aufsichtsgremien und Gesellschafter offenbar nur unzureichend informiert. Auch das dürfte von den Staatsanwälten geprüft werden.

Vermutlich wird auch die Rolle von Esch, der Vermögensverwalter der Milliardärin war, in einem Verfahren ausgeleuchtet werden. Parallel zu dem Kölner Fall werden Bochumer Strafverfolger ihr Verfahren gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und andere wegen Untreue und der Insolvenzverschleppung vorantreiben. Auch hier muss Esch damit rechnen, dass gegen ihn Ermittlungen eingeleitet werden. Die Deutsche Bank will den Fünf-Prozent-Anteil von Sal.Oppenheim an der Oppenheim-Esch-Holding rasch abstoßen, auch will das Geldhaus eigene Anteile an Esch-Fonds abstoßen. Die Deutsche Bank räumt auf.

Diese Geschichte hat viele Verlierer und einen stillen Helden. Es handelt sich um einen ehemaligen Risikovorstand namens Ingo Mandt, der viele Jahre bei der Frankfurter Oppenheim-Tochter, der BHF-Bank, gearbeitet hat. Er weigerte sich im Sommer 2009, dem Kölner Traditionshaus einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro zu gewähren, weil er das für Untreue hielt. Mandt verhielt sich wie ein fürsorglicher Privatbankier. Er ging, der Kredit floss später doch. Der Kölner Spruch "Wir kennen uns, wir helfen uns", galt für Mandt nicht.

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