Rüge vom Bundespräsidenten:Köhler geißelt Finanzkapitalismus

Der Finanzkapitalismus dürfe kein Leitbild mehr sein, poltert Bundespräsident Horst Köhler. Er fordert drastische Konsequenzen.

M. Hesse, C. Gammelin und S. Höll

Angesichts der dramatischen Schuldenkrise in der Europäischen Währungsunion hat Bundespräsident Horst Köhler die Finanzindustrie scharf angegriffen.

Köhler, dpa

Der moderne Finanzkapitalismus steigere "seine eigenen Renditen ohne Rücksicht darauf, ob das dem Wohlergehen der Nationen nutzt" - sagt Köhler.

(Foto: Foto: dpa)

Der moderne Finanzkapitalismus steigere "seine eigenen Renditen ohne Rücksicht darauf, ob das dem Wohlergehen der Nationen nutzt". Köhler forderte die europäischen Regierungen auf, strenge Regeln aufzustellen und "einige Geschäftsarten schlicht zu verbieten".

"Die internationale Finanzindustrie hat mit sogenannten Finanzinnovationen ihre eigenen Gewinne in schwindelnde Höhen getrieben und nicht nach den Risiken gefragt", sagte Köhler am Donnerstag beim Munich Economic Summit in München.

"Die Gewinne haben wenige gemacht, die Verluste muss die Allgemeinheit tragen", kritisierte der Präsident. Der vorherrschende Finanzkapitalismus könne kein Leitbild mehr sein, weil er vor allem auf Pump und Wetten aufbaue.

Abgabe auf Finanztransaktionen

Köhler forderte drastische Konsequenzen für Banken und Investoren. Verboten gehörten etwa Geschäfte mit riesiger Hebelwirkung. Für solche "Massenvernichtungswaffen brauchen wir Abrüstung", sagte Köhler. Alle Arten von Finanzgeschäften müssten wieder mit ausreichend Kapital unterlegt werden. Kein Finanzakteur dürfe mehr zu groß zum Scheitern sein. Köhler sprach sich für eine Abgabe auf internationale Finanztransaktionen aus, um die Branche an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Auch die Opposition im Bundestag verlangte abermals stärkere Finanzmarktkontrollen. Die SPD gab allerdings ihre Forderung auf, schon im Gesetz für das in der nächsten Woche geplante Hilfsprogramm für Griechenland entsprechende Regelungen festzuschreiben. Ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel kündigte an, die SPD werde das von Union und FDP geplante parlamentarische Eilverfahren nicht blockieren und sei bereit, dem Gesetz zuzustimmen.

"Wir tragen die Entscheidung mit, die der Stabilisierung des Euro dient und damit im Interesse Deutschlands ist", sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung. Im Gegenzug verlangte er von Merkel verbindliche Zusagen, sich in der EU für eine Steuer auf Finanzgeschäfte einzusetzen. Das fordern auch die Grünen, die sich dem Gesetz ebenfalls nicht widersetzen wollen. Die Linken halten sich eine Zustimmung bislang offen, die designierte Parteichefin Gesine Lötzsch sagte, man müsse Griechenland retten, müsse gleichzeitig aber die Finanzmärkte regulieren.

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft wies Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung zurück. Es sei "verständlich und nachvollziehbar", dass die Bundesrepublik, die ohnehin Europas größter Zahlmeister sei, nicht sofort Geld zugesagt habe, sagte der spanische Außenminister und amtierende EU-Ratspräsident Miguel Angel Moratinos.

Das deutsche Zögern sei sogar "sehr hilfreich" gewesen, um die Regierung in Athen "wirklich zum Sparen zu zwingen". Moratinos zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland am Ende einsehen werde, "dass es Geld geben muss".

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn sagte in Brüssel, das griechische Reform- und Sparpaket sei so gut wie fertig. Die Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Weltwährungsfonds arbeiteten in Athen ununterbrochen, um das über mehrere Jahre laufende Abkommen "in den nächsten Tagen" vorzulegen. Das Abkommen ist Voraussetzung für Finanzhilfen des Weltwährungsfonds und der Euroländer.

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