Robo-Advisors:Wenn Computer die private Geldanlage übernehmen

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Das Wachstumspotenzial der sogenannten Robo-Advisors ist groß. (Foto: dpa/dpaweb)

Kunden können ihr Geld mittlerweile von einem Finanzroboter anlegen lassen. Ist das sinnvoll?

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die digitale Transformation im Banken-Sektor schreitet zügig voran. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass ein Finanztechnologieunternehmen mit Angeboten für Sparer oder Firmenkunden von sich reden macht. Die digitalen Dienstleister haben aufgrund ihrer schlanken Strukturen Kostenvorteile. Das Geld der Kunden legen sie mittels vollautomatischer Software basierend auf mathematischen Konzepten an. "Digitale Modelle sind nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch ihrer Leistung auf der Überholspur. Der Trend, dass Computer die standardisierte Geldanlage übernehmen, ist unumkehrbar", sagt Wolfgang König, Direktor des House of Finance an der Goethe-Universität in Frankfurt.

Das Wachstumspotenzial der sogenannten Robo-Advisors, wie die digitalen Plattformen genannt werden, ist enorm. Bereits im Jahr 2020 wird der Online-Vertrieb für Spar- und Anlageprodukte laut der Beratungsfirma McKinsey von heute 20 auf 35 Prozent steigen. "Wir befinden uns momentan in einem neuen Markt und damit auch ganz am Anfang davon, was überhaupt möglich ist. Als Unternehmen stehen wir damit vor der Herausforderung, spannende neue Dienste anbieten zu wollen, aber gleichzeitig auch die Kunden langsam an das digitale Geschäft heranzuführen", sagt Christian Schneider-Sickert, Gründer und Geschäftsführer des digitalen Vermögensverwalters Liqid.

Für den Abgesang auf die traditionellen Finanzhäuser ist es noch verfrüht. Statt einem Rundum-Sorglos-Paket bieten die Online-Finanzdienste Zusatzservices. "Die komplette Bankverbindung kann durch digitale Vermögensverwaltungen derzeit nicht ersetzt werden. Dazu müssen die Plattformen ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen und in personalisierte Kundenberatung investieren", sagt Carmela Melone, Senior-Analystin bei MyPrivateBanking Research. In der Studie "Global Robo-Advisor Benchmarketing 2017" hat die Schweizer Marktforschungsfirma jüngst Robo-Advisors in elf Staaten untersucht und ihre Stärken und Schwächen analysiert. Selbst die führenden Anbieter seien nicht in der Lage, das volle Potenzial automatisierter Anlageberatung auszuschöpfen.

Personalisierte Informationsangebote sind selten

"Die Robo-Advisors konzentrieren sich meist ausschließlich auf das Portfoliomanagement. Bei den vor- und nachgelagerten Prozessen der Kundenbeziehung besteht noch viel Aufholbedarf", sagt Melone. Personalisierte Informationsangebote seien ebenso selten wie Finanzplanungstools. Tatsächlich beschränkt das Gros der Online-Vermögensverwalter ihr Geschäftsmodell auf passives Investment. Kunden können zwischen fixen oder variablen ETF-Portfolios wählen, die verschiedene Risikoprofile abdecken. Dies sichert geringe Kosten und wenig Managementbedarf.

Einige Plattformen wie Investify, Liqid und Visualvest bieten Anlegern darüber hinaus aktiv gemanagte Fonds und alternative Finanzprodukte. "Die Branche ist kein Nullsummenspiel, genauso wie im Offline-Markt werden auch im Online-Markt nicht alle überleben. Ein rein passives ETF-Angebot wird langfristig nicht zum Erfolg führen, deshalb wollen wir uns weiter entwickeln", sagt Schneider-Sickert. So starte das Berliner Unternehmen in wenigen Wochen mit einer Mobile App zur laufenden Berichterstattung und Information der Anleger. Im kommenden Jahr will Liqid, das im Private-Equity-Geschäft mit der Vermögensverwaltung HQ Trust kooperiert, mit einer Online-Finanzplanung starten und das Produktangebot erweitern.

Auch wenn die Zeit für Robo-Advisors spricht, fortan ausschließlich auf Online-Kanäle zu setzen, kann sich rächen. "Die Kunden wollen nicht nur unkompliziert investieren, sondern auch Betreuung, wenn Probleme entstehen. Das Fehlen der menschlichen Interaktion müssen reine Robo-Advisors durch die Entwicklung innovativer Tools ersetzen", sagt Melone. Wer diese Kundenbindung nicht schaffe, sei austauschbar. Gerade Kleinanleger auf der Suche nach günstigen ETF-Angeboten sind keine Investmentprofis und benötigen häufig Expertenrat. Der Nutzung von Chats, Blogs, Videos und Social-Media-Kanälen für personalisierte Services kommt somit große Bedeutung zu.

Bei Liqid nehmen 50 Prozent der Kunden die Gesprächs-Option mit dem Finanzteam wahr. "Wenn man den Anspruch hat, Kunden nicht nur rein digital, sondern optional auch persönlich zu beraten, dann rechnet sich das Geschäft nur ab gewissen Größen. Bei 50 Basispunkten für ein 5000 Euro Investment liegt der Bruttoertrag bei 25 Euro", sagt Schneider-Sickert, "eine zu geringe Marge für zusätzliche Beratung." Mit ein Grund, warum der Mitte 2015 gegründete Online-Vermögensverwalter mit aktuell mehr als 150 Millionen Euro verwaltetem Vermögen eine Einstiegshürde bei 100 000 Euro einzog. Klar ist, mit der Komplexität des Anlageproduktes steigt meist auch der Beratungsbedarf.

Die größten Konkurrenten sind nicht die Robo-Advisors

"Die Digitalisierung ist für die Sparer durchweg vorteilhaft. Sie bringt Arbeitserleichterung, Kostenersparnis und im fortgeschrittenen Fall den Abschied von versteckter ungebührlicher Produktbewerbung", sagt König. Das Angebot an passiven Investments im Mix mit aktiven Portfolios macht Geldanlage für den Kleinanleger um einige Basispunkte günstiger als bei klassischen Fonds. Vielen Sparern steht somit erstmals die Möglichkeit offen, am Kapitalmarkt zu investieren.

Um rasch Zugang zu einem attraktiven Kundenstamm zu erhalten und auch regulatorische Pflichten abzudecken, setzen die jungen Finanztechnologieunternehmen vermehrt auf Kooperationen mit traditionellen Finanzhäusern. Die Neulinge liefern mit ihrer Technologie innovative Services für Kunden von Banken - zuletzt Elinvar für M.M. Warburg - oder nutzen Branchengrößen als Vertriebspartner. Beispiel: Scalable Capital mit ING-Diba und VW Bank mit Whitebox. Zeitgleich investieren besonders Großbanken wie die Deutsche Bank mit ihrer Digitalfabrik und die Commerzbank mit Robo Invest in eigene Digitalisierungsprogramme. Zukäufe wie die Übernahme von easyfolio durch die Privatbank Hauck & Aufhäuser sind selten.

"Die traditionelle Finanzbranche hat den großen Vorteil, die Entwicklungen zu beobachten und daraus zu lernen. Es ist nicht zu spät, in den Markt einzutreten", sagt Melone. In der Qualität seien kaum Unterschiede zwischen den Angeboten von Banken, die im Haus Lösungen entwickeln, und jenen der Start-ups auszumachen. Statt durch Verdrängung vollzieht sich der Branchenwandel in den kommenden Jahren durch eine Koexistenz von Off- und Online-Anbietern. Ein drastischer Schrumpfkurs bleibt den etablierten Branchengrößen freilich nicht erspart. Das Potenzial für rasche Umbrüche haben hingegen branchenfremde Akteure. "Das wirkliche Problem der traditionellen Finanzhäuser sind nicht die Start-ups, sondern die globalen Plattformen wie Amazon, Google oder Alibaba, die zunehmend standardisierte Bank-Dienstleistungen anbieten. Da unsere Kundendaten bereits zum Großteil über dem Atlantik gespeichert sind, bedroht dies die bisher überlegene Kundenbeziehung der Bank zum Anleger", sagt König.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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