Riester-Rente:Eigenheim-Regel hat Tücken

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Experten befürchten, dass die Riester-Rente Immobilien-Sparer in Finanznöte bringt.

Heinz-Josef Simons

(SZ vom 9.1.2002) Seit Jahresbeginn können auch Häuslebauer die staatliche Förderung der Privatrente nutzen. Über die so genannte modifizierte Entnahme, deren Ausgestaltung genauso bürokratisch ist wie ihre Bezeichnung, plündern Eigenheimer ihr gefördertes Vorsorgekonto und stecken das Geld vorübergehend in die Immobilienfinanzierung.

Mokierten sich anfangs hauptsächlich die Bausparkassen gegen die vermeintliche Konkurrenz, so haben mittlerweile immer mehr Experten nach einem genauen Blick ins Kleingedruckte ihre Daumen gesenkt.

Musterbeispiele passen nicht

Wer jetzt bauplant und spart, sollte als erstes die mittlerweile in Dutzenden kursierenden Muster- und Beispielrechnungen zur Riester'schen modifizierten Entnahme beiseite legen, weil es kaum eine geben wird, die die individuelle Situation treffend widerspiegelt. Die Crux liegt nämlich im Detail.

Es kommt deshalb darauf an, das Kleingedruckte dieser speziellen Regelung für Häuslebauer im Rahmen der Förderung zur privaten Altersvorsorge verinnerlicht zu haben.

Vorsorge-Schritte

Am Beginn steht freilich zunächst einmal der Abschluss eines zertifizierten, also mit behördlichem Segen versehenen Vorsorge-Produkts. Für spätere Entnahmepläne zur Hausfinanzierung ist es zunächst egal, ob man sich für die zur Auswahl stehenden Rentenversicherungen, Investmentfonds-Sparpläne oder den sonstigen Angeboten von Banken und Sparkassen entscheidet.

Wichtig ist, bis wann mit dem jeweiligen Produkt ein fünfstelliger Sparbetrag zusammen kommt. Denn erst sobald 10.000 Euro privates Rentenkapital vorhanden sind, folgt der nächste Schritt. Ab diesem Mindest-Guthaben nämlich ist einen Geldentnahme vom Vorsorgekonto gesetzlich erlaubt. Mehr als 50.000 Euro dürfen aber nicht abgebucht werden.

Kritik der Bausparkassen

Hauptsächlich diese Geduldsprobe ist es, die die Bausparkassen kritisieren. "Wegen der geringen Sparleistungen dauert es im Schnitt mindestens acht Jahre, bis der Anleger das Mindestkapital von 10.000 Euro zusammen hat", moniert Andreas Zehnder, Geschäftsführer des Verbandes privater Bausparkassen in Bonn.

Es dauere viel zu lange, um den Immobilienwunsch zu realisieren. So haben die Finanzmathematiker der Schwäbisch Hall ausgerechnet, dass etwa ein Sparer mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 50.000 Euro erst im Jahr 2009 das für die "modifizierte Entnahme" erforderliche Mindestguthaben von 10.000 Euro beisammen hat. Ein Kleinverdiener mit einem Jahresbruttogehalt von nur 20.000 Euro muss sogar bis zum Jahr 2015 sein Sitzfleisch strapazieren.

*) Zeitpunkt, bis zu dem der für eine Geldentnahme nötige Mindestbetrag von 10.000 Euro angespart ist.Quelle: Bausparkasse Schwäbisch Hall.

Kritik an der Bausparkasse

Bei dieser Kritik übersieht die Bauspar-Lobby allerdings, dass auch ihr Produkt ein typisches Vorspar-Instrument ist. Denn die von den Kassen als zinsgünstig angepriesenen Darlehen gibt es nur, sobald das Mindestsparguthaben erreicht ist und weitere Kriterien für die Vertragszuteilung - etwa diverse Bewertungszahlen - erfüllt sind. Und das kann auch schon einmal einige Jahre dauern.

Vor allem, wenn Verträge mit Vermögenswirksamen Leistungen bespart werden und die Bausparvermittler aus naheliegendem Provisionsinteresse ihre Kundschaft zu überhöhten Bausparsummen verleitet haben.

Riester-Modell überfordert junge Familien

Viel gravierender und überzeugender ist da schon der Vorwurf in Richtung Gesetzgeber, dass die Riester'sche Eigenheim-Förderung die geneigte Zielgruppe finanziell überfordere. Das sind die in Statistiken vor allem jene viel zitierten Schwellenhaushalte - junge Familien mit zwei Kindern und vergleichsweise geringen beziehungsweise mittleren Einkommen.

"Die haben ein Jahreseinkommen von rund 40.000 Euro", sagt Karl-Heinz Glandorf von der Bausparkasse Schwäbisch Hall - und deshalb nicht ausreichend frei verfügbare Finanzmittel, um an mehreren unterschiedlichen Schulden-Fronten zu kämpfen. Denn ein Eigenheimbauer, der sein "Riester-Konto" gefleddert hat, muss das bis zum Beginn des Rentenalters - bei Vollendung des 65. Lebensjahres - in monatlichen Raten wieder auffüllen.

Doch dies dürfte mangels Finanzmasse kaum jemand schaffen. Denn neben der Rückzahlung des Eigen-Darlehens läuft der Aufbau privaten Versorgungskapitals parallel weiter. Außerdem drücken Zinszahlungen und Tilgungen der herkömmlichen Hypotheken-Darlehen.

Experten wie Andreas Zehnder fragen sich, in dem Fall aus guten Lobby- Gründen, weshalb Eigenheimer solch große und langfristigen finanziellen Mehrfach-Verpflichtungen wohl eingehen sollten. Schließlich sei Wohneigentum traditionell ein ausgezeichnetes Instrument der privaten Altersvorsorge und nicht die Komplettierung der staatlich geförderten Privatrente.

Folge: Wer beides, "Riester-Rente" und problemlose Finanzierung seines Reihenhäuschens, schafft, ist wohl derart flüssig, dass er die staatliche Förderung eigentlich nicht benötigt, gleichwohl gerne mitnimmt.

Risiko: Zwangsverkauf

Finanzielle Probleme gibt es möglicherweise auch, falls die geförderte Immobilie aufgegeben werden muss. Etwa aus Geldmangel wegen Arbeitslosigkeit oder nach einem Ortswechsel auf Grund beruflicher Veränderungen. Der Gesetzgeber droht in dem Fall mit der Keule eine "schädlichen Verwendung", sofern sich der Förder-Schützling nicht an die rechtlichen Spielregeln hält.

Und die besagen: Eine Vermietung des Eigenheims ist genauso unerwünscht wie möglicherweise dessen Verkauf. Steckt der Selbstnutzer Riestergeld nicht in ein Ersatzobjekt, was erlaubt ist, muss er das dem "Vorsorge-Konto" entnommene Geld dennoch zurückzahlen und zusätzlich wie ein normales Darlehen verzinsen - momentan mit fünf Prozent jährlich. Außerdem droht eine Nachversteuerung der im Riester-Fundus enthaltenen Kapitalerträge, die das Finanzamt bis dato nicht angetastet hat.

Pensionsfonds ungeeignet

Das größte Manko des Modells ist aber, dass die "modifizierte Entnahme" über ebenfalls staatlich geförderte betriebliche Pensionsfonds nicht möglich ist. Bauspar-Lobbyist Andreas Zehnder rechnet damit, "dass rund 75 bis 80 Prozent der privaten Altersvorsorge in die betrieblichen Angebote fließen werden." Für die Sparer komme das Eigenheim- Modell nach Riester-Gusto dann sowieso nicht in Frage.

Das dürfte den Gesetzesmachern, die die "modifizierte Entnahme" offenbar mit heißer Nadel gestrickt und erst in letzter Minute ins Regelwerk hineingedrückt hatten, seiner Zeit nicht klar gewesen sein. Über Nachbesserungen wird jedenfalls derzeit in Berlin rege diskutiert.

Falls es diese gibt, wären sie möglicherweise kontra-produktiv für Pensionsfonds- Anleger. Denn diese Variante der Riester-Rente ist - nach übereinstimmenden Berechnungen verschiedener Quellen - die kostengünstigste überhaupt. Würde sie mit der komplizierten Eigenheim-Förderung gespickt, wäre das wohl nicht mehr so.

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