Rettung von Unternehmen:Sanierer in Not

Firmenretter erhielten bisher Steuervorteile - das machte eine Sanierung lukrativ. Jetzt sollen aber die Unternehmen auf Drängen der EU Steuern nachzahlen. Die Industrie ist entsetzt.

K.-H. Büschemann, G. Bohsem und D. Stawski

Sanierer angeschlagener Firmen in Deutschland müssen künftig auf nennenswerte Steuervorteile verzichten. Die EU-Kommission in Brüssel kippte am Mittwoch die von der großen Koalition im Kampf gegen die Wirtschaftskrise eingeführte Sanierungsklausel. Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia bezeichnete die Regelung als unzulässige finanzielle Unterstützung. Sie verzerre den Wettbewerb und verstoße damit gegen Recht der Europäischen Union (EU). Er wies die Bundesrepublik deshalb an, alle Beihilfen wieder einzusammeln, die der Fiskus im Rahmen der Sanierungsklausel gewährt hatte.

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"Es wird schwerer, für Unternehmen Retter zu finden", sagen Steuerexperten.

(Foto: dpa)

Die Klausel war von der großen Koalition 2009 in der größten Rezession der Nachkriegszeit beschlossen und dann verlängert worden. Sie sollte es Investoren schmackhafter machen, bei notleidenden Unternehmen einzusteigen. Angelaufene Verluste des Übernahmekandidaten können dank ihr beim Fiskus geltend gemacht werden. Als Folge müssen die Sanierer weniger Steuern zahlen. Die Klausel löste eine als Mantelkauf bekannte Regelung ab. Diese war in der Vergangenheit häufig missbraucht worden. Investoren hatten sich oft nur für die Verluste, nicht aber für die Firmen selbst interessiert. Um das zu verhindern, verpflichtete der Gesetzgeber die Investoren in der Sanierungsklausel dazu, die Arbeitsplätze weitgehend zu erhalten und neues Kapital zuzuschießen.

Die Steuervorteile der Sanierungsklausel bezifferte das Bundesfinanzministerium auf 900 Millionen Euro im Jahr. Die von der EU verlangte Rückforderung dürfte aber bei weitem nicht so hoch ausfallen. Denn die Bundesregierung hatte die Regel bereits im April 2010 außer Kraft gesetzt - damals hatte die Kommission das Verfahren gegen die Sanierungsklausel eingeleitet. Welche und wieviele Firmen von einer möglichen Rückforderung betroffen sind, wollte das Finanzministerium nicht abschätzen. Diese Daten lägen nur den jeweiligen Finanzämtern vor, hieß es.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fürchtet, dass ein Wegfall der Sanierungsklausel zu mehr Insolvenzen in der Wirtschaft führen wird. "Es wird schwerer, für ein Unternehmen einen Retter zu finden", sagte ein Steuerexperte des Verbandes.

Ähnlich ist die Sicht bei Wirtschaftsjuristen. "Die Abschaffung der Regelung erschwert die Sanierung von Kapitalgesellschaften", sagte Christian Schütze von der Berliner Anwaltskanzlei und Unternehmensberatung Bormann Demant & Partner. "Das kostet Arbeitsplätze." Stephan Eilers, Professor und Mitglied der Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer zeigte sich erstaunt über die Vorbehalte der EU-Kommission. Es gebe ähnliche Regeln in anderen Ländern, die sie weniger kritisch sehe.

Die Bundesregierung hat nun die Möglichkeit, rechtlich gegen das Diktum der Kommission vorzugehen. In Brüssel verweist man allerdings darauf, dass dies auch Frankreich in einem ähnlich gelagerten Fall 2003 versucht habe. Und die Franzosen seien gescheitert. Man sei bereit, der Bundesregierung länger als zwei Monate einzuräumen, falls sie es in diesem Zeitraum nicht schaffe, die Unternehmen zu benennen, die von der Sanierungsklausel profitiert hätten, sagte eine Sprecherin Almunias.

Während das Finanzministerium erklärte, zunächst die Begründung für die Entscheidung der Kommission prüfen zu wollen, bevor man eventuell dagegen vorgehe, äußerten sich Finanzexperten der Union angriffslustig. Finanzfachmann Klaus-Peter Flosbach (CDU) betonte, nicht von dem Ansatz abrücken zu wollen. Fraktionsvize Michael Meister (CDU) sagte, man werde nach einer Lösung suchen, die europarechtskonform ist: "Dies kann im Rahmen der Arbeiten zur Neuordnung der Verlustverrechnung geschehen, die ohnehin in diesem Jahr auf der Agenda steht."

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