Rettung von Hypo Real Estate:"Kettenreaktion im Finanzsystem"

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Furcht vor dem Untergang: Bundesbank und Finanzaufsicht zeichnen ein Katastrophen-Szenario für den Fall einer Pleite von Hypo Real Estate.

Guido Bohsem

Eine Pleite der Hypo Real Estate (HRE) hätte nach Einschätzung der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin zu einem Zusammenbruch des deutschen Kapitalmarktes geführt und auch die Sozialversicherungssysteme beschädigt.

(Foto: Foto: dpa)

Eine Unterstützung der HRE-Gruppe sei unbedingt erforderlich gewesen, "um unabsehbare Folgen für das gesamte deutsche Finanzsystem abzuwenden", heißt es in einem Schreiben der Behörden-Präsidenten, Axel Weber und Jochen Sanio, an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), das der Süddeutschen Zeitung am Dienstag vorlag. Doch nicht nur das. "Die Auswirkungen eines Ausfalls hätten auch breitgestreute Versorgungswerke, Berufsgenossenschaften sowie deutsche Länder und Kommunen erfasst, die teilweise dreistellige Millionenbeträge bei der Hypo Real Estate Gruppe angelegt hatten."

"Schwer verkraftbarer Abschreibungsbedarf"

In Folge einer Pleite der HRE wäre es nach Einschätzungen Webers und Sanios wohl zu einem Dominoeffekt gekommen, der heftig genug gewesen wäre, auch andere Institute mit in den Abgrund zu reißen.

"So hätten zum Beispiel die Gruppe der öffentlichen Banken, darunter der Landesbanken, und viele andere Kreditinstitute erheblichen Abschreibungsbedarf gehabt, der in der gegenwärtigen Situation nur schwer verkraftbar gewesen wäre."

Aus dem insgesamt sechsseitigen Brief wird deutlich, wie nahe die gesamte deutsche Wirtschaft am Wochenende vor dem Abgrund stand und welchem Druck die Bundesregierung ausgesetzt war, eine Bürgschaft von über 26 Milliarden Euro zu übernehmen, um den Zusammenbruch abzuwenden. Banken und Bundesbank können der HRE dadurch einen Kredit von insgesamt 35 Milliarden Euro gewähren.

Damit soll die Zahlungsfähigkeit des Institutes bis weit ins kommende Jahr hinein gesichert sein. Steinbrück hatte bereits angekündigt, das Schreiben auch dem Parlament zur Verfügung zu stellen. Er will damit Kritik der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen vorbeugen. So hatte ihn beispielsweise die FDP angegriffen, weil er die Mittelstandsbank IKB vor einer Pleite gerettet hatte. Das Institut war durch Spekulationen am US-Immobilienmarkt an den Rand des Zusammenbruchs geraten.

Als Beispiel für das Ausmaß der Krise, die durch einen Zusammenbruch der HRE entstanden wäre, ziehen Sanio und Weber einen Vergleich mit dem Fall der US-Investmentbank Lehman Brothers.

"Nach Einschätzung der Beteiligten hätte das Unterlassen einer Rettungsaktion für die HRE-Gruppe ähnliche unabsehbare Folgen auslösen können, wie sie der von der US-Regierung akzeptierte Zusammenbruch der amerikanischen Finanzgruppe Lehman Brothers hatte", schreiben sie. Bekanntlich hätten die USA, um die Folgen dieses Zusammenbruchs aufzufangen, einen Rettungsplan von 700 Milliarden Dollar auflegen müssen.

Sie verweisen darauf, dass die Rettung der Investmentbank Bear Stearns im Vergleich dazu lediglich 30 Milliarden Dollar gekostet habe. "In jedem Fall hätte eine Kettenreaktion im Finanzsystem ein Vielfaches der Kosten zur Folge gehabt, die aus den Ausfallgarantien des Bundes erwachsen können."

Aufgrund der hohen Verflechtung der HRE wäre es im Pleitefall zu schwersten Störungen der Geldmärkte gekommen, heißt es in dem Schreiben weiter. Derzeit seien aber alle Kreditinstitute darauf angewiesen, dass diese funktionierten. Sie seien von existentieller Bedeutung. Zudem wäre auch der Zahlungsverkehr betroffen gewesen. Höhere Transaktionen etwa an den Wertpapiermärkten wären bei einer Pleite der HRE nicht mehr vorstellbar gewesen.

© SZ vom 1.10.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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