Süddeutsche Zeitung

Rettung der Hypo Real Estate:Der Staat als Zahl-August

Der Fall Hypo Real Estate zeigt, dass das Finanzministerium aus Sicht der Banken kaum mehr als die Rolle des Zahlaugusts einnimmt.

Hans von der Hagen

Die Deutsche Bank hat den Job der Bundesregierung gemacht. Sie hat Wirtschaftsprüfer losgeschickt, sich die Bücher der Hypo-Real-Estate-Tochter Depfa zeigen lassen - und die sahen, dass alles noch weit schlimmer war als zunächst behauptet wurde: Die Hypo Real Estate brauchte deutlich mehr Geld zum Überleben.

Den Mehraufwand trägt nun zwar die Finanzindustrie, doch die Frage bleibt: Warum wusste die Bundesregierung davon nichts? Warum erfährt sie als Letzte von dem zusätzlichen Finanzbedarf? Und: Bürgt sie für Dutzende Milliarden Euro, ohne auch nur einmal in die Bücher zu schauen? Die Antwort auf die letzte Frage heißt: ja.

Hase und Igel

Gewiss: Es ist nicht die Aufgabe des Ministeriums, interne Unterlagen zu sichten, wenn zugleich die Zeit rennt und die Expertise für eine derart anspruchsvolle Aufgabe fehlt.

Doch bei der Hypo Real Estate standen die führenden Manager mit dem Rücken zur Wand - und sie haben in den entscheidenen Verhandlungen nicht die Wahrheit gesagt. Ob das aus Unwissenheit oder mit purer Absicht geschah, sei dahingestellt - beide Gründe sind verheerend: Wenn die Situation aus Unwissenheit falsch dargestellt wurde, gehört HRE-Chef Georg Funke nicht an die Spitze der Bank. Wenn die Situation absichtlich falsch dargestellt wurde, erst recht nicht.

Dem Finanzministerium blieb in der Situation nichts anderes übrig, als den Informationen zu trauen. Aber es gab auch später keinen offiziellen Auftrag seitens des Ministeriums, die Angaben der Bank zu überprüfen.

Dabei kann man dem Finanzministerium nicht vorwerfen, dass es nicht entschlossen genug gehandelt habe. Es wurde in großem Tempo eine Rettungsaktion unter breiter Beteiligung der Finanzindustrie orchestriert. Nur: Man handelte aufs Geratewohl.

Der Fall HRE zeigt, dass die Politik mit der Finanzindustrie nicht Schritt halten kann und darum Hase und Igel spielt.

In diesem Fall mit trüben Konsequenzen: Weil sich alle Angaben der Bank erst im Nachhinein als falsch herausgestellt haben, wird nun mit dem zweiten Rettungspaket weitherum sichtbar, dass das Misstrauen der Banken untereinander völlig berechtigt ist. Die Vertrauenskrise, die die Finanzkrise immer weiter vorantreibt, hat neue Nahrung bekommen.

Und noch etwas ist in diesen Tagen deutlich geworden: Die Banken haben demonstriert, dass der Staat vor allem eines für sie ist: der Zahlaugust, der einspringen, aber nicht mitreden soll. Steinbrück wurde vom Scheitern des Rettungspakets als Letzter informiert. Geld geben: ja; Informationen bekommen: nein.

Am vergangenen Sonntag sah es einen Moment so aus, als habe der Bund die Garantie für alle Sparguthaben nur abgegeben, um die HRE später in die Pleite zu schicken. Fast schien es, als wolle der Bund zeigen: Es geht auch anders. Nämlich so, wie es die USA mit der Investmentbank Lehman Brothers machten.

Doch nun dürfen sich die Banker wieder beruhigt zurücklehnen: In Deutschland muss derzeit offenbar keine Pleite befürchtet werden. Da darf man dem Finanzministerium hinten dankbar zuwinken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.535848
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/tob
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.