Rente:Beruhigung in homöopathischen Dosen

Sicher ist nicht sicher: Die Renten sollen 2010 nicht sinken, doch eine endgültige Entscheidung fällt erst im März.

Thomas Öchsner, Berlin

Die Renten werden 2010 nicht sinken und die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht steigen. Das hat ein Sprecher des neuen Arbeitsministers Franz Josef Jung am Freitag versichert. Auch die neue Bundesregierung stehe zur Rentengarantie, die eine Kürzung der Altersbezüge ausschließt. "Es gibt keinerlei Vorhaben, sie zurückzunehmen", sagte er. Die Rentengarantie hatte die große Koalition im Frühjahr beschlossen. Das Ministerium reagierte damit auf einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung, nach dem sich die 20 Millionen Rentner im nächsten Jahr auf eine Nullrunde einstellen müssen. Kritik an einer möglichen Renten-Nullrunde kam von den Sozialverbänden.

Rentner, Foto: AP

Der Norbert-Blüm-Spruch "Die Rente ist sicher" hat schon lange an Gültigkeit verloren.

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Der Ministeriumssprecher bestätigte, dass die Regierung im Moment von leicht sinkenden Pro-Kopf-Löhnen ausgeht. Der SZ hatte aus mit den Zahlen vertrauten Kreisen erfahren, dass die Bundesregierung für die Lohnentwicklung ein Minus von 0,5 Prozent für 2009 prognostiziert. Die beitragspflichtigen Bruttolöhne je Arbeitnehmer sind entscheidend für die Anpassung der Renten, die immer zum 1. Juli des Folgejahres fällig ist. Die endgültige Entscheidung fällt dafür im März 2010. Dann liegen verlässliche Zahlen über die Entwicklung der Löhne vor, auch inclusive des Weihnachtsgelds und anderer Sonderzahlungen zum Jahresende, die die Messgröße noch stark beeinflussen können. Hauptgrund für die negative Lohnentwicklung ist die weit verbreitete Kurzarbeit: Dadurch können zwar viele Arbeitnehmer mit staatlicher Hilfe ihren Job behalten, sie bekommen aber weniger Gehalt.

Nullrunde trotzdem sehr wahrscheinlich

Sollte es dennoch zu einem Zuwachs der Lohnsumme kommen, ist eine Nullrunde 2010 trotzdem sehr wahrscheinlich. Dafür sorgen mehrere Rechenfaktoren, die die Altersbezüge von 2010 an dämpfen sollen, um die Renten trotz der Alterung der Gesellschaft bezahlbar zu halten. Experten rechnen damit, dass diese Faktoren - im Fachjargon Riester- und Nachhaltigkeitsfaktor genannt - Lohnzuwächse bis etwa einem Prozent "auffressen". Erst wenn die Steigerung darüber liegt, womit kaum zu rechnen ist, könnte für die Rentner eine Mini-Erhöhung herauskommen.

Anfang Juli hatten die Rentner in Deutschland noch die höchste Steigerung ihrer Bezüge seit zehn Jahren erhalten. Im Osten gab es einen Aufschlag von 3,4 Prozent, im Westen von 2,4 Prozent. Renten-Nullrunden hatte es zuletzt in den Jahren 2004 bis 2006 gegeben.

Offen ließ die Regierung, inwieweit die Rentengarantie den Haushalt der Rentenversicherung belastet. Die Rücklagen belaufen sich derzeit auf 16 Milliarden Euro. Dies entspricht ungefähr einer Monatsausgabe. Die gesetzliche Untergrenze liegt bei 0,2 Monatsausgaben. "Es ist genug Geld da, dass der Beitragssatz stabil bleibt", versicherte der Sprecher des Arbeitsministeriums.

Appell an die neue Regierung

Sozialverbände zeigten sich über die Rentenentwicklung besorgt: Die VdK-Präsidentin Ulrike Mascher forderte die Bundesregierung auf, die Rentenkürzungsfaktoren wieder abzuschaffen. Dies sei nötig, um die Ruheständler auch in Zukunft "an dem erwünschten wirtschaftlichen Aufschwung wieder teilhaben zu lassen". Ohne deren Beseitigung gäbe es für die Rentner in den nächsten Jahren zahlreiche Nullrunden. Die Ruheständler gehörten zu den Bevölkerungsgruppen, die bereits vor der Krise am kräftigsten zur Kasse gebeten worden seien. Jetzt drohe für sie eine weitere erhebliche Belastung in der Kranken- und Pflegeversicherung, sagte Mascher. Der VdK ist mit 1,4 Millionen Mitgliedern die größte Rentnervereinigung der Republik.

Ähnlich kritisch äußerte sich auch der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, der vor allem ostdeutsche Senioren vertritt. "Eine Renten-Nullrunde läuft auf eine Rentenkürzung hinaus. Vor allem müssen Rentner mit weniger Geld rechnen, weil viele Krankenkassen kaum ohne zusätzliche Beiträge auskommen dürften", sagte er. Dies schwäche auch die Binnennachfrage.

Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, bezeichnete Arbeitnehmer und Rentner als Verlierer der Krise. Die Bundesregierung müsse bei der Sanierung des Haushalts auf Verteilungsgerechtigkeit achten und vorrangig die für die Wirtschaftskrise Verantwortlichen in die Pflicht nehmen. Linkspartei-Vizechef Klaus Ernst nannte eine Nullrunde für Rentner "unsozial". Es sei "einfach nicht vermittelbar, dass Renten und Löhne sinken, während Krisengewinnler wie die Deutsche Bank schon wieder Milliardenprofite einstreichen", sagte er.

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