Süddeutsche Zeitung

Religion und Geld:Im Namen des Koran

Finanzgeschäfte ganz ohne Zinsen, kann das funktionieren? Als Chef der ersten islamischen Bank hierzulande ist Kemal Ozan davon überzeugt.

Von Heinz-Roger Dohms, Frankfurt

Ein gläubiger Muslim war Kemal Ozan immer schon. Ein islamischer Banker musste er erst werden. "Ich hatte zunehmend das Gefühl, dass es in Deutschland einen Markt für islamische Finanzprodukte gibt", erzählt Ozan. Das war die eine, die professionelle Seite. Doch es gab auch eine andere Seite, eine private: 2012 starb Ozans Mutter, woraufhin er begann, "den Sinn des Lebens" stärker zu hinterfragen - auch den Sinn des Berufslebens. Und als genau in dieser Zeit dann das Jobangebot kam, da hat er einfach Ja gesagt.

Und so ist Kemal Ozan nun der erste Islambanker Deutschlands. Ende vergangener Woche hat sein Geldinstitut, die Kuveyt Türk Bank AG, nach gut zweijähriger Vorlaufzeit die erforderliche Lizenz der Finanzaufsicht Bafin erhalten. Im Juli wird es mit Filialen in Frankfurt, Mannheim und Berlin losgehen, weitere Städte wie Köln sollen folgen. Die Ambitionen sind groß. "Unsere Marktforschung hat ergeben, dass ein islamisches Finanzinstitut für 21 Prozent der Muslime in Deutschland die natürliche Hausbank wäre", sagt Ozan. Jeder kann sich ausrechnen, was das heißt - schließlich leben hierzulande mehr als vier Millionen Muslime. Ein riesiger Markt.

Erschließen will Ozan ihn mit einer Art des Bankgeschäfts, die sich vom westlichen, kreditbasierten Finanzmodell fundamental unterscheiden. "Islamic Finance" fußt nämlich auf dem im Koran verankerten Zinsverbot - und muss damit ohne die wichtigste Ertragsquelle herkömmlicher Banken auskommen. Bei der Hausfinanzierung hat das zum Beispiel zur Folge, dass die Bank, statt einen Kredit zu geben, das Haus selber erwirbt und es gegen Aufpreis an den Kunden weiterverkauft. Der wiederum stottert den Kaufpreis dann ab.

Umgekehrt erhalten natürlich auch die Sparer keinen Zins. Stattdessen beteiligen sie sich mit ihren Einlagen direkt an den Investments der Bank - und partizipieren an den Erträgen. Aus muslimischen Ländern weiß man, dass die Konditionen islamischer Banken aufgrund der komplexen Konstrukte meist etwas schlechter sind als die der Konkurrenz. Ozan sagt, man wolle trotzdem "im Markt bleiben", also Angebote machen, die zumindest nicht allzu weit hinter denen von Sparkassen oder Volksbanken zurückbleiben. Doch kann dieses Modell im Westen funktionieren?

Experten sind mindestens skeptisch. Der Frankfurter Bankenberater Zaid el-Mogaddedi weist darauf hin, dass Islamic Banking selbst in der Türkei, also dem Herkunftsland der meisten Muslime in Deutschland, nur auf einen Marktanteil von sechs Prozent komme. Das ist ein Grund, warum hiesige Banken bislang nie ernsthaft über islamische Finanzprodukte nachgedacht haben. Bezeichnend ist die Strategie der Deutschen Bank. Der Marktführer umwirbt die türkischstämmige Klientel zwar seit Jahren mit einem speziellen Angebot namens Bankamiz. Islamkonformes findet sich in der Produktpalette allerdings nicht. Stattdessen gibt es Kreditkarten mit Fotos der türkischen Nationalelf.

Kemal Ozan glaubt trotzdem an sein Modell. Und beruft sich nicht nur auf die Marktforschung, die angeblich bei sechs von zehn Muslimen Interesse an Islamic Banking diagnostiziert hat - sondern auch auf seine persönliche Lebenserfahrung. Ozan kam 1970 in Ankara zur Welt. Als er zehn war, folgte die Familie dem Vater nach Deutschland. Der arbeitete bei Ford in Köln als "sogenannter Gastarbeiter", wie Ozan das schmunzelnd nennt. Später ging er zurück in die Heimat, wo er Finanzwesen studierte und dann bei der Isbank anfing, der größten privaten Bank der Türkei. Die schickte ihn schließlich in die deutsche Niederlassung, wo Ozan bis zum Bereichsleiter aufstieg und wohl noch mehr hätte werden können. Eine steile Karriere. Aber eine, die Ozan, den gläubigen Muslim, nicht mehr richtig befriedigte.

Er begann, sich mit Freunden, Bekannten, Verwandten über Islamic Banking zu unterhalten. Und war überrascht, "wie offen viele dem Thema gegenüberstanden". Er besuchte 2012 eine Islamic-Finance-Konferenz der Bafin. Und war erstaunt, wie positiv zum Beispiel Elke König, die damalige Chefin der Aufsichtsbehörde, über das Thema redete. Hinzu kam die Finanzkrise, die vielen Menschen, nicht nur Kemal Ozan, die Gefahren exzessiver Kreditvergabe vor Augen führte.

Womöglich ist Islamic Banking ja nicht nur ein anderes, sondern auch ein besseres Bankmodell, nachhaltiger, gerechter? Ozan ist davon überzeugt. "Ich glaube fest daran", sagt er.

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SZ vom 24.03.2015
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