Regierungserklärung: Schäuble warnt vor Zahlungsunfähigkeit Griechenlands:"Die Lage in Europa ist ernst"

Finanzminister Schäuble wirbt im Bundestag eindringlich für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket für Griechenland und warnt vor der drohenden Staatspleite. Um die Koalitionäre zur Zustimmung zu bewegen, will Schäuble auch den Privatsektor in die Pflicht nehmen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor dem Bundestag eindringlich für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket für das von der Pleite bedrohte Griechenland geworben. "Die Lage in Griechenland und damit in Europa ist ernst", sagte Schäuble in einer Regierungserklärung im Parlament. Ohne neues Geld bestehe die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit - "mit schwerwiegenden Risiken für die globale Entwicklung".

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Beschwor im Bundestag die deutsche "Führungsverantwortung" für die Stabilität der Eurozone: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

(Foto: AFP)

Für die nächste Hilfszahlung an Athen in Höhe von zwölf Milliarden Euro im Juli müsse noch eine Finanzierungslücke geschlossen werden. Ohne die Auszahlung dieser nächsten Tranche bestehe die akute Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands. Dies sei mit schwerwiegenden Folgen und einer globalen Ansteckungsgefahr verbunden. Um die Juli-Tranche aber auszahlen zu können, seien weitere Hilfen und ein zusätzliches Anpassungsprogramm nötig.

Schäuble forderte Griechenland zu Reformen auf. "Das ist für weitere Hilfeleistungen eine unersetzliche Voraussetzung." Das Land müsse nicht nur sparen, sondern die Wirtschaft wieder flottmachen - etwa durch die Privatisierung von Staatsbetrieben.

Eine Beteiligung des Privatsektors bei der Lösung der Probleme bezeichnete Schäuble als "unvermeidbar". Dies sei im Sinne einer gerechten Lastenverteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Gläubigern nötig. Private Gläubiger könnten eigene Verluste nicht umstandslos auf die Steuerzahler abwälzen. Vorstellbar sei etwa der Tausch griechischer Anleihen, sodass sich die Laufzeit verlängern würde.

Die Beteiligung des Privatsektor hatte im Vorfeld unter anderem mehrere FDP-Politiker gefordert. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sicherte denn auch zu Beginn der Aussprache an diesem Freitag die Zustimmung seiner Fraktion zu den weiteren Griechenland-Hilfen zu, ein Mitglied werde gegen den Antrag stimmen, ein Abgeordneter sich enthalten. Am Vortag hatte es in beiden Koalitionsfraktionen eine heftige Debatte über die Chancen und Risiken eines neuen Rettungspakets gegeben. Gegen den Regierungskurs hatte es am Vortag neun Neinstimmen und fünf Enthaltungen gegeben.

Steinmeier: "Vom Gestalter zum Nörgler geworden"

Finanzminister Schäuble wies in seiner Rede den Eindruck zurück, Griechenland tue nicht genug, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Die Konsolidierungsbemühungen des Landes seien "außergewöhnlich". Dennoch seien noch weitere Anstrengungen nötig. Zum Abschluss beschwor Schäuble eine deutsche "Führungsverantwortung" für Europa.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Bundesregierung vor, genau diese verloren zu haben: "Wir sind nach knapp zwei Jahren aus der Rolle in der Führung der europäischen Willensbildung an den Rand geraten", sagte Steinmeier. Die kleinen Staaten in Europa seien darüber irritiert, die großen gestalteten an Deutschland vorbei. "Wir sind vom Gestalter zum Nörgler geworden. Das ist nicht unsere Rolle. Das will ich nicht", sagte Steinmeier.

Steinmeier sicherte der Bundesregierung zu, die SPD wolle bei der Lösung der Griechenland-Krise Verantwortung übernehmen. Dazu sei aber mehr Offenheit der Bundesregierung gegenüber der Opposition nötig. "Verantwortung geht nur mit Transparenz." Er hielt der Regierung vor, dass sie in der Euro-Krise wiederholt ihre Positionen habe korrigieren müssen und damit eine Vorreiterrolle eingebüßt habe.

Den Umfang eines zweites Rettungspakets ließ der Finanzminister offen. Das finanzielle Risiko lasse sich nicht genauer beziffern. Grund dafür sei die globale Vernetzung der Finanzmärkte und deren Schwankungen. Im Anschluss an Schäubles Regierungserklärung soll im Bundestag über einen gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen zu weiteren Griechenland-Hilfen abgestimmt werden.

Die nötige Koalitionsmehrheit für die Abstimmung im Bundestag scheint gesichert. Eng könnte es aber für die symbolträchtige Kanzlermehrheit werden. Allerdings kommt es dafür bei dem Griechenland-Antrag nicht an. Zudem sind nach Einschätzung der Koalition auch die Reihen der Opposition nicht geschlossen.

Bezüglich der Haltung der Union machte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), im ARD-Morgenmagazin deutlich, dass er mit einer Mehrheit für neue Hilfen für das hochverschuldete Land rechne. "Wir werden heute mit einer großen Mehrheit diesem Projekt zustimmen, das heißt, diese Regierung ermächtigen, diese Verhandlungen jetzt in Europa zu führen", sagte Polenz. Eine endgültige Entscheidung werde aber erst am 20. Juni getroffen.

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