Reden wir über Geld:"Wir haben zu lange auf billig gesetzt"

Der Winzer und Gault-Millau-Herausgeber Armin Diehl über unverschämte Franzosen, verbrannte Enten und den Geschmack von Aldi-Champagner.

E. Dostert

"Wir reden um neun Uhr", hat Armin Diel bei der Verabredung am Telefon vorgeschlagen. "Da komme ich vom Nordic Walking und bin meist gut drauf." Eineinhalb Stunden läuft der 55-jährige Winzer und Weinkritiker jeden Morgen durch den Wald. Sein Schlossgut Diel an der Nahe zählt zu den renommiertesten Weingütern Deutschlands. Als Journalist kritisiert Diel selbst auch andere Winzer - gemeinsam mit Joel Payne gibt er seit 16 Jahren den Weinführer Gault Millau heraus. Seine Edelstahltanks lässt Diel jedes Jahr aufs Neue von dem befreundeten Künstler Johannes Helle bemalen. Zum Interview serviert er Verbenen-Minze-Tee ohne Zucker.

Reden wir über Geld: Mein Lieblingschampagner ist Krug, der mir mit 150 Euro aber ein bisschen zu teuer für alle Tage ist

Mein Lieblingschampagner ist Krug, der mir mit 150 Euro aber ein bisschen zu teuer für alle Tage ist

(Foto: Foto: Elisabeth)

SZ: Herr Diel, reden wir über Geld. Wie viel muss man denn für einen ordentlichen Sekt ausgeben?

Armin Diel: Es gibt schon gute Sekte für zehn bis 15 Euro.

SZ: Und wie viel sind Sie bereit, für eine gute Flasche Champagner auszugeben?

Diel: Ich trinke sehr gern Égly-Ouriet und Jacquesson, die etwa vierzig Euro kosten. Mein Lieblingschampagner ist Krug, der mir mit 150 Euro aber ein bisschen zu teuer für alle Tage ist. Da wir selber eine ambitionierte Sektherstellung haben, muss es aber nicht immer Champagner sein. Unser aus Pinot Noir und Chardonnay komponiertes Cuvée Mo kann sich ebenfalls schmecken lassen.

SZ: Cuvée Mo, das ist ein seltsamer Name für einen Sekt.

Diel: Meine Frau heißt Monika, Mo ist ihr Kosename. Und sie trinkt für ihr Leben gern Champagner! Zuerst war sie dagegen, dass wir ihren Namen verwenden. Am Ende stimmte sie unter der Bedingung zu, dass sie von jeder Flasche, die hier im Haus geköpft wird, ein Glas abbekommt. Daran halten wir uns natürlich strikt!

SZ: Was kostet eine Flasche Mo?

Diel: 45 Euro, was gewiss mehr ist, als man von einem deutschen Sekt erwartet. Wir sind trotzdem keine Halsabschneider. Es handelt sich um ein ganz besonderes Produkt mit Vergärung im kleinen Eichenholzfass und vierjährigem Hefelager. Es gibt absolut keinen Grund, diesen Sekt unter Wert anzubieten.

SZ: Die Discounter Aldi und Lidl bieten dieses Jahr wieder echten französischen Champagner für knapp 17 Euro.

Diel: Ist doch schön. Da kommen wir endlich zu den Zeiten zurück, als deutscher Sekt teurer war als Champagner, und in europäischen Königshäusern neben rotem Bordeaux selbstverständlich auch deutscher Riesling getrunken wurde. Wir haben diese Position leider durch zwei Weltkriege verloren.

SZ: Das ist bestimmt nicht der einzige Grund für den Imageverlust.

Diel: Die deutsche Weinindustrie hat viele Fehler gemacht und lange Jahre nur auf süß und billig gesetzt. Gott sei Dank hat sich da in den letzten 15 Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen.

SZ: Haben Sie den Champagner der Discounter schon probiert?

Diel: Ja, ja. Bei Verkostungen haben wir auch den Bisinger von Aldi immer mal wieder dabei gehabt ...

SZ: ... das ist der von Lidl, der von Aldi heißt Veuve Monsigny...

Diel: Egal. Dahinter stehen ja meist keine Champagner-Häuser. Die Einkäufer ordern den Champagner lastzugweise bei Genossenschaften und Kellereien, am Schluss kommt irgendein erfundener Markenname drauf. Das kann man auf dem Etikett erkennen.

SZ: Woran genau?

Diel: Irgendwo steht klein MA auf dem Etikett, Marque Auxiliaire, Hilfsmarke.

SZ: Und wie schmeckt die Hilfsmarke?

Diel: Durchaus achtbar. Es gibt ja inzwischen bei Aldi auch deutschen Wein für sechs, sieben Euro die Flasche. Das ist eine bemerkenswerte Verbesserung, denn bislang war deutscher Wein meist bei zwei bis drei Euro angesiedelt.

SZ: Karstadt bietet zum Fest eine Magnum Bollinger in einer auf 200007 Flaschen limitierten James-Bond-Edition für knapp 4000 Euro. Sind diese Preisunterschiede gerechtfertigt?

Diel: Offenbar gibt es Menschen, die so etwas schätzen und sammeln. Ich trinke sehr gerne Bollinger, aber das Bond-Fieber hat mich nicht erfasst. Für mich kommt es auf den Inhalt der Flasche an, nicht das Merchandising.

SZ: Haben Sie Aktien?

Diel: Nur noch zum Spaß ein paar Infineon-Aktien, neuerdings ein Penny-Stock. Das war eine Empfehlung der Deutschen Bank beim seinerzeitigen Börsengang. Ich investiere sonst nur in Dinge, von denen ich etwas verstehe, etwa Wein. Als ich 1979 in Bordeaux erstmals die köstlichen Weine vor Ort probierte, malte ich mir aus, wie schön es wäre, einige davon selbst im Keller zu haben. Aber leider war ich als Jura-Student in Münster bar jeder Reserven. Da fiel mir das Aktienpaket ein, das mir mein Großvater 1969 vererbt hatte. Der Berater der Commerzbank bezifferte den aktuellen Wert auf 18000 Mark, was sogar etwas unter dem Kurs zehn Jahre zuvor lag. Der freundliche Herr versuchte zu erklären: Sie müssen wissen, zehn Jahre sozial-liberale Koalition, da ging es mit der Wirtschaft nicht immer nur nach oben!

SZ: Wie haben Sie reagiert?

Diel: Ich habe sofort verkauft und dafür reichlich Bordeaux eingelagert.

"Wir haben zu lange auf billig gesetzt"

SZ: Was für welchen?

Diel: Einen 1978er Mouton Rothschild, der kostete damals 42 Mark, heute wird er zwischen 300 und 400 Euro gehandelt. Ist mir aber egal, ich verkaufe sowieso nicht.

SZ: Warum nicht? Bordeaux-Weine haben deutlich an Wert gewonnen. Der Weinindex Liv-ex, der zu 95 Prozent auf Bordeaux fußt, legte von Juli 2001 bis Juni 2008 von 93 auf 264 Punkte zu. Seitdem sank er auf rund 200.

Diel: Geld ist nicht alles. Ich habe die Weine nicht zum Spekulieren gekauft, sondern um sie zu genießen. Es ist aber schon eine beruhigende Reserve.

SZ: Was sollten Investoren beachten?

Diel: Man sollte nicht wahllos kaufen, sondern sich einen Händler suchen, der einen gut berät. Dann sind schon nennenswerte Gewinne möglich. Man sollte aber auch nicht jeden Hype mitmachen.

SZ: Welche gab es denn?

Diel: Manche Winzer im Bordeaux haben es in den vergangenen Jahren mal wieder übertrieben und die Preise atemberaubend angehoben. Speziell beim mittelmäßigen Jahrgang 2007 hatte ich das Gefühl, dass der Bezug zur Realität verloren ging.

SZ: Verpflichten Sie sich eigentlich auch zur Abnahme von Wein, noch bevor er auf Flasche gezogen ist oder im Extremfall schon vor der Ernte?

Diel: Ich subskribiere seit Jahren nicht mehr. Das ist zu teuer geworden.

SZ: Kaufen Sie bei Auktionen?

Diel: Ich kaufe entweder direkt bei Schlössern in Bordeaux oder bei Händlern. Bei Weinen, die für Auktionen fünf Mal um den Erdball fliegen, von Los Angeles nach London und Tokio, gekühlt oder ungekühlt, muss man mit Enttäuschungen rechnen.

SZ: Was ist denn Ihr größter Schatz?

Diel: Das ist meine Sammlung der Pomerol-Ikone Le Pin aus Bordeaux. Der 1982er wird heute bei Auktionen mit 6000 bis 7000 Euro die Flasche gehandelt. 1983 habe ich dafür 75 Francs bezahlt, umgerechnet also lächerliche 12 Euro. Leider sind die meisten Flaschen heute getrunken. Niemand konnte damals ahnen, dass dies dereinst einer der gesuchtesten Weine der Welt sein würde.

SZ: Wo haben Sie den Wein entdeckt?

Diel: Bei einem Weinhändler in Belgien. Er lud mich zu einer Verkostung in die Bibliothek ein. Da standen drei in Alu-Folie verhüllte Flaschen. Monsieur Gerard Thienpont ließ mich zehn Minuten alleine, um mein Urteil zu fällen. Dann kam er zurück.

SZ: Sie machen die Sache spannend.

Diel: Thienpont fragte nach meinem Favoriten, dann packte er die Flaschen aus. Alle drei Weine stammten aus dem Jahr 1979. Auf den dritten Platz hatte ich das renommierte Vieux Château Certan platziert, auf Platz zwei das noch berühmtere Château Pétrus.

SZ: Und Ihr Favorit?

Diel: Mein Favorit war ein Weingut, von dem ich noch nie gehört hatte: Le Pin. Dann offenbarte mir der Händler, dass das Weingut ihm und seinem Neffen gehört. Der Wein kostete damals ein Zehntel dessen, was man für einen Pétrus zahlte. Seitdem bin ich auf Le Pin abonniert. Es ist auch der einzige Wein, für den ich noch schwindelerregende Preise akzeptiere.

SZ: Was zahlen Sie heute?

Diel: Eine Flasche aus dem Wunderjahr 2005 kostete satte 500 Euro, ein sehr strammer Kurs für eine Flasche Wein. Das kostet schon Überwindung. Aber da packte mich einfach der Sammlertrieb.

SZ: Warum studierte jemand, der offenbar kulinarischen Genüssen so zugetan ist wie Sie, Jura in Münster?

Diel: Weil ich mit dem Weingut eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte.Ich arbeitete hier von 1976 bis 1979 mit meinem Vater zusammen. Aber beide Generationen hatten zu unterschiedliche Auffassungen.

SZ: Worum ging's?

Diel: Mein Vater ist tot, das ist Ge-schichte. Ich konnte mir durchaus vorstellen, Anwalt zu werden. Ich fing dann aber an, Restaurantkritiken zu schreiben. Die Süddeutsche hatte eine regelmäßige Kolumne, ich dachte, das muss auch in anderen Zeitungen funktionieren.

SZ: In der Münsterschen Zeitung zum Beispiel?

Diel: Genau. Ich rief den Redaktionsleiter an, und wir wurden schnell einig. Die 20-teilige Serie hieß: Wo isst man gut im Münsterland. Eigentlich hätte sie heißen müssen: Wo isst man schlecht im Münsterland...

SZ: ... mit 40 Folgen...

Diel: (lacht) In den 80er Jahren war das Münsterland nicht gerade die kulinarische Hochburg Deutschlands. Das Publikum war dankbar, aber bei den Köchen stießen meine kritischen Berichte nicht nur auf Liebe.

SZ: Wie äußerte sich der Zorn der Wirte?

Diel: Einer verklagte mich auf Schadenersatz. Das Restaurant hieß sinnigerweise auch noch Westfälischer Frieden. Daraus entstand der erste große Gastro-Kritiker-Prozess, der 1991 nach zehn Jahren vor dem Bundesgerichtshof mit einem Sieg für die Pressefreiheit endete.

SZ: Um wie viel ging es?

Diel: Im ersten Schritt wollte der Wirt 250 000 Mark. Das war die verbrannte Ente aber wirklich nicht wert!

SZ: Jetzt kritisieren Sie nur noch Ihre eigenen Konkurrenten.

Diel: Ich gebe zu, dass es auf den ers-ten Blick delikat erscheint, dass ein Winzer seine Kollegen beurteilt. Die Mehrzahl der Winzer hat aber erkannt, dass sich der Weinführer Gault Millau nicht gegen sie richtet, sondern den deutschen Wein wieder auf das Niveau heben will, wo er vor hundert Jahren einst war.

SZ: Ihr Gut steht auch im Gault Millau, das hat einen faden Beigeschmack.

Diel: Ganz verschweigen kann man es ja wohl kaum, den Text schreibt aber ein anderer. Außerdem erhalten weder das Weingut noch die einzelnen Weine ein Rating. Das ist wohl in Ordnung.

SZ: ...ein sehr lobhudelnder Text...

Diel: Das ist Ansichtssache. Das Internetportal Wein-Plus hat uns in zwei auf-einander folgenden Jahren den Titel "Kollektion des Jahres" an der Nahe verliehen, und der Weinpapst Robert Parker bewertet Schlossgut Diel mit der Höchstnote von fünf Sternen.

SZ: Die deutschen Winzer mögen Ansehen gewonnen haben, mit den Preisen ihrer französischen Konkurrenten können sie nicht mithalten.

Diel: Das muss auch nicht sein. Ich sage schon heute voraus, dass insbesondere Bordeaux in den nächsten ein, zwei Jahren besonders zu knabbern haben wird. Der englische Weinhandel fordert für den Jahrgang 2008 schon Preissenkungen von 50 Prozent. Es wird spannend sein zu sehen, was die Bordelaiser Weinbarone tun. 2007 haben sie schon versucht, die gleichen Preise wie für die tatsächlich hervorragenden Jahrgänge 2005 und 2006 zu erzielen. Deshalb bleiben viele Händler auf ihren Subskriptionsangeboten sitzen. Ihre teuer eingekauften Lagerbestände müssen die in den nächsten Jahren finanzieren. Nicht jeder Händler dürfte das überleben.

"Wir haben zu lange auf billig gesetzt"

SZ: Was für welchen?

Diel: Einen 1978er Mouton Rothschild, der kostete damals 42 Mark, heute wird er zwischen 300 und 400 Euro gehandelt. Ist mir aber egal, ich verkaufe sowieso nicht.

SZ: Warum nicht? Bordeaux-Weine haben deutlich an Wert gewonnen. Der Weinindex Liv-ex, der zu 95 Prozent auf Bordeaux fußt, legte von Juli 2001 bis Juni 2008 von 93 auf 264 Punkte zu. Seitdem sank er auf rund 200.

Diel: Geld ist nicht alles. Ich habe die Weine nicht zum Spekulieren gekauft, sondern um sie zu genießen. Es ist aber schon eine beruhigende Reserve.

SZ: Was sollten Investoren beachten?

Diel: Man sollte nicht wahllos kaufen, sondern sich einen Händler suchen, der einen gut berät. Dann sind schon nennenswerte Gewinne möglich. Man sollte aber auch nicht jeden Hype mitmachen.

SZ: Welche gab es denn?

Diel: Manche Winzer im Bordeaux haben es in den vergangenen Jahren mal wieder übertrieben und die Preise atemberaubend angehoben. Speziell beim mittelmäßigen Jahrgang 2007 hatte ich das Gefühl, dass der Bezug zur Realität verloren ging.

SZ: Verpflichten Sie sich eigentlich auch zur Abnahme von Wein, noch bevor er auf Flasche gezogen ist oder im Extremfall schon vor der Ernte?

Diel: Ich subskribiere seit Jahren nicht mehr. Das ist zu teuer geworden.

SZ: Kaufen Sie bei Auktionen?

Diel: Ich kaufe entweder direkt bei Schlössern in Bordeaux oder bei Händlern. Bei Weinen, die für Auktionen fünf Mal um den Erdball fliegen, von Los Angeles nach London und Tokio, gekühlt oder ungekühlt, muss man mit Enttäuschungen rechnen.

SZ: Was ist denn Ihr größter Schatz?

Diel: Das ist meine Sammlung der Pomerol-Ikone Le Pin aus Bordeaux. Der 1982er wird heute bei Auktionen mit 6000 bis 7000 Euro die Flasche gehandelt. 1983 habe ich dafür 75 Francs bezahlt, umgerechnet also lächerliche 12 Euro. Leider sind die meisten Flaschen heute getrunken. Niemand konnte damals ahnen, dass dies dereinst einer der gesuchtesten Weine der Welt sein würde.

SZ: Wo haben Sie den Wein entdeckt?

Diel: Bei einem Weinhändler in Belgien. Er lud mich zu einer Verkostung in die Bibliothek ein. Da standen drei in Alu-Folie verhüllte Flaschen. Monsieur Gerard Thienpont ließ mich zehn Minuten alleine, um mein Urteil zu fällen. Dann kam er zurück.

SZ: Sie machen die Sache spannend.

Diel: Thienpont fragte nach meinem Favoriten, dann packte er die Flaschen aus. Alle drei Weine stammten aus dem Jahr 1979. Auf den dritten Platz hatte ich das renommierte Vieux Château Certan platziert, auf Platz zwei das noch berühmtere Château Pétrus.

SZ: Und Ihr Favorit?

Diel: Mein Favorit war ein Weingut, von dem ich noch nie gehört hatte: Le Pin. Dann offenbarte mir der Händler, dass das Weingut ihm und seinem Neffen gehört. Der Wein kostete damals ein Zehntel dessen, was man für einen Pétrus zahlte. Seitdem bin ich auf Le Pin abonniert. Es ist auch der einzige Wein, für den ich noch schwindelerregende Preise akzeptiere.

SZ: Was zahlen Sie heute?

Diel: Eine Flasche aus dem Wunderjahr 2005 kostete satte 500 Euro, ein sehr strammer Kurs für eine Flasche Wein. Das kostet schon Überwindung. Aber da packte mich einfach der Sammlertrieb.

SZ: Warum studierte jemand, der offenbar kulinarischen Genüssen so zugetan ist wie Sie, Jura in Münster?

Diel: Weil ich mit dem Weingut eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte.Ich arbeitete hier von 1976 bis 1979 mit meinem Vater zusammen. Aber beide Generationen hatten zu unterschiedliche Auffassungen.

SZ: Worum ging's?

Diel: Mein Vater ist tot, das ist Ge-schichte. Ich konnte mir durchaus vorstellen, Anwalt zu werden. Ich fing dann aber an, Restaurantkritiken zu schreiben. Die Süddeutsche hatte eine regelmäßige Kolumne, ich dachte, das muss auch in anderen Zeitungen funktionieren.

SZ: In der Münsterschen Zeitung zum Beispiel?

Diel: Genau. Ich rief den Redaktionsleiter an, und wir wurden schnell einig. Die 20-teilige Serie hieß: Wo isst man gut im Münsterland. Eigentlich hätte sie heißen müssen: Wo isst man schlecht im Münsterland...

SZ: ... mit 40 Folgen...

Diel: (lacht) In den 80er Jahren war das Münsterland nicht gerade die kulinarische Hochburg Deutschlands. Das Publikum war dankbar, aber bei den Köchen stießen meine kritischen Berichte nicht nur auf Liebe.

SZ: Wie äußerte sich der Zorn der Wirte?

Diel: Einer verklagte mich auf Schadenersatz. Das Restaurant hieß sinnigerweise auch noch Westfälischer Frieden. Daraus entstand der erste große Gastro-Kritiker-Prozess, der 1991 nach zehn Jahren vor dem Bundesgerichtshof mit einem Sieg für die Pressefreiheit endete.

SZ: Um wie viel ging es?

Diel: Im ersten Schritt wollte der Wirt 250 000 Mark. Das war die verbrannte Ente aber wirklich nicht wert!

SZ: Jetzt kritisieren Sie nur noch Ihre eigenen Konkurrenten.

Diel: Ich gebe zu, dass es auf den ers-ten Blick delikat erscheint, dass ein Winzer seine Kollegen beurteilt. Die Mehrzahl der Winzer hat aber erkannt, dass sich der Weinführer Gault Millau nicht gegen sie richtet, sondern den deutschen Wein wieder auf das Niveau heben will, wo er vor hundert Jahren einst war.

SZ: Ihr Gut steht auch im Gault Millau, das hat einen faden Beigeschmack.

Diel: Ganz verschweigen kann man es ja wohl kaum, den Text schreibt aber ein anderer. Außerdem erhalten weder das Weingut noch die einzelnen Weine ein Rating. Das ist wohl in Ordnung.

SZ: ...ein sehr lobhudelnder Text...

Diel: Das ist Ansichtssache. Das Internetportal Wein-Plus hat uns in zwei auf-einander folgenden Jahren den Titel "Kollektion des Jahres" an der Nahe verliehen, und der Weinpapst Robert Parker bewertet Schlossgut Diel mit der Höchstnote von fünf Sternen.

SZ: Die deutschen Winzer mögen Ansehen gewonnen haben, mit den Preisen ihrer französischen Konkurrenten können sie nicht mithalten.

Diel: Das muss auch nicht sein. Ich sage schon heute voraus, dass insbesondere Bordeaux in den nächsten ein, zwei Jahren besonders zu knabbern haben wird. Der englische Weinhandel fordert für den Jahrgang 2008 schon Preissenkungen von 50 Prozent. Es wird spannend sein zu sehen, was die Bordelaiser Weinbarone tun. 2007 haben sie schon versucht, die gleichen Preise wie für die tatsächlich hervorragenden Jahrgänge 2005 und 2006 zu erzielen. Deshalb bleiben viele Händler auf ihren Subskriptionsangeboten sitzen. Ihre teuer eingekauften Lagerbestände müssen die in den nächsten Jahren finanzieren. Nicht jeder Händler dürfte das überleben.

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