Reden wir über Geld:"Wahnsinn, wo bist du gelandet?"

Fußball-Jungprofi Markus Steinhöfer von Eintracht Frankfurt über die Bezüge der Spieler, den Neid der Fans - und seine 4000-Euro-Uhr.

Uwe Ritzer

Ein schickes Appartement im schicken Viertel am Frankfurter Westhafen. Doch hat es Markus Steinhöfer, 22, keineswegs so feudal oder protzig eingerichtet, wie man das bei einem Fußballprofi aus der Bundesliga erwarten würde. Sein Mobiliar unterscheidet sich nicht von dem vieler Gleichaltriger. Sein Leben schon.

Reden wir über Geld: Markus Steinhöfer in Aktion beim Bundesliga Spiel Eintracht Frankfurt gegen VfB Stuttgart in der Commerzbank-Arena in Frankfurt am Main.

Markus Steinhöfer in Aktion beim Bundesliga Spiel Eintracht Frankfurt gegen VfB Stuttgart in der Commerzbank-Arena in Frankfurt am Main.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Steinhöfer, reden wir über Geld. Wie oft wurden Sie schon im Stadion als "Scheiß Millionär" beschimpft?

Steinhöfer: Bei Salzburg passierte das bei fast jedem Auswärtsspiel. Der Club gehört dem Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz und hat mehr Geld als alle anderen in Österreich. Das sorgt für Neid. Wenn wir schlecht spielten, schimpften auch die eigenen Fans: "Ihr kriegt so viel Kohle, wie könnt Ihr verlieren?"

SZ: Hat Sie das persönlich berührt?

Steinhöfer: Das ist schon hart. Aber du kapierst auch schnell, dass du das in dem Geschäft aushalten musst.

SZ: Verdienen Fußballprofis zu viel?

Steinhöfer: Fußball ist ein riesiges Geschäft. Fernsehen, Werbung, Fanartikel - da geht es um Milliarden. Im Zentrum sind wir Spieler, und da fließt eben ein Teil des Geldes an uns. Da muss man wirklich kein schlechtes Gewissen haben. Man spielt nur 10 oder 15 Jahre auf höchstem Niveau, und in der Zeit muss man seine Schäfchen ins Trockene bringen. Außerdem ist das Risiko groß: Ein böser Tritt, und deine Karriere ist vorbei.

SZ: Wie ist eigentlich das Gehaltsgefüge?

Steinhöfer: Da gibt es riesige Unterschiede auch innerhalb von Teams. Ich würde sagen, ein Jungprofi in der Bundesliga verdient zwischen 100.000 und 120.000 Euro Grundgehalt. Hinzu kommen Prämien, was natürlich individuell verschieden ist. Die richten sich danach, wie oft du spielst und wie oft deine Mannschaft gewinnt. Gestandene Bundesligaspieler mit Ende 20 verdienen ein Mehrfaches von uns jungen. Ich kann mich aber nicht beklagen, auch wenn ich in der Bundesliga noch in unteren Regionen bin.

SZ: Sie verdienen mit 22 Jahren in einem Monat mehr als Ihr Vater in einem Jahr und ein Vielfaches von Gleichaltrigen. Wie gehen Sie damit um?

Steinhöfer: Ich stamme aus einer Familie, die immer genug zum Leben hatte, aber nie Überfluss. Wir hatten zum Beispiel früher viele Jahre lang kein Auto. Mir wurde von den Eltern mitgegeben, dass man Geld nicht rausschmeißt. Was ich verdiene, lege ich bei der Sparkasse bei mir in Mittelfranken an. Da habe ich einen Berater, den ich schon lange kenne und dem ich vertraue. Wenn ich erlebe, was hier in Frankfurt los ist, Finanzkrise und so, bin ich froh, dass ich sicher angelegt habe.

SZ: Ist die Finanzkrise in der Eintracht-Kabine ein Thema?

Steinhöfer: In der Kabine nicht, aber wenn wir sonst zusammensitzen, laufen schon mal über Teletext die Aktienkurse, und der ein oder andere sagt: "Scheiße, da hatte ich meine Kohle angelegt."

SZ: Profifußballer verdienen sehr jung sehr viel. Wie oft kommt jemand auf Sie zu und rät zur angeblich todsicheren Anlage?

Steinhöfer: Ab und zu, aber ich lehne immer dankend ab. Ich will mein Geld mit Fußball vermehren, nicht mit Zockerei. Am Ende der Karriere soll es für ein schönes Leben reichen.

SZ: Mal ehrlich: nie auch nur so ein kleiner Anflug von Kaufrausch?

Steinhöfer: Als wir mit Salzburg Meister wurden, habe ich mir von der Prämie eine Armbanduhr für 4000 Euro geleistet. Die hatte ich zu FC-Bayern-Zeiten bei einem Profi gesehen und wollte sie unbedingt haben. Ich liebe die Uhr.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über den harten Weg bis hin zum Fußballprofi und wie es ist als Junior mit den ganz Großen spielen zu dürfen.

"Wahnsinn, wo bist du gelandet?"

SZ: Wann kam erstmals der Gedanke, Profifußballer zu werden?

Steinhöfer: Als ich mit 14 Jahren beim 1. FC Nürnberg war, sahen wir die Profis mit ihren tollen Autos vorfahren. Da dachte ich mir: Boah, die haben ein super Leben, das hätte ich auch gern. Dann schaust du als Junge die Sportschau und denkst: Ich will auch mal im vollen Stadion spielen. Aber von den wirklichen Dimensionen hat man keine Ahnung.

SZ: Welche Dimensionen?

Steinhöfer: Ich bin mit 16 Jahren zum FC Bayern, gleich nach der Realschule. Ich wohnte im Jugendhaus des Verein direkt am Trainingsgelände. Manche Zimmer haben das Fenster auf den Profiplatz raus. Du siehst die Stars trainieren, und rundherum ist die Hölle los. Im Sommer sind da manchmal 5000 Zuschauer. Beim Training! Du kriegst diese riesige Begeisterung mit und willst das unbedingt auch erleben. Da wird man richtig angefixt.

SZ: Mit 17 Jahren durften Sie oft mit den Profis trainieren. Damals spielten bei Bayern Kahn, Ballack, Makaay. Wie verlief das erste Treffen in der Kabine?

Steinhöfer: Am Anfang bist du nur am Schauen. Da sagst du nichts, sondern bist einfach platt. Bei den Profis ist alles viel größer, komfortabler und schöner. Noch dazu beim FC Bayern.

SZ: Nehmen Stars einen jungen Spieler überhaupt wahr?

Steinhöfer: Schon, aber die reden nicht groß mit einem. Nur der Roy Makaay ist gleich gekommen, hat geredet, Späße gemacht oder Tipps gegeben. Das machte alles viel einfacher. Auf dem Trainingsplatz dachte ich im ersten Moment: Wahnsinn, jetzt kickst du mit dem Ballack. Aber das musst du sofort ablegen.

SZ: Wie ist der Umgang?

Steinhöfer: In der Hierarchie bist du ganz unten. Du maulst nicht, wenn ein Ballack einen Fehler macht. Wenn dich einer von denen anraunzt...naja, die wollen dich verbessern, wenn auch manchmal im falschen Ton. Davon darf man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

SZ: Entscheidet sich in solchen Situationen, ob man sich als Spieler am Ende durchbeißt?

Steinhöfer: Vieles ist Kopfsache. Du musst den Kampf annehmen und dich durchbeißen. In meinem ersten Jahr in Salzburg war ich nach der Saisonvorbereitung sicher, dass ich gesetzt bin. Dann saß ich wochenlang auf der Ersatzbank oder sogar der Tribüne. Da wird die Aufstellung für das nächste Spiel vorgelesen, und dein Name fehlt. Keiner sagt dir warum. Trainer müssen nichts begründen. Es hat Wochen gedauert, bis ich mich getraut habe, die Trainer Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus anzusprechen. Sie sagten, ich sei noch nicht so weit. Ich sah das völlig anders. Aber es hilft nichts. Du musst deinen Frust und deine Wut in den Griff kriegen, Ruhe bewahren und dich voll reinhängen. Nach ein paar Monaten war ich Stammspieler.

SZ: Fürchteten Sie beim Warten um die Karriere?

Steinhöfer: Nein, es tat einfach weh. Du lernst, dich durchzusetzen. Ich war bis da noch nie auf einer Ersatzbank gesessen. Doch, einmal, beim 1. FC Nürnberg. Damals war ein Verantwortlicher sauer, weil meine Eltern und ich keinen Fünf-Jahres-Vertrag abschließen wollten, weil ich erst 15 war. Von da an gab es nur noch Ärger. Als ich dann meinen Wechsel zu den Bayern ankündigte, wollte der Typ mich bestrafen und setzte mich auf die Bank. Wenn es dumm läuft, kostet Dich so einer die Karriere, bevor sie begonnen hat. Ich war immerhin Jugendnationalspieler.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich österreichische Fußballvereine von den deutschen unterscheiden und wie Spieler dem Konkurrenzkampf standhalten.

"Wahnsinn, wo bist du gelandet?"

SZ: Wie anstrengend war der Weg dorthin?

Steinhöfer: Meine Familie wohnt 60 Kilometer südlich von Nürnberg. Als ich mit 13 Jahren zum Club kam, bedeutete das, fast jeden Tag nach den Hausaufgaben mit dem Fahrrad ein paar Kilometer zum Bahnhof zu radeln. Dann mit dem Zug nach Nürnberg und per Bus noch 20 Minuten zum Vereinsgelände. Nach Training oder Spiel ging es wieder zurück.

SZ: Parties, Discos, Nächte durchmachen?

Steinhöfer: Hat mir alles nie gefehlt. Ich bin einfach glücklich, wenn ich gegen einen Ball treten kann. Als Junge bin ich in ganz Deutschland und im Ausland bei Turnieren herumgekommen. Das sind Erfahrungen, die andere nicht haben.

SZ: Haben Sie damals schon Geld verdient?

Steinhöfer: Beim Club habe ich nur die Bahnfahrkarte bezahlt bekommen. Beim FC Bayern gab es ein paar hundert Euro, und ich durfte kostenlos im Jugendhaus wohnen.

SZ: Heute handelt Ihre Verträge ein Berater aus. Wie kommt man zu einem?

Steinhöfer: Die haben ihre Scouts, die bei Jugendturnieren Talente suchen. Als ich 16 Jahre war, kam mein jetziger Berater und sagte, ich hätte das Potential zum Profi. Meine Eltern und ich waren vorsichtig. Dann hat er immer wieder mal angerufen. Mit der Zeit wuchs das Vertrauen.

SZ: Wie viel müssen Sie ihm für seine Dienste bezahlen?

Steinhöfer: In den ersten Jahren verdient der Berater nichts an dir. Erst wenn er dich an einen Profiverein vermittelt, handelt er mit dem Club seine Provision aus - umso höher, je teurer der Transfer ist.

SZ: Warum verließen Sie den FC Bayern?

Steinhöfer: Ich war auf dem Sprung zu den Profis, als ich zweimal wochenlang verletzt ausfiel. Dann kam der Trainerwechsel von Ottmar Hitzfeld zu Felix Magath, und ich merkte: Ich komm' da nicht weiter. Bei Bayern ist jede Position doppelt und dreifach besetzt. Da kommst du als junger Neuling nur schwer dran, wie viele Beispiele zeigen.

SZ: Sie landeten bei Red Bull Salzburg. Wie lief das ab?

Steinhöfer: Wer mich dort ins Gespräch brachte, weiß ich nicht. Eines Tages rief Lothar Matthäus an. Mein Berater und ich trafen uns mit dem Manager des Vereins. Auch Matthäus kam kurz dazu. Das Sportliche war schnell geregelt. Dann fingen mein Berater und der Manager an, über Geld zu sprechen. Es ist auch beim Gehalt ein großer Schritt vom Amateur zum Profi. Jedenfalls kam deutlich mehr raus, als ich erhofft hatte. Ich rief gleich danach meine Eltern an, und die waren genauso baff.

SZ: Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz gilt als eine Art österreichischer Abramowitsch. In Deutschland dürfen Milliardäre keine Fußballvereine besitzen. Wie haben Sie den Unterschied erlebt?

Steinhöfer: Der ganze Lifestyle neben dem Fußball war anders. Bei der Saisoneröffnung standen in Salzburg die Formel-1-Autos aus dem Red-Bull-Rennstall herum, und Herr Mateschitz ließ die Presse mit dem Privatflugzeug einfliegen. Das gäbe es in Deutschland nicht. Dann gab es einen Familientag, bei dem Herr Mateschitz den halben See gemietet hatte. Da standen Flugzeuge, Motorboote, Jetskis herum. Ich war gerade zwei Wochen da und dachte: Wahnsinn, wo bist du gelandet?

SZ: Ihr jetziger Verein Eintracht Frankfurt steht nicht gerade im Ruf schillernder Jet-Set-Umtriebe.

Steinhöfer: Aber hier wird sehr solide gearbeitet. Dem Club ging es mal schlecht, und jetzt ist er finanziell gesund. Für mich bezahlte man eine Million Euro Ablöse. Die Philosophie ist klasse. Man will eine junge Mannschaft aufbauen, die großen Clubs ärgern und langfristig etwas aufbauen, um Erfolg zu haben.

SZ: Wie stark ist der Erfolg eines Fußballspielers von der Sympathie seines Trainers oder guten Schlagzeilen abhängig?

Steinhöfer: Der Trainer muss dein Spiel mögen. Wenn er dir Rückendeckung gibt und du auch mal schlecht spielen darfst, gibt dir das Sicherheit. Die Presse ist wichtig, denn sie kann dich hochjubeln und runterschreiben. Ganz ehrlich: Man muss auch aufpassen, dass man sich nicht mit den falschen Leuten anlegt. Aber entscheidend ist die Leistung und wie du mit Druck umgehst. Beim Spiel schauen dir 50.000 Leute auf den Fuß, wenn du den Ball hast. Du musst mental voll auf der Höhe sein, Ruhe bewahren und dem Gegenspieler mit Körpersprache zeigen: Ich bin der Chef, nicht du!

SZ: Wie ist der Konkurrenzkampf im Team?

Steinhöfer: Es ist nicht leicht, erst recht, wenn der Konkurrent auf deiner Position auch noch ein guter Freund ist. Aber jeder weiß, dass Konkurrenzkampf normal ist. Es gibt Typen, die grätschen im Training voll rein. Ich versuche lieber, den besseren Pass zu spielen.

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