Reden wir über Geld: Sascha Suden:"Die Leichenfledderer waren bei mir"

Sascha Suden belieferte Angela Merkel und den Sultan von Brunei mit Blumen. Anfangs lief das Geschäft gut. Am Ende blieben ihm nichts als Schulden und Hartz IV. Ein Gespräch über Promikunden, Lügen - und seinen größten Fehler.

Thomas Öchsner

Sascha Suden, 45, ist tief gefallen. Einst Klatschkolumnist des Kölner Express und Unterhaltungschef der Berliner BZ gründete er mit einem Designer und Orchideenzüchter ein Einzelhandelsgeschäft für Blumen, Möbel und Accessoires in Berlin. Es ging schnell aufwärts, Prominente wie Sharon Stone, Jil Sander oder der Sultan von Brunei bekamen von dem Duo Blumenarrangements. Das Geschäft blühte. Aber am Ende blieben Suden nichts als Schulden. Nach der Schließung des Ladens hat er ein Jahr von Hartz IV gelebt. Nun hat Suden ein Buch ("Hilfe, ich habe gegründet") geschrieben, in dem er erstaunlich offen mit seinen Fehlern als Unternehmer abrechnet. Suden empfängt im Berliner Exklusiv-Club Soho House. Den Mitgliedsbeitrag von 900 Euro jährlich zahlt derzeit eine Gönnerin.

Sascha Suden

Sascha Suden musste sein Geschäft schließen und ist mit Schulden überhäuft. Seine unternehmerischen Fehler beschreibt er in einem Buch.

(Foto: Xpress/Rolf Walter)

SZ: Herr Suden, reden wir über Geld. Sie waren als Berliner Promi-Florist ganz oben, um dann tief abzustürzen. Wie geht's Ihnen so?

Suden: Ich fühle mich befreit, kann wieder nach vorne sehen. Die Zeit des Leidens ist nach der Schließung unseres Geschäfts an der Pariser Straße vorbei. Wenn ich aufwache, warten auf mich keine Anrufe von Gläubigern, Banken oder Gerichtsvollziehern mehr und auch keine unheilverkündenden Mahnbriefe.

SZ: Es geht Ihnen besser trotz ihrer Schulden in Höhe von 100.000 Euro?

Suden: Ja, weil ich wieder nach vorne schauen kann. In der Krise unseres Unternehmens konnte ich nächtelang nicht schlafen. Ich dachte darüber nach, woher ich Geld besorgen könnte. Ich hatte ständig Kopfschmerzen, knirschte mit den Zähnen, bekam Haarausfall. Und das Schlimmste ist, dass sie sich all diesen Stress nicht anmerken lassen dürfen. Sie müssen immer funktionieren.

SZ: Wieso?

Suden: Egal wo Sie auftreten, Sie müssen so tun, als ob ihr Unternehmen floriert, genug Aufträge da sind, es ihnen gut geht. Ich kann nicht neben Kunden depressiv herumstehen und ihnen ihren Event-Einkauf vermiesen.

SZ: War es nicht von Anfang an eine ziemlich bekloppte Idee, einen neuen Blumenladen in Berlin eröffnen zu wollen - zusätzlich zu den schon vorhandenen 2000 in der Hauptstadt?

Suden: Nein, wir haben ja ein Gesamtkonzept kreiert. Wir boten eine Rundum-Betreuung an in einem Lifestyle-Store für die Sinne. Und so schlecht kann die Idee nicht gewesen sein. Innerhalb von sechs Wochen bekamen wir von einer Berliner Bank 75.000 Euro Kredit. Und unsere Produkte waren zumindest in der Berliner Society berühmt. Wir galten bis zum Schluss als erfolgreich.

SZ: Sie waren es aber nicht, jedenfalls finanziell. Was lief schief?

Suden: Es lag an vielen kleinen und großen Fehler im Alltag und begann mit zwei gravierenden Versäumnissen: Der Businessplan reichte nur bis zum Tag der Geschäftseröffnung im September 2003. Von da an war unklar, wovon ich und mein Kompagnon unseren Lebensunterhalt bestreiten sollten. Darauf hatte uns auch die Bank nicht hingewiesen. Daraus habe ich gelernt, dass jeder Existenzgründer sich mindestens ein halbes Jahr finanzieren können muss, ohne Geld aus dem Geschäft entnehmen zu müssen. Im Endeffekt haben wir fünf Jahre meist sieben Tage die Woche gearbeitet und zahlten uns null bis 1250 Euro pro Monat aus.

SZ: Was war der zweite große Fehler?

Suden: Für unseren Blumeneinkauf im Großmarkt brauchten wir 3000 Euro pro Woche in bar. Das habe ich mir nicht wirklich bewusst gemacht. Oft bin ich am Ende des Monats von Geldautomat zu Geldautomat gefahren, um genug Cash für die Blumenkäufe zu haben.

"Das Lügen kostet viel Kraft"

SZ: Dann kam auch noch Pech dazu.

Suden: Ja, ein Großkunde, ein Restaurantbesitzer, ging pleite und zahlte eine Rechnung über 75.000 Euro nicht. Als wir ein zweites Geschäft am Potsdamer Platz eröffneten, stellte sich heraus, dass die Schaufensterscheibe getönt war, nachdem wir kurz vor Eröffnung die Schutzfolie abgezogen hatten. Deshalb sind uns unsere Orchideen kaputtgegangen, auf die wir uns spezialisiert hatten. Austauschen durften wir die Scheibe nicht, das wollte der Architekt nicht. Außerdem habe ich viel zu vielen Menschen blind vertraut und geglaubt. Immer wieder haben wir investiert, weil jemand große Aufträge versprochen hat, aus denen dann doch nichts geworden ist.

SZ: Kann es sein, dass Sie mit Geld nicht so gut umgehen können?

Suden: Ich habe eine Ausbildung zum Werbekaufmann absolviert und bin studierter Kommunikationswirt. Es war deshalb klar, dass ich mich ums Kaufmännische und mein Kompagnon sich ums Kreative kümmert. Aber ich bin kein Zahlenmensch. Rechnungen zu schreiben, ist nichts, was mir Freude bereitet. Entsprechend chaotisch war unsere Buchhaltung. Und Verträge habe ich auch nicht immer richtig gelesen. Einmal wurden uns drei Porzellanfiguren im Wert von 12.000 Euro gestohlen. Im Versicherungsvertrag war nicht vermerkt, dass es bei uns nicht nur Blumen gibt. Da stand "Blumenladen" - prompt zahlte die Versicherung für das teure Porzellan nicht.

SZ: Trotzdem sah es am Anfang so aus, als ob der Laden laufen wird.

Suden: Cartier, deren Niederlassung um die Ecke war, gab uns einen großen Auftrag. Das lockte auch andere prominente Kunden an. Wir haben fünf Jahre lang den Bundestag mit Blumen beliefert. Und einmal war ich bei Frau Merkel morgens um sieben in ihrem Abgeordnetenbüro, kurz vor ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin. Die 50 roten Rosen, die ich ihr von einem Fan bringen sollte, nahm sie selbst entgegen. Da war ich schon ziemlich stolz. Die direkte Nachbarschaft ist allerdings selten in unser Geschäft gekommen. Die haben sich nicht hereingetraut, wahrscheinlich, weil es bei uns nicht wie in einem normalen Blumenladen ausgeschaut hat.

SZ: Wann haben Sie eigentlich gemerkt, dass die ganze Sache schief geht?

Suden: Wir hatten ja immer wieder Erfolge und neue gute Aufträge. So habe ich mir vieles vier Jahre lang schön geredet und viel gelogen, wenn es darum ging, wann wir was bezahlt haben oder bezahlen werden. Eine Freundin hat mir mal den Unterschied zwischen weißen und schwarzen Lügen erklärt. Schwarze Lügen sind demnach nicht gestattet und weiße dann, wenn man niemanden schadet oder die Wahrheit dem anderen schaden könnte. Es tut mir heute leid, dass ich unter dem gefühlten starken Druck schwarze Lügen von mir gegeben habe.

SZ: Das haben Sie aber nicht bis zur freiwilligen Schließung ihres Geschäfts Ende Februar 2009 durchhalten können.

Suden: Das Lügen kostet viel Kraft, irgendwann konnte ich nicht mehr und begann offen über unsere Probleme mit den Gläubigern zu reden.

SZ: Und wie waren die Reaktionen?

Suden: Überraschend positiv. Die Wahrheit verliert ihren Schrecken, wenn sie offen ausgesprochen wird. Gläubiger sind auch nur Menschen und wollen als solche auch behandelt werden. Man kann mit ihnen verhandeln. Sie verzichten sogar auf Forderungen, wenn sie Vorgänge abschließen können. Denn neben Geld kostet jeder Schuldner Nerven. Aber natürlich gab es nicht nur nette Gläubiger.

SZ: Zum Beispiel?

Suden: Leute, die nachts oder in aller Früh angerufen und mich beschimpft haben. Leider habe ich vielen Lieferanten meine Handynummer gegeben. Irgendwann ging ich dann bei bestimmten Nummern nicht mehr dran.

SZ: Sie mussten aber keinen Insolvenzantrag stellen?

Suden: Wir konnten selbst bestimmen, wann wir den Laden wegen Überschuldung zusperren. Dadurch konnten wir noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen. Beim Abverkauf unseres Lagers stellten wir fest, dass wir damit unsere Schulden hätten weitgehend bezahlen können, wenn wir normale Preise erzielt hätten, statt sie unterm Einkaufspreis zu verramschen. Aber das ging natürlich nicht. Außerdem haben es natürlich auch die Leichenfledderer bei uns probiert.

SZ: Leichenfledderer?

Suden: Das sind die Hyänen, die dann kommen, wenn es etwas ganz besonders günstig gibt. Der Preis ist schon auf 30 Prozent reduziert, und die wollen selbst davon nur noch die Hälfte zahlen. Zu solchen Leuten habe ich dann gesagt, dann schmeiße ich die Sachen lieber weg.

SZ: Fühlen Sie sich jetzt als gescheiterte Existenz?

Suden: Nein, ich bin weder gramgebeugt, noch verbittert. Schließlich haben wir ein tolles Unternehmen aufgebaut, das vielen Menschen Freude bereitet hat.

SZ: Und wie wollen Sie Ihre Schulden abbezahlen?

Suden: Das schaffe ich schon. Ich bin nicht sonderlich anspruchsvoll und komme mit 1500 Euro im Monat aus. Etwa die Hälfte, 50.000 Euro, habe ich bei Verwandten, Bekannten und Freunden. Die haben viel Verständnis für meine Lage und haben mir damals geholfen, das Geschäft am Leben zu erhalten. Es ist schon faszinierend, wie viel Geld sie kriegen, wenn sie keines haben.

SZ: Mit Hartz IV können Sie aber keine 100.000 Euro abbezahlen.

Suden: Im Moment lebe ich noch von den Vorträgen wegen meines Buches und schreibe gerade ein neues.

SZ: Und dann?

Suden: Ich arbeite derzeit als Coach und berate in Vorträgen Existenzgründer. Ich möchte sie vor den Fehlern bewahren, die ich gemacht habe. Die ersten Aufträge habe ich schon.

SZ: Dafür gibt es doch Existenzgründer-Seminare.

Suden: Ja, auf so einem waren wir auch vor der Geschäftsgründung. Aber die sind ziemlich theoretisch und beschäftigen sich mit den kaufmännischen Fakten. Aber auf mögliche Fehler, die man im Geschäftsalltag machen kann, wird nicht hingewiesen. Und wie sich mit Krisen umgehen lässt, lernt man hier schon gar nicht.

SZ:Und wenn das ohne Erfolg bleibt?

Suden: Dann muss ich notfalls irgendwann wieder Hartz IV beantragen.

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