Reden wir über Geld: Peter Schwenkow:"Sex, Drugs and Rock 'n' Roll? Das geht heute gar nicht mehr"

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Peter Schwenkow vermarktet internationale Stars wie Anna Netrebko. Ein Gespräch über die Veränderungen in der Musikszene, seine Beinahe-Pleite - und die Frisur von Hansi Hinterseer.

B. Finke und H. Wilhelm

Peter Schwenkow, 56, organisiert seit Jahrzehnten Konzerte in Deutschland. Anna Netrebko hört auf seinen Rat, der Geiger David Garrett auch, und mit dem Pianisten Lang Lang ist er befreundet, heißt es. Die Firmenzentrale seiner Deutschen Entertainment AG liegt nahe dem Potsdamer Platz, Vorstandschef Schwenkow blickt über Berlin. An den Wänden: Kitsch, Goldene Schallplatten, Fotos von ihm, mit lächelnden Stars im Arm.

Peter Schwenkow, der Vorstandsvorsitzende der DEAG (Deutsche Entertainment AG). (Foto: dpa)

SZ: Herr Schwenkow, reden wir über Geld. Wann haben Sie das erste Mal viel Geld für ein Konzertticket bezahlt?

Peter Schwenkow: Für ein Konzert mit Santana Anfang der Siebziger in Hamburg. 20 Mark. Viel Geld, aber das war es wert. Die weibliche Begleitung war angetan.

SZ: Sie würden heutzutage wesentlich mehr verlangen als 20 Mark.

Schwenkow: Die Branche ist nicht subventioniert, der Preis orientiert sich an Angebot und Nachfrage. Eigentlich sind die Karten oft noch zu günstig. Wenn ein Konzert innerhalb einer Stunde ausverkauft war, dann ärgere ich mich. Morgens hast du die Karte mühselig kalkuliert für 85 Euro, abends zahlen Leute 170 im Zweitmarkt.

SZ: Viele Künstler beschweren sich, dass sie von den Plattenverkäufen nicht mehr leben können und viel öfter auf Tour gehen müssen.

Schwenkow: Nun ja. Wenn Elton John im Jahr drei Millionen Pfund für Blumen ausgibt, muss er eben ein paar Konzerte mehr spielen. Erfolgreiche Künstler nagen nicht am Hungertuch. Sicher wird Musik im Internet geklaut. Aber dafür verkaufen sich heute Platten international - das hat mit dem Musiksender MTV begonnen. War ein Album vor 30 Jahren Nummer eins, bedeutete das eine Million verkaufte Platten. Heute sind es vier, fünf oder sechs Millionen.

SZ: 1998 sind Sie an die Börse gegangen. In der Euphorie des Neuen Marktes. Später wurde die Aktie ein Flop.

Schwenkow: Für mich war der Börsengang der Versuch, mehr Seriosität ins Geschäft zu bekommen. Konzertveranstalter hatten bis Mitte der Neunziger das Image, dass ihnen die 100-Euro-Scheine aus der Tasche fallen, wenn sie das Schlachtfeld des Festivals verlassen.

SZ: Oh, ist das nicht mehr so? Nichts mehr mit Sex, Drugs and Rock 'n' Roll?

Schwenkow: Ich bitte Sie. Vielleicht noch in der Rapper-Szene. Aber sonst geht das heute gar nicht mehr. Veranstalter und Künstler müssen professionell sein. Sehen Sie: Wir haben das Privileg, dass Menschen uns für ein Stück Papier Geld zahlen. Dafür gibt es aber ein klares Verfallsdatum: Um 20 Uhr an dem einen bestimmten Tag, da müssen wir liefern. Da muss alles klappen. Da kann man kein Risiko eingehen. Und man muss das Ganze natürlich auch versichern.

SZ: Ach kommen Sie, es gibt doch sicher noch Groupies. Sie vertreten den hippen Geiger David Garrett, Sie müssen das wissen.

Schwenkow: (schweigt bedächtig) Was ist ein Groupie? Sehen Sie, ich weiß es nicht, deshalb kann ich Ihnen die Frage auch gar nicht beantworten.

SZ: Risiken, Professionalität, Versicherungen - Sie klingen eher wie ein Betriebswirt, nicht wie ein Musikfan. Das haben wir uns, ehrlich gesagt, anders vorgestellt.

Opernsängerin Anna Netrebko gehört zu den Künstlern, die Peter Schwenkow vermarktet. (Foto: REUTERS)

Schwenkow: Fans machen Fehler. Fans zahlen viel zu hohe Gagen und rechnen mit zu vielen Besuchern.

SZ: Gibt es jemanden, den Sie toll finden und den aber niemand hören mag?

Schwenkow: Kennen Sie Stevie Winwood? Der schafft es halt irgendwie immer nicht. Dabei verdient der 50.000 Zuschauer, wenn es nach mir ginge.

SZ: Woran liegt es, dass es manche schaffen und andere nicht?

Schwenkow: Es gibt mehrere Milliarden Menschen. Zehn Prozent können singen. Zehn Prozent sehen gut aus. Eine Schnittmenge aus ein Prozent können singen und sehen gut aus. Schaffen tun es nur viel weniger. Theodor Fontane hat gesagt: "Gaben, wer hätte sie nicht? Talente - Spielzeug für Kinder. Erst der Ernst macht den Mann, erst der Fleiß das Genie." Sehen Sie sich Lang Lang an. Er ist ein begnadeter Pianist, aber eben auch ein Selbstdarsteller, der einiges wegsteckt. Rolando Villazón war ein toller Sänger und auch ein begnadeter Selbstdarsteller. Aber seine Kerze hat von beiden Seiten gebrannt. Er hat sich überfordert. Und jetzt kann er nicht mehr so wie früher. Eine Katastrophe. Sehr schade.

SZ: Was ist das Schwierigste für die Künstler?

Schwenkow: Nicht zu zerbrechen. Zu wissen, was man aushält und was nicht. Bei Ihnen hat Jamie Oliver im Interview erzählt, dass er im Krankenhaus saß, um das Leben seiner Oma bangte - und ihn dort Menschen nach Autogrammen gefragt haben. Das hält man nur aus, wenn man in sich ruht. Eine Anna Netrebko kann so was auch, die ruht in sich, die weiß, was sie will. Peter Maffay auch. Den können Sie mit nichts erschrecken, und er gibt immer 110 Prozent.

SZ: Sie müssen auch einiges aushalten. In Ihrem Leben geht es auf und ab.

Schenkow: Ich würde eher von einer einzigen Delle in meiner Karriere sprechen.

SZ: Sie sind mit Musicals auf die Nase gefallen. Zu wenige wollten sie sehen.

Schwenkow: Ich würde drei Kreuze machen, wenn ich diese Erfahrung nicht gemacht hätte. Aber das gehört in eine Unternehmerkarriere rein, dass man irgendwann scheitert, und das vielleicht auch mal spektakulär.

SZ: Es hätte Sie alles kosten können.

Schwenkow: Das Unternehmen wurde nur durch meinen persönlichen finanziellen Einsatz gerettet. Ich habe Immobilien und meine 20 Oldtimer verkauft und habe bei der Bank gebürgt. Das war Spitz auf Knopf, hat aber funktioniert. Ich habe alles mit meiner Frau und den Kindern besprochen, die sind mitgegangen, sonst hätte ich es nicht gemacht. Ich habe das Unternehmen aufgeräumt innerhalb kurzer Zeit, auch einiges verkauft.

SZ: Hatten Sie Angst?

Schwenkow: Ich habe monatelang schlecht geschlafen und ein schweres Herz gehabt. Das hat mich vorsichtiger, selbstbewusster gemacht. Ja. Wenn ich jetzt mit einem Bein auf der Kliffkante stehen und mich einer mit der Waffe bedrohen würde, dann würde mich das weniger erschrecken.

SZ: Wie viele Stunden arbeiten Sie?

Schwenkow: Immer irgendwie. 80 Stunden auf jeden Fall. Eher mehr.

SZ: Ihre Frau wird begeistert sein.

Schwenkow: Ach, die arbeitet als Journalistin genauso viel. Heute Abend sind wir in Dresden, dann fahren wir nachts zurück, weil sie morgen früh nach Mailand fliegt, dann ist sie dort zwei Tage, dann fliegt sie nach Genf weiter. Ich bin in der Zeit in Hamburg, London. Dienstagabend sehen wir uns wieder hier in Berlin.

SZ: Uff.

Schwenkow: Wir sehen uns ein, zwei Tage in der Woche. Das hält die Ehe spannend.

SZ: Warum kommen Künstler wie Anna Netrebko, Lang Lang und David Garrett zu Ihnen?

Schwenkow: Gucken Sie sich zum Beispiel die Karriere von Vittorio Grigolo an, die gerade durch die Decke geht. Da habe ich zwei Jahre dran gearbeitet, ohne dass das jemand mitbekommen hat. Die Künstler können sich darauf verlassen, wenn ich sage, wir schaffen das. Es geht nicht nur ums Geld, ich entwickle da Karrieren, bin Sachverwalter des Glücks.

SZ: Sagen Sie einem Künstler auch, ob er zum Friseur gehen soll?

Schwenkow: Dafür gibt es Stylisten. Sehen Sie sich David Garrett an (zeigt auf ein Plakat). Wenn Sie sich die ersten Fotos anschauen, da war er noch viel weniger stylisch. Auch einen hübschen Menschen können Sie ein kleines bisschen beraten, dass er noch schöner wird an den richtigen Stellen.

SZ: Massentauglicher?

Schwenkow: Nein, dann hätten wir ihm sagen müssen, lass die Totenkopfringe weg, die könnten die Mütter verschrecken. Garrett ist authentisch.

SZ: Sie wollen Ihren Erfolg von der Klassik in der Volksmusik wiederholen. Ist das ein Wachstumsmarkt? Die Sender setzen die Sendungen eher ab.

Schwenkow: Es ist doch gut einzusteigen, wenn der Markt am Boden liegt. Nur dann kann man ordentlich Marktanteile gewinnen. Und ich glaube schon, dass Schlager und Volksmusik Zukunft haben. Gucken Sie sich an, wie viele deutsche Lieder im Radio laufen: Unheilig, Peter Maffay, Ich+Ich, Herbert Grönemeyer. Und das, obwohl wir keine Quote haben wie die Franzosen, die festgelegt haben, dass im Radio 40 Prozent der Lieder französisch sein müssen. Wie auch immer, bei Volksmusik und Schlagern, da können wir mitmischen.

SZ: Das heißt, Sie schicken bald Hansi Hinterseer zum Stylisten?

Schwenkow: Den haben wir jetzt schon auf Tournee. Witzigerweise hatten wir gerade ein Meeting. Da ist noch Potential.

SZ: Stylingmäßig?

Schwenkow: Nein. Da hat der Hansi 100 Punkte.

© SZ vom 25.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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