Reden wir über Geld: Peter Krämer:"Ich will der Oma nicht ihr Häuschen wegnehmen"

Mehr Geld von den Reichen: Der Reeder und Millionär Peter Krämer über seine Forderung nach höheren Steuern, ein lächerliches Sparpaket und Gangster vor der Haustür.

K. Läsker und T. Öchsner

Peter Krämer, 59, beäugt die Schuhe der Besucher. Nur, wer keine Schuhcreme unter den Sohlen hat, darf sein Büro betreten. Sonst leidet der beige Teppich. Da ist Krämer streng. Er übrigens putze seine Schuhe ja selbst, sagt er. Okay, der Teppich ist neu. Weil es vor einem Jahr gebrannt hat und alles verrußt war, musste total saniert werden. In Hamburg nennen sie Krämer den roten Reeder, weil er als Herrscher über 34 Schiffe reich ist und trotzdem so linke Sachen sagt. Häufig begibt er sich auf ungewöhnliche Wege: Mit Unicef und der Stiftung von Nelson Mandela baut er Schulen in Afrika.

Reeder Peter Krämer

Der Hamburger Reeder Peter Krämer will Steuergerechtigkeit und fordert die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

(Foto: dpa)

SZ: Sie sind Millionär und wollen anderen Millionären durch höhere Steuern auf Vermögen Geld wegnehmen. Finden Sie das nicht ein bisschen komisch?

Peter Krämer: Überhaupt nicht. Mir geht es um mehr Steuergerechtigkeit. Deshalb habe ich vorgeschlagen, die Vermögensteuer aufleben zu lassen und andere Steuern auf Vermögen zu erhöhen.

SZ: Haben Sie nicht das Gefühl, Sie zahlen schon jetzt zu viel Steuern?

Krämer: Nein, ganz und gar nicht. Schauen Sie mal ins Ausland! In den USA, Japan und Frankreich zahlen Wohlhabende das Vierfache, im Mutterland des Kapitalismus, in Großbritannien, sogar das Fünffache dessen, was hierzulande fällig ist. Wenn die Reichen in Deutschland 2,0 statt bisher 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zahlen müssten, das entspricht dem europäischen Durchschnittssatz, könnte der Fiskus 20 Milliarden Euro mehr einnehmen.

SZ: Wie soll das praktisch gehen?

Krämer: Wir müssen die Vermögensteuer wieder einführen, wobei der frühere Satz von 0,6 auf 1,0 Prozent zu erhöhen wäre. Wir sollten die Steuer aber auf Privatvermögen beschränken. Betriebsvermögen sollten aufgrund der Arbeitsplätze im Mittelstand ein Tabu bleiben. Die Grundsteuer auf Immobilienbesitz gehört ebenso erhöht wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer.

SZ: Die CSU in Bayern würde jetzt sagen, Sie nehmen den Kindern das Haus ihrer Eltern weg.

Krämer: Das ist totaler Quatsch. Ich will der Oma nicht ihr kleines Häuschen wegnehmen. Das will doch gar keiner, nicht einmal die Linke. Wir sollten aber ab einem bestimmten Freibetrag, zum Beispiel einer halben Million Euro, bei den Erben stärker zugreifen.

SZ: Was sagt Ihr älterer Sohn dazu, wenn ihm vom Erbe weniger bleibt?

Krämer: Mir hat ein Bekannter eine schöne Geschichte erzählt. Dessen Sohn fragte ihn: Warum soll ich eigentlich Erbschaftssteuer zahlen? Du hast doch dein gesamtes Geld versteuert und wenn ich es kriege, warum soll ich noch mal etwas abgeben? Daraufhin hat der Vater gesagt: Mein lieber Sohn, die Steuern habe ich bezahlt und was ich mit dem versteuerten Geld mache, ob ich es verprasse oder verschenke, das ist meine Entscheidung. Wenn du es erbst, zahlst du das allererste Mal Steuern und was kannst du dafür, mein Sohn und Erbe zu sein.

SZ: Das sagen Sie Ihrem Sohn auch?

Krämer: So ungefähr. Der Erbfall darf die Schere zwischen arm und reich nicht noch weiter vergrößern.

SZ: Sind Sie auch dafür, den Spitzensteuersatz zu erhöhen?

Krämer: Ich bin nicht grundsätzlich dagegen. Nur kommen wir damit nicht so schnell auf die Summen, die höhere Steuern auf Vermögen erzielen. Den Spitzensteuersatz von 42 auf 47 oder 48 Prozent anzuheben, wäre doch reine Kosmetik, um schwächere Bevölkerungsteile ruhig zu stellen. Außerdem träfe dies ja dann auch die Mittelschicht, wenn man berücksichtigt, dass ein lediger Facharbeiter ab einem jährlichen Bruttoverdienst von gut 52.000 Euro schon den Spitzensteuersatz bezahlen muss. Da wäre eine Erhöhung doch völlig absurd, wenn wir auf der anderen Seite die Erbengeneration verschonen, die jedes Jahr deutlich mehr als 120 Milliarden Euro erhält.

SZ: Warum sind Sie dann mit dem Sparpaket der Regierung unzufrieden? Bei der Bankenabgabe oder der Atomsteuer müssen doch die Starken zahlen.

Krämer: Das ist lächerlich. Die zahlen der Josef Ackermann von der Deutschen Bank und die Energiekonzerne aus der Portokasse. Ich halte das Sparpaket für völlig unausgegoren.

SZ: Warum?

Krämer: Es fängt damit an, dass sich nichts Grundlegendes ändert. Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Wir jammern über die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze etwa für Katzenfutter und Kindernahrung und das komplizierte Steuersystem. Doch wir schaffen es nicht, es ein bisschen klarer und normaler zu machen. Außerdem ist das Paket unsozial, weil bei den Hartz-IV-Empfängern gekürzt wird und die Wohlhabenden ungeschoren davon kommen.

SZ: Es gibt aber Reiche, die sich von sich aus engagieren. Tun die zu wenig?

Krämer: Es gibt wohlhabende Menschen, die wirklich sehr viel tun. Aber dieser Kreis ist beschränkt. Dann gibt es diejenigen, die in ihrer Freizeit lieber privates Monopoly spielen und darum wetteifern, wer das größere Haus hat. Dann gibt es noch diejenigen, die sich selbst Denkmäler setzen.

"Meine Banken wissen alles von mir"

SZ: Wer denn?

Krämer: Da brauchen Sie nur die Treppe in der Hamburger Oper hochzugehen. Es gibt Leute, die sagen, wenn ich schon eine Stiftung mache, dann für mein Hobby oder meine Leidenschaft, und mein Name soll dick darüberstehen.

SZ: Bei Ihnen ist das anders? Sie zeigen sich gern auf Fotos mit süßen, schwarzen Kindern, für die Sie mit dem Kinderhilfswerk Unicef Schulen bauen lassen. Ist das nicht dasselbe?

Krämer: Überhaupt nicht. Mit den Bildern transportiere ich eine Botschaft und motiviere andere zu spenden. Weil das so gut klappt, sind die Millionen, die ich selbst für Schulen für Afrika ausgegeben habe, inzwischen nur ein kleiner Teil dessen, was gesammelt wurde. Ich komme mir vor wie der Vater eines Kindes, das größer geworden ist. Schulen für Afrika wird bleiben, auch wenn mir morgen ein Stein auf den Kopf fällt.

SZ: Warum helfen Sie eigentlich nicht armen Kindern in Hamburg?

Krämer: Weil wir in Deutschland und damit in Hamburg nur eine relative Armut haben. Bei uns muss kein Kind sterben, weil es am falschen Platz geboren ist. Ich bedaure es sehr, dass in Hamburg 23 Prozent der Kinder von Hartz IV leben. Aber wir könnten hierzulande die Steuern so erheben, dass wir unsere relativen Armutsprobleme gut in den Griff bekommen. Solange wir aber ein Steuerparadies für Vermögende haben und nicht mehr für die Bildung tun, wird das nicht gehen.

SZ: Und für diese Botschaft nehmen Sie auch in Kauf, dass andere Sie für extrem eitel halten?

Krämer: Wenn ich meine, etwas zu sagen zu haben, und überzeugt bin, dass das einen Wert für andere hat, muss ich das laut tun. Das hat mit Eitelkeit nichts zu tun. Ich will etwas bewegen.

SZ: Verschwiegener sind Sie jedenfalls, wenn es um Ihr eigenes Geschäft geht. Warum legen Sie nicht offen, wie viel Sie als Reeder verdienen?

Krämer: Meine Firma ist ein Familienunternehmen, und deshalb bin ich anders als eine börsennotierte Aktiengesellschaft nicht verpflichtet, Zahlen offenzulegen. Meine Banken wissen ohnehin alles von mir. Aber meinen Nachbarn geht es absolut nichts an, wie hoch mein Privatvermögen ist. Ich habe auch keine Lust mehr darauf, noch mal überfallen zu werden, wie vor sieben Jahren, als sechs Gangster direkt vor meiner Haustür über mich herfielen und mich ausraubten.

SZ: Vielen Reedern geht es geschäftlich nicht mehr so gut. Manche rufen deshalb sogar nach Staatshilfe. Tun Sie das auch?

Krämer: Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, unsere Finanzprobleme müssen wir mit den Banken allein lösen. Es wurden in den letzten Jahren viel zu viele Schiffe bestellt, speziell von deutschen Reedern. Banken haben da oft verantwortungslos neue Frachter fremdfinanziert, ohne dass Eigenkapital hinterlegt war. Jetzt ist es an der Zeit, dass Banken eine Bestandsaufnahme machen und entscheiden, wem sie helfen. Dabei hat der Staat nichts zu suchen.

SZ: Ihre Reederei hat Frachter bei chinesischen Werften bestellt. Warum ordern Sie keine Schiffe bei deutschen Werften und sichern Jobs im Land?

Krämer: Die sind 20 bis 40 Prozent teurer als die Chinesen und Koreaner. Man muss entweder Geld wegschmeißen oder extrem edel sein oder sehr reich, um so den Standort zu fördern.

SZ: Für solche Wohltaten reicht Ihr Vermögen also nicht? Immerhin soll es sich laut Manager Magazin auf 600 Millionen Euro belaufen. Damit gehören Sie zu den 200 reichsten Menschen in der Bundesrepublik.

Krämer: Das stimmt nicht, manche Magazine sind zu dumm zum Rechnen. Die haben die Werte der Schiffe anderer, die ich nur einsetze, und derjenigen, die mir gehören, einfach addiert, unabhängig von den Hypotheken und den Anteilen, die ich an den Schiffen halte. Deswegen ist das viel zu hoch. Außerdem habe ich drei Viertel meines Vermögens in der Krise verloren.

SZ: Haben Sie Angst um Ihr Geld?

Krämer: Ich habe Angst vor einem Währungsschnitt, wenn die Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt einmal nicht mehr zurückgeführt werden können. Dann könnten sich eines schönen Wochenendes die Finanzminister von Europa, den USA und Japan sehr diskret treffen und entscheiden: Wir müssen den Euro, den Dollar und den Yen halbieren.

SZ: Was wäre dann?

Krämer: Die Verteilungsfrage würde viel stärker als jetzt in den Vordergrund treten, weil die Armen noch ärmer werden würden. Was glauben Sie, was dann hier losgeht! Dagegen sind gewalttätige Demonstrationen wie in Frankreich oder in Griechenland nichts.

SZ: Sie meinen, die Reichen in Deutschland müssten Angst haben, dass ihre Villen gestürmt werden?

Krämer: Ich war häufiger in Südafrika, und dort verbarrikadieren sich die Wohlhabenden. Die Mauern werden immer höher, durch die Stacheldrähte auf den Mauern in Johannesburg fließen Tausende Volt. Es macht nicht so arg viel Spaß, dort spazieren zu gehen. Solche Verhältnisse möchte ich in Deutschland nicht erleben.

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