Reden wir über Geld: Michael Lang:"Woodstock hat mir eine Million Schulden eingebrockt"

Kostspieliger Sommer der Liebe: Woodstock-Organisator Michael Lang über das Plusminusnull nach dem großen Happening 1969 - und das lukrative Geschäft mit Hass.

Nikolaus Piper

Michael Lang, 65, hat Geschichte gemacht. Zusammen mit seinen Partnern Artie Kornfeld, John Roberts und Joel Rosenman organisierte er Woodstock, das berühmteste Musikfestival aller Zeiten. An einem August-Wochenende 1969 im US-Bundesstaat New York kamen statt der erwarteten 200.000 Fans mehr als zwei Millionen - ein Grenzerlebnis in jeder Beziehung. Heute ist Lang immer noch als Konzertveranstalter tätig. Die Geschichte des Festivals erzählt Lang in seinem Buch The Road to Woodstock. In dem Spielfilm Taking Woodstock des Regisseurs Ang Lee wird er von Jonathan Groff gespielt.

Woodstock-Festival

Und 600.000 Menschen waren dabei: Blick auf die Zuschauer beim Woodstock-Festival 1969.

(Foto: dpa)

SZ: Herr Lang, reden wir über Geld. War Woodstock ein geschäftlicher Erfolg?

Michael Lang: Nein.

SZ: Auch nicht nach 41 Jahren?

Lang: Nein, nicht für uns, die Organisatoren. Es war ein großer Erfolg für Warner Bros.

SZ: Wegen des Woodstock-Films?

Lang: Ja, ich denke, die haben bis heute 120 Millionen Dollar damit verdient. Es ist der erfolgreichste Dokumentarfilm der Geschichte.

SZ: Haben die Ihnen nichts gegeben?

Lang: Nein, leider nicht. Wir waren jung und hatten am Ende des Festivals 1,03 Millionen Dollar Schulden. Warner hat uns keinen Dollar im Voraus gezahlt. Mein Verdacht ist, dass sie wussten, dass wir Probleme hatten und uns nicht helfen wollten. Wir verkauften schließlich für eine Million Dollar 99 Prozent der Rechte an dem Film und konnten so unsere Schulden zurückzahlen.

SZ: Sie endeten mit plus minus null.

Lang: Ja, mehr oder weniger. Unsere Firma Woodstock Ventures hat in der Folge noch ein bisschen an dem Film verdient, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir hätten kriegen sollen.

SZ: Können Sie für die Geschichtsbücher ein für allemal klären, wie die Entscheidung zustande kam, Woodstock zum Gratiskonzert zu machen?

Lang: Es war keine Entscheidung. Wir haben die Fakten anerkannt. Es heißt immer, wir hätten die Tore zum Festivalgelände geöffnet. Aber da waren keine Tore. Am Freitagmorgen saßen 150.000 Leute auf dem Gelände, die Ticket-Häuschen waren noch gar nicht aufgestellt.

SZ: Haben Sie nicht nach einem Ausweg gesucht?

Lang: Ein paar Ideen haben die Runde gemacht: Körbe herumgehen lassen zum Beispiel. Nichts von alledem schien mir praktikabel zu sein. Mir ging es darum, dass das Ganze positiv blieb. Es war damals, am Freitag, schon viel, viel größer, als wir erwartet hatten.

SZ: Sie hatten mit 50.000 Besuchern gerechnet?

Lang: Das war die Zahl, die wir veröffentlichten. Ich hatte mich innerlich auf 200.000 eingestellt. Geworden sind es dann 600.000 und wir mussten 1,5 Millionen zurückschicken.

"The Road to Woodstock"

SZ: Aber auch heute noch ist "Woodstock" eine tolle Marke. Ihre Firma "Woodstock Ventures" nutzt das. Damit müssten Sie doch Geld machen können.

Michael Lang, Organisator des legendären Woodstock-Festivals.

Michael Lang, Organisator des legendären Woodstock-Festivals.

Lang: Theoretisch schon.

SZ: Und praktisch? Sie sind noch immer im Musikgeschäft.

Lang: Ja, wir arbeiten gerade an einem Musical. Es basiert auf meinem Buch "The Road to Woodstock" und wird hoffentlich in zwei Jahren auf die Bühne kommen. Wir organisieren Festivals und produzieren Filme. Für mich ist es eine ständige Suche nach interessanten Dingen, mit denen man den Menschen ein gutes Gefühl vermitteln kann.

SZ: Warum gab es 2009 kein Gedenkkonzert zum 40. Jahrestag?

Lang: Ich habe es versucht. Das Festival sollte mit dem Thema Klimaschutz verbunden werden und im Prospect Park stattfinden, einem wunderbaren Park in Brooklyn.

SZ: Sie selbst sind in Brooklyn geboren.

Lang: Ja, in Bensonhurst, um genau zu sein. Wir haben eine Genehmigung für 300.000 Besucher gekriegt, es sollte umsonst werden und klimaneutral. Unglücklicherweise brach in diesem Jahr die Wirtschaft zusammen. Unsere Sponsoren hatten kein Geld mehr.

SZ: Zum 20. Jubiläum 1989 wollten Sie ein Festival gleichzeitig in West- und Ostberlin organisieren.

Lang: Ja, ich arbeitete seit 1987 mit meinem Freund Peter Rieger und einer Konzertagentur in Ostberlin daran. Die Idee war, dass Woodstock eine Brücke zwischen Ost und West hätte bauen sollen. Und es schien, als hätte den Leuten in Ostberlin das gefallen.

SZ: Mit wem hatten Sie dort zu tun?

Lang: Es war der Leiter der dortigen Konzertagentur, Heinrich Heinemann. Alle nannten ihn Heini. Ich kann mich noch an sein Büro erinnern. Irgendwie war es kafkaesk. Ich dachte immer: Gleich kommt eine Hand von oben und packt ihn, weil er solche Dinge macht. Er war total begeistert. Ich bin zwanzig Mal nach Berlin gereist, sie brachten mich schließlich mit der Jugendorganisation dort zusammen, ich glaube, sie hieß Komsomol.

SZ: Das war die in der Sowjetunion, in der DDR hieß sie Freie Deutsche Jugend.

Lang: Die unterstützten das Projekt. 1988 schafften wir es, Joe Cocker nach Ostberlin zu bringen.

SZ: Und woran ist das Jubiläums-Festival dann gescheitert?

Lang: Es wurde in Moskau gestoppt.

SZ: Woher wissen Sie das?

Lang: Die FDJ-Leute haben es uns gesagt. Aber dann war ja sowieso alles ganz anders. Joe Cocker spielte nach dem Fall der Mauer in Berlin.

"Das größte friedliche Ereignis des Jahrhunderts"

SZ: Lassen Sie uns nochmals 41 Jahre zurückgehen. Wann haben Sie realisiert, dass Sie Geschichte schreiben würden?

Lang: Gute Frage. Wir steckten ja mittendrin und hatten keine Zeit zum Nachdenken. Ich denke, im Laufe des Samstags, als wir all die Menschen da draußen gesehen haben, da wurde es uns klar.

SZ: Dabei war Woodstock rein musikalisch ja kein sehr gutes Festival. Carlos Santana war bei anderen Gelegenheiten besser, Crosby Stills Nash & Young ebenfalls. Jimi Hendrix war auf Drogen.

Lang: Er war müde.

SZ: Auf jeden Fall musikalisch nicht herausragend.

Lang: Da muss ich energisch widersprechen. Vor Woodstock hat eben noch fast niemand von Santana gehört, außer den Besuchern von ein paar Clubs in San Francisco. Für Crosby Stills Nash & Young war es das erste große Ereignis überhaupt. Und so können Sie weitermachen. Wir haben lauter Talente eingeführt, die für Jahre im Zentrum des Musiklebens standen. Es waren vielleicht nicht ihre besten Shows, aber es waren ihre ersten. Davon abgesehen war es das größte friedliche Ereignis des Jahrhunderts. Denken Sie dran, dass die Mitte der sechziger Jahre keine sehr gute Zeit war. Es gab Gewalt, die Morde an Robert Kennedy und Martin Luther King ...

SZ: ... und den Vietnam-Krieg ...

Lang: ... ja, und den ganzen Konflikt zwischen den Generationen - es gab nicht viele schöne Momente, auf die man blicken konnte. Und in der Mitte von all dem schien plötzlich Hoffnung auf. Weil wir jung waren, weil es aus unserer Generation heraus kam, wurde es zu einem Symbol für die Kraft eines positiven Gemeinschaftsgefühls.

SZ: Und Max Yasgur, der Farmer, auf dessen Wiese das Festival stattfand? Seine Farm wurde ja fast ruiniert.

Lang: Er wurde nicht ruiniert. Er war ergriffen.

SZ: Ergriffen?

Lang: Ja. Das Ereignis hat ihn verändert. Er hat später Jugendlichen geholfen, die von zu Hause ausgerissen waren. Im Zuge der ganzen Vorbereitungen hatte er seine ganzen Nachbarn gegen sich aufgebracht. Er war immerhin der größte Milchfarmer im weiten Umkreis. Und er stand zu dem Projekt, die ganze Zeit.

SZ: Er war ziemlich konservativ.

Lang: Yasgur war ein rechter Republikaner, der den Vietnam-Krieg unterstützte. Aber er war auch ein sehr aufrechter Mann, der wollte, dass andere ihre Meinung sagen konnten.

SZ: Aber er verließ seine Farm kurz nach dem Festival.

Lang: Ja, er hatte Herzprobleme und zog in den Süden. Mit seinem Sohn stehe ich heute noch in Kontakt.

SZ: Ein konservativer Autor, David Bossie, sagt, Woodstock sei für die Exzesse an der Wall Street und die Finanzkrise verantwortlich. Er spricht vom "Narzissmus einer Generation".

Lang: Im Ernst?

"Ich helfe Farmen rund um Woodstock"

SZ: Ja, er sagt Folgendes: "Die Leute, die in Woodstock waren, wurden zu den Yuppies der achtziger Jahre, den Junk-Bond-Händlern der neunziger Jahre und den Wall-Street-Chefs der 2000er Jahre. Sie kamen von Woodstock, um jetzt einen Jaguar zu fahren."

Lang: Da steckt sicher ein Stück Wahrheit drin. Aber dafür kann man nicht Woodstock verantwortlich machen, es ist unsere und vielleicht die darauf folgende Generation. Die Leute, die tatsächlich in Woodstock waren und die dort praktizierten Werte lebten, sind anders.

SZ: Liegt nicht etwas Tragisches über sozialen Bewegungen in Amerika? 1967 feierten die Hippies den "Sommer der Liebe", ein Jahr später bekamen Sie Richard Nixon. 2008 brachten junge Leute Barack Obama ins Amt. Jetzt haben Sie die Tea-Party-Leute.

Lang: Sicher, das Pendel geht mal in die eine und mal in die andere Richtung. Aber wenn Sie es nicht anstoßen, bleibt es immer an derselben Stelle. Die Tatsache, dass 40 Jahre nach den großen Bürgerrechts-Märschen von Selma ein Schwarzer im Weißen Haus sitzt, ist doch ein dramatischer Fortschritt. Der Gedanke der Nachhaltigkeit hat seine Wurzeln in den Sechzigern.

SZ: Sind Sie von Obama heute enttäuscht, wie so viele Amerikaner?

Lang: Ich bin enttäuscht, weil er seine Botschaft nicht rüberbringt. Er hat eine Menge erreicht. Als er sein Amt übernahm, dachte ich: Er muss verrückt sein, dass er sich das antut.

SZ: Warum hassen ihn so viele Menschen?

Lang: Keine Ahnung. Vielleicht hat es mit Entertainment zu tun.

SZ: Wie bitte?

Lang: Leute wie Rush Limbaugh (Moderator des konservativen Fernsehsenders Fox, d. Red.) machen eine Menge Geld mit Hass-Kampagnen. Das ist Entertainment.

SZ: Ist das Geschäft mit Hass heute einträglicher als das Geschäft mit Liebe damals?

Lang: Ja, es scheint so. Gute Nachrichten sind keine großen Nachrichten.

SZ: Versuchen Sie immer noch, die Welt zu verbessern?

Lang: Ja, sicher. Ich bin gerade in einer Initiative, die Farmern im dem County rund um Woodstock hilft. Denen geht es sehr schlecht. Wir wollen sie dabei unterstützen, profitabler zu werden. Zum Beispiel, indem sie auf Biobetrieb umstellen oder ihren eigenen Käse machen. Außerdem bin ich engagiert in der Bewegung gegen Erdgasbohrungen in unserer Gegend.

SZ: Sie wohnen immer noch in Woodstock?

Lang: Ja, seit 1968.

SZ: Haben Sie Kinder?

Lang: Ja, fünf, darunter Zwillinge von neun Jahren.

SZ: Und interessieren die sich für Woodstock?

Lang: Ich rede mit ihnen nicht darüber, aber ihre Freunde tun es. Sie wissen also davon, aber ich versuche, nicht viel Aufhebens davon zu machen.

SZ: Mögen sie Musik?

Lang: Ja, beide spielen Gitarre, Bass, Keyboards. Zurzeit stehen sie auf Heavy Metal - nicht unbedingt mein Geschmack.

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