Süddeutsche Zeitung

Reden wir über Geld: Klaus Schlappner:"Ich bin schon Meister"

Klaus Schlappner über seine Zeit als Fußballtrainer und Bierbrauer in China, reiche Jungstars und warum er sich von Spielern die Kontoauszüge zeigen lässt.

S. Boehringer und A. Hagelüken

Klaus Schlappner, 69, startete erst als Elektromeister, bevor er in den 80er Jahren als Trainer Waldhof Mannheim in die Bundesliga führte. Bekannt wurde er durch seine kessen Sprüche. Anstoß erregte er, weil er als junger Mann kurz für die NPD kandidiert hatte, ein peinlicher Ausrutscher. 1992 wurde "Schlappi" Trainer der chinesischen Nationalmannschaft, für die er heute noch als Berater arbeitet. Wie kaum ein Deutscher erlebte er Chinas Entwicklung zum größten Sportmarkt der Welt - und wirkte auch noch in Iran, Indonesien und der Mongolei.

SZ: Herr Schlappner, reden wir über Geld. Sie galten als regional verankerter Fußballtrainer, bis Sie 1992 Nationaltrainer ausgerechnet in China wurden, heute der größte Sportmarkt der Welt. Welche Situation fanden Sie damals vor?

Klaus Schlappner: Als ich ankam, hatte China gerade gegen das kleine Hongkong verloren. Schlimmer ging es nicht. Die Nationalmannschaft war in Auflösung. Es gab keine Jugendarbeit, keine Profi-Ligen und seltsame Vorstellungen.

SZ: Welche?

Schlappner: Bei Nationalspielen galt: Ein anderes Land zu besiegen, ist manchmal unhöflich. Vor meiner Zeit, so wurde mir berichtet, führte China einmal gegen den Kongo 1:0. Da kam in der Pause ein Funktionär in die Kabine und sagte: Lasst die auch mal ein Tor schießen. Wegen der Völkerfreundschaft. Am Ende verlor China 1:2.

SZ: Na großartig.

Schlappner: Das war kein richtiger Fußball. Das Nationalteam trainierte bei praller Hitze um drei Uhr nachmittags, nur weil das Abendessen traditionell um sechs Uhr abends angesetzt war. Beim ersten Spiel wunderte ich mich, warum die Spieler ständig Durst hatten und ausgelaugt wirkten. Ich fand heraus, dass sie ein paar Stunden vorher scharf zu Mittag gegessen hatten. Unglaublich! Ein andermal erwischte ich Spieler, die bis drei Uhr nachts Karten zockten.

SZ: Und dann müde waren.

Schlappner: Ich musste praktisch alles ändern: Einstellung, Ernährung, Training. Nur so funktioniert es. Einige Kritiker haben mir vorgeworfen, ich würde mich nicht genügend anpassen, nicht ausreichend Rücksicht nehmen auf die chinesische Mentalität. Aber das wollten die Chinesen gar nicht.

SZ: Was wollten die denn?

Schlappner: Die wollten klassische deutsche Tugenden lernen: Disziplin, Pünktlichkeit, Fleiß. Fragen Sie meine Ex-Mitarbeiter, und sie werden immer dieselbe Antwort bekommen: Schlappner steht für Arbeit, Arbeit, Arbeit.

SZ: Verstehe.

Schlappner: Unsere Erfolge wurden gewürdigt. Nach jedem Spiel kam ein Fax von Deng Xiao Ping, damals der starke Mann im Staat.

SZ: Chinas Modernisierer faxte Ihnen?

Schlappner: Der war Fußballfan. Und er schrieb ganz detailliert. Seine Kommentare waren "Gut gemacht!" oder "Warum habt ihr nicht öfter aufs Tor geschossen?" Er ließ von seinen Leuten mitzählen, wie oft wir aufs Tor schossen.

SZ: Was verdienten Spieler damals?

Schlappner: Etwa 1000 US-Dollar im Jahr. Das war viel Geld. Mein Dolmetscher zahlte für seine Wohnung weniger als zwei Euro - im Monat. Und es ging ja erst richtig los mit dem Fußball. Parallel bauten wir damals eine Profiliga auf. Bald gab es einen Zuschauerboom, mehrere zehntausend Besucher pro Spiel.

SZ: Und heute?

Schlappner: Die Spieler können in der Profiliga bis zu eine Million Dollar verdienen. Das ist zu viel, viele Talente verderben früh. Das Interesse an der Fußball-Liga flaut ab. Wegen der Wettskandale ist der chinesische Fußball sehr in Misskredit geraten, auch wenn die Behörden versuchen, dagegen vorzugehen. Als ich Ende 2009 das Spiel China gegen Libanon sah, zogen Finanzfahnder im Stadion Leute wegen Wettbetrug raus. Die Gewohnheiten sitzen halt tief.

SZ: Sie waren immer Fußballtrainer und Unternehmer, auch in China.

Schlappner: In dem Fall war das gar nicht geplant. Was schätzen die Chinesen an Deutschland am meisten? Fußball, Bier und Autos. Immer wieder bestürmten mich Leute, es müsse deutsches Bier geben. Das war eine Riesenchance, weil die Regierung die Märkte öffnete. Ich wandte mich an deutsche Brauereien. Aber die wollten abwarten. Das beobachtete ich öfter, dass deutsche Firmen zögern. Wie schade! Damals war China leicht zugänglich, heute ist die Konkurrenz knallhart. Tja. Ich habe es am Ende halt selbst gemacht: Schlappner-Bier, gebraut in meinem Auftrag.

SZ: Bier vom Nationaltrainer, um dessen Autogramme sich die Chinesen rissen. Was blieb da für Sie hängen?

Schlappner: Nicht so viel. Es gab Ärger mit der deutschen Firma, die das Bier für mich braute. Die füllten Frachtpapiere schlampig aus, die Ware blieb im Zoll hängen, die chinesischen Partner wollten nicht zahlen. Besser lief es mit Handelslizenzen für unseren Elektrobetrieb.

SZ: Sie waren erst Elektromeister und wurden erst spät Bundesligatrainer.

Schlappner: Die sechziger Jahre waren voll durchgeplant: Heiraten, Haus bauen, einen Sohn kriegen, noch einen Sohn und eine Tochter kriegen, Jägerprüfung, Meisterprüfung, eigener Betrieb.

SZ: Verstehe.

Schlappner: Die siebziger Jahre schafften meine Frau und ich voll durch. Das mit dem Trainer kam dann im Jahr 1979 eher zufällig.

SZ: Sie führten den Elektrobetrieb weiter, als Sie Bundesligatrainer wurden. Warum haben Sie sich den Stress angetan, in der Bundesliga wird gut gezahlt?

Schlappner: Ich wollte immer finanziell unabhängig vom Trainerjob sein. Zu anderen Trainern sagte ich: "Ich muss nicht Meister werden. Ich bin schon Meister."

SZ: Elektromeister. Warum war Ihnen die Unabhängigkeit so wichtig?

Schlappner: Ich habe erlebt, wie mein Vater aus Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Er war auf 40 Kilo abgemagert und zu mitgenommen für seinen früheren Job als Müller. Ich hatte das Gefühl, er müsse wie ein Bittsteller auftreten, wenn er Arbeit wollte. Diese Abhängigkeit sollte mir auf keinen Fall passieren.

SZ: Es heißt, dass Sie Ihre Spieler gerne kontrollieren, auch außerhalb des Fußballplatzes. Klingt sehr altmodisch.

Schlappner: Ich bilde meist junge Leute im Fußball aus, die gut spielen, aber vom Leben noch wenig Ahnung haben. Da ist es doch meine Verantwortung, mich um sie zu kümmern.

SZ: Geben Sie uns ein Beispiel.

Schlappner: Jürgen Kohler, einst bei Waldhof Mannheim, später Borussia Dortmund, Weltmeister 1990. Der kam als 17-Jähriger zu mir, wollte sich von seinem ersten Geld einen BMW kaufen. Da hab ich gesagt: Du fährst zu der Garage, da steht ein gebrauchter Ford, den nimmst du. Alles kommt nach und nach.

SZ: Klare Worte.

Schlappner: Ein anderer hatte ein notorisch überzogenes Konto. Ich sagte: Heute Nachmittag um drei liegen die Bankauszüge da. Es stellte sich heraus, dass mehrere Personen in seinem Umfeld Zugriff hatten und einfach abgehoben haben. Ich hab mit seinem Einverständnis das Konto für Dritte sperren lassen. Ich wusste alles, da konnte ich helfen.

SZ: Sie sagen, Sie legen sehr viel Wert auf Vertrauensbildung jenseits des Platzes. Ex-Bayern-Profi Sebastian Deisler beendete wegen Depressionen seine Karriere. Nationaltorhüter Robert Enke nahm sich im November aus demselben Grund das Leben. Kann ein Trainer so eine Entwicklung erkennen?

Schlappner: Es gibt drei Dinge, die die Leistung eines Spielers negativ beeinflussen: Geldprobleme, Eheprobleme oder eine Verletzung, die er verschweigt. Als langjähriger Trainer erstellt man ein Soziogramm des Spielers und der Mannschaft, dann bemerkt man Unterschiede im Verhalten. Wenn einer wenig über Freunde erzählt, nicht lacht und sehr verschlossen ist, dann muss man sich unbedingt die Mühe machen, herauszufinden, woran es liegt. Häufig kommen junge Spieler nicht damit klar, dass sie zu viel Geld verdienen. Man muss Spieler ansprechen oder mal in den Arm nehmen.

SZ: Bei Robert Enke waren die meisten Verantwortlichen überrascht.

Schlappner: Ich kannte Robert Enke seit er 15 Jahre alt war, von meiner Zeit als Trainer bei Carl Zeiss Jena. Er wurde früh hochgepuscht, ins Ausland transferiert und dann plötzlich in seiner Mannschaft nicht mehr aufgestellt. Er hat geheiratet, dann seine Tochter verloren. Der Mann ist sicher immer fachspezifisch auf dem Fußballplatz begleitet worden, aber offensichtlich nicht als Mensch. Sein Umfeld hat versagt!

SZ: Sie haben als Trainer mit Mannschaften aus China, Iran und gerade vor Weihnachten Nordkorea gearbeitet. Sammeln Sie Diktaturen? Hatten Sie nie ein schlechtes Gefühl dabei?

Schlappner: Ich mag doch keine Diktaturen. Der Sport ist eine Sache, die die Menschen viel schneller eint als andere Felder. Das ist eine Chance, die der Westen nutzen muss.

SZ: Sie zogen Kritik auf sich, weil sie in den Sechziger Jahren für die NPD kandidierten.

Schlappner: Das war mein Protest dagegen, wie die 68er die Republik in ihren Grundfesten verändern wollten. Meine Kandidatur war eine kurze Episode.

SZ: Ein dummer Fehler bleibt es.

Schlappner: Ich bin nach einem Jahr wieder ausgetreten. Ich hab keine Sympathien für Rechtsradikale.

SZ: Sie waren auch in der Mongolei. Was ist zu sagen über den Fußball dort?

Schlappner: Es gibt eine Liga, acht Mannschaften, keine Profis. Einige Spieler kamen mit dem Pferd zum Training.

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SZ vom 05.02.2010/cmue/tob
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