Reden wir über Geld: Graeter:"Die Feste gibt's nach wie vor"

Klatschreporter Michael Graeter über seine Haft in Landsberg, 40 Jahre Promi-Jagd und die Frage, worum es im Leben geht: Geld und Sex.

A. Hagelüken und H. Mühlauer

Michael Graeter parkt vor der Gaststätte der Münchner Großmarkthalle, auf dem Bürgersteig. Den schwarzen Jeep kaufte er vor zwölf Jahren in den USA, als Deutschlands bekanntester Klatschreporter noch ein Café am Strand von Santa Monica besaß. Inzwischen ist vieles anders: Graeter warf den hochbezahlten Job bei der Bunten hin. Er ist das Café in Santa Monica los, auch das in Schwabing. Zuletzt saß er acht Monate im Knast, weil er Sozialbeiträge für Mitarbeiter nicht rechtzeitig bezahlte. Jetzt ist der 65-Jährige in München-Moosach gemeldet, Glamourfaktor: null. Aber a bisserl was geht immer. Graeter schreibt für die Abendzeitung, wie ganz früher. Die Kellnerinnen der Gaststätte lächeln ihn an. Und nach vier Stunden Interview hat immer noch keiner seinen Jeep abgeschleppt.

Michael Graeter, Foto: Stephan Rumpf/SZ

"Nicht die Eckbank Merkel": Michael Graeter hat klare Standards, was den Klatschfaktor bestimmter Personen angeht.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf/SZ)

SZ: Herr Graeter, Sie sind Klatschreporter seit 40 Jahren ...

Michael Graeter: Mein Gott, wie das klingt! Machts mich nicht noch älter.

SZ: Sie haben von Brigitte Bardot bis Veronica Ferres über unzählige Leute ge-schrieben. Wer verwandelte in all der Zeit am geschicktesten seine Prominenz in Geld?

Graeter: Mei, inzwischen ist der Begriff Prominenz ja verkommen. Wenn ich heute meine Oma zehnmal ins Fernsehen bringe, dann bezeichnet sie diese blonde Friseuse von RTL schon als "Promi". Heute sind Fußnoten Schlagzeilen.

SZ: Wen meinen Sie damit?

Graeter: Eigentlich mag ich das gar nicht sagen, das ist immer Werbung für das Ballett der Unbekannten: Bohlen, Naddel, Verona Pooth ...

SZ: Frau Pooth vermarktet sich geschickt in der Werbung: Telefonieren, Spinat.

Graeter: Die hat nichts geleistet, außer dass sie mal mit Dieter Bohlen zusammen war. Aber weil die Medien ständig über die berichten, kommt die Werbung von selbst. Mein Verleger Werner Friedmann früher bei der Abendzeitung hätte mich rausgeschmissen, wenn ich so eine Null auch nur erwähnt hätte.

SZ: Früher, als alles besser war, enthüllten Sie die Liebesaffären wahrer Prominenter.

Graeter: Wie Brigitte Bardot und Gunter Sachs. 1966 rief mich ein Zöllner vom Flughafen Riem an, gerade sei der Sachs mit der Bardot angekommen. Ich sagte: Klar, und Napoleon mit Jeanne d'Arc. Er: Ich schwöre. Da hab ich im Gut Rechenau der Familie Sachs angerufen: Sagen Sie, ist der Herr Sachs schon da mit seiner französischen Begleiterin? Das Personal war schon ganz nervös. Ich raus mit meinem VW und dem Fotografen in den Wald vorm Gut. Auf einmal kommt ein schwarzer Mercedes Pullmann. Der Gunter Sachs fragt: "Was machst'n du da?" Und dann stieg der Riesenhase BB aus. Wir haben Fotos gemacht - und eingewilligt, erst zwei Tage später zu berichten.

SZ: Damit die zwei ihre Ruhe hatten.

Graeter: Ja. Nachdem ich ihre Liaison aufgeschrieben hatte, war der Wald voller Weltpresse. Paris Match, Bunte, France Soir, alle waren da. Du konntest jeden Baum schütteln und ein Fotograf flog runter.

SZ: Welche Promis finden Sie denn heute berichtenswerter als Frau Pooth?

Graeter: Was ist mit den jungen Ackermanns und Sixts? Die sind doch unterwegs im P1. Oder der Regisseur Florian Gallenberger. Spätestens seit seinem Oscar hätte ich erwartet, dass die Medien ihn jede Woche auftreten lassen.

SZ: Vielleicht mag er nicht.

Graeter: Das Terrain ist verbrannt, das stimmt schon. Die Gloria von Thurn und Taxis hat mir mal gesagt: Als du das gemacht hast, waren wir stolz, in der Zeitung zu stehen. Aber wir wollen nicht in einem Atemzug mit diesen Dschungelcamp-Bewohnern genannt werden.

(Die Kellnerin bringt Weißwürste.)

Graeter: Sie waren ja beim Friseur.

Kellnerin: (strahlt, als säße vor ihr George Clooney) Nein, war ich nicht.

Graeter: Steht man so auf?

Kellnerin: Ja, so steht man auf.

Graeter: Was is'n des für a Bett?

Kellnerin: Mei, wenn man allein drin schlaft. (Beide grinsen und zwinkern).

SZ: Sie haben mal gesagt, das Leben bestehe aus zwei Säulen: Geld und Sex. In welcher Beziehung stehen die beiden?

Graeter: Für mich ist das ein Verstehraster. Wenn ich mich frage, wieso ist die mit dem oder der mit der zusammen, komme ich zu dem Schluss: Da geht's um Sex, weil da ist kein Geld. Oder: Da geht's um Geld. Manchmal gibt's das auch zusammen, aber nicht so häufig. Die Liebe ist die schönste Illusion von allen, aber eben eine Illusion. Im Leben geht es nur um Geld und Sex, um sonst nichts.

SZ: Klingt ja desillusioniert. Gibt es die meisten Prominenten-Beziehungen wegen Sex oder wegen Geld?

Graeter: Der Sex läuft mit dem Geld mit. Im Grunde ist das Geld das fatale Korsett der Menschheit. Wenn ich in Arizona eine Hütte habe mit Kühen und Hühnern, brauche ich kein Geld. In der Zivilisation schon. Da kann ich der Kellnerin noch so schöne Augen machen, die Zeche muss ich bezahlen.

SZ: Sie kamen vergangenen Herbst aus dem Knast. Brauchen Sie Geld?

Graeter: (lacht) Dringend. Habts was?

SZ: Sie sollen als Klatschreporter bei Bild und Bunte 35000 Mark im Monat verdient haben. Wo ist das hin?

Graeter: Bei der Bunten war's ein bisserl mehr. Da stand ein Vierer davor.

SZ: Inklusive Spesen?

Graeter: Die Spesen kamen dazu! Ich hab ja auch sehr viele Nachrichten gebracht, alles frische Ware. In meinem Vertrag stand ein wunderbarer Satz: Das Reisemittel bestimmt Graeter selbst. Also nahm ich First Class. Als mich der Chefredakteur Günter Prinz einmal in der Holzklassse erwischte, sagte er: Hier sitzt doch nicht dein Klientel.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wo das ganze Geld von Michael Graeter geblieben ist - und warum seine Zeit in Berlin ein Reinfall war.

"Berlin hat mir sehr weh getan"

SZ: Also, wo ist das ganze Geld hin, das Sie verdient haben?

Graeter: Was soll ich sagen, es ist weg. Ich habe es in meine Cafés und Kinos gesteckt.

SZ: Und scheiterten grandios. Sind brillante Journalisten lausige Geschäftsleute?

Graeter: Das "Extrablatt" in der Leopoldstraße lief 20 Jahre super, bis ich es verkauft habe. Bei dem Cafe in Santa Monica kam mir ein Erdbeben dazwischen. Und mei, das Restaurant in Berlin war halt ein Fiasko.

SZ: Wie viel haben Sie da versenkt?

Graeter: (zeigt drei Finger)

SZ: Drei Millionen Mark?

Graeter: (nickt)

SZ: Berlin scheiterte, weil sich die Münchner Leopoldstraße nicht auf die Spree übertragen lässt.

Graeter: Schmarrn! Ich war einfach zu gut, das Restaurant zu edel. Ein italienischer Koch kam mal zu mir und sagte nach neun Minuten: "Michele, wie willst du denn hier Geld verdienen? Schau doch mal die Schuhe von den Leuten an und ihre verbissenen Gesichter." Da hab ich mir gedacht: Mei Bua, was sagst du da Kluges! Ich brauchte für diese Erkenntnis leider neun Monate. Berlin hat mir sehr weh getan.

SZ: Wären Sie in München geblieben...

Graeter: ...wär ich ein reicher Mann.

SZ: Zuletzt mussten Sie im Gefängnis sitzen, weil Sozialbeiträge für Mitarbeiter nicht rechtzeitig bezahlt wurden.

Graeter: Wegen einer Kette von Lappalien haben die mir fast ein Jahr meines Lebens gestohlen! Ich musste in Landsberg in Adolf Hitlers Zelle sitzen. Sie schauen aus dem Fenster, sehen einen blauen Himmel und dürfen nicht raus. Ich habe gedacht, ich sterbe. Davon habe ich immer noch Rückblenden.

SZ: Waren Sie deshalb mal beim Psychologen?

Graeter: Na.

SZ: Sie waren immer ein großer Fan von Franz Josef Strauß und der CSU. Wegen der CSU sind die Gefängnisse in Bayern strenger.

Graeter: Sie sind die schlimmsten in der ganzen Bundesrepublik!

SZ: Da haben Sie die Kehrseite von dem, was Sie immer so toll fanden.

Graeter: Wäre Strauß noch da, wäre ich nicht in Hitlers Zelle gelandet. Ich wandte mich letztes Jahr an Huber und Beckstein, aber umsonst.

SZ: Welchen Politiker finden Sie heute klatschfähig?

Graeter: Jedenfalls nicht die Eckbank Merkel. Guttenberg dagegen ist auf dem besten Weg. Gutes Material. Seehofer find ich auch nicht schlecht, wenn er nicht ganz so links wäre. Die Frauen können sich den auch gut im Bett vorstellen, weil er die Haare wie der Kennedy trägt. Der Seehofer hat so Haare, wo man reingreifen kann - Frauen denken so.

SZ: Lässt sich mit Klatsch noch Geld verdienen, seit alles umsonst im Internet ist?

Graeter: Wie die Eitelkeit, der Tod und die Liebe ist auch der Klatsch zeitlos.

SZ: Aber die Auflagen der Boulevardblätter schrumpfen, Magazine wie Park Avenue und Vanity Fair sterben.

Graeter: Die Magazine hatten zu viele Männer auf dem Titelblatt. Da müssen Frauen drauf!

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Ob Michael Graeter auf seine Sprüche stolz ist - und was Geld seiner Meinung nach mit den Leuten anstellt .

"Geld macht die Leute frech"

SZ: Auf Ihre Sprüche sind Sie bestimmt stolz. Auch auf "Ich brauche keinen Porsche, ich habe einen Penis"?

Graeter: Oh, das tat mir hinterher leid, weil mein Nachbar in Bogenhausen ja der Wolfgang Porsche war. Ein netter Typ.

SZ: Möchten Sie heute einen Porsche?

Graeter: Ich würde gerne diesen Familienporsche Panamera fahren.

SZ: Michael Graeter wünscht sich einen Familienporsche! Wenn Sie an Ihre Prominentengalerie denken: Was macht das Geld aus den Menschen?

Graeter: Geld macht die Leute frech. Viele sind unausstehlich.

SZ: Zum Beispiel?

Graeter: Es gibt Leute, die man vom Wegschauen kennt, wie den abgelegten Ehemann der Schauspielerin Ferres. Außerdem gibt es viel falschen Glanz, so wie dieses Glas, das aussieht wie Kristall.

SZ: Die Societywelt ist hohl?

Graeter: Manches schon. Was schlimm ist, wie manche mit ihren Kindern umgehen. Aber jetzt keine Namen.

SZ: Reden Sie mit Ihrer Frau über die Arbeit?

Graeter: Nein. Meine Frau hat noch nie eine einzige Zeile von mir gelesen. Genauso wenig meine Mutter. Die war so enttäuscht, dass ich in diesem schaurigen Gewerbe begonnen habe. Die wollte doch einen Akademiker.

SZ: Wie viele Ehen haben Sie zerstört?

Graeter: Meine Story über Prinz Ernst August und Caroline von Monaco hat sicher die Zerstörung einer Ehe beschleunigt. Er hat mich nie verklagt.

SZ: Die wildeste Party Ihres Lebens?

Graeter: Mit Helmut Berger im Hotel Vier Jahreszeiten. Da sind die Leute wie Tarzan und Jane von Lampenschirm zu Lampenschirm gesprungen. Nachher war in der Suite nix wie vorher. Er musste 90.000 Mark Umbaukosten zahlen.

SZ: Wie haben sich die Partys verändert? Gibt es noch rauschende Feste?

Graeter: Die Feste gibt's nach wie vor. Nur: komplett ohne Medien. Die Henkel-Erbin feierte erst auf der Praterinsel ihren Geburtstag. Da waren alle da, Günter Netzer, Gunter Sachs und so weiter.

SZ: Sie sind nicht mehr eingeladen?

Graeter: Doch, aber mit der Bitte, nicht darüber zu schreiben. Das kann ich nicht, das ist eine Qual. Deshalb gehe ich lieber nicht hin und frage am nächsten Tag fünf Gäste aus, dann habe ich die Geschichte auch.

SZ: Wie viele Nummern haben Sie im Handy?

Graeter: 1600.

SZ: Und wie viele Ihrer Kontakte sind unter 40 Jahre alt?

Graeter: Viele. Zu mir hat noch keiner gesagt: Husch, ab ins Grab mit dir.

SZ: Sie tun immer so cool. Aber auch Ihnen hat man mal das Herz gebrochen, oder? Anfang der 70er Jahre waren Sie doch mit Hannelore Elsner zusammen.

Graeter: Sie war in München, ich in Paris. Sie war ständig eifersüchtig. Dabei habe ich in Paris nur den Eiffelturm bestiegen. Hat sie mir aber nicht geglaubt. Da bin ich zurück. Und dann erwischte ich sie mit einem anderen Mann. Da bin ich weg, über die Dächer. Zu meinen Eltern.

SZ: Und die nächste Beziehung?

Graeter: Danach gab es erstmal lange keine richtige Beziehung mehr, nur Affären.

SZ: Ein seelisch verwundeter Klatschreporter. Waren Sie deshalb mal beim Psychologen?

Graeter: Na!

SZ: Sie mögen nicht psychologisieren.

Graeter: Des hass ich.

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