Reden wir über Geld (12): Gerhard Polt:"Geld kann Aids bekommen"

Gerhard Polt und die Biermösl Blosn über die Finanzkrise, stinkende Rollmöpse in der Bank und Erfahrungen als Schnapsverkäufer.

Harald Freiberger, Alexander Hagelüken und Hannah Wilhelm

Auf einer Kommode in Gerhard Polts Münchner Wohnung steht eine Postkarte mit dem Spruch von Karl Valentin: "Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist." Der Hausherr empfängt im Sitzen, er hat sich den Fuß verknackst. Beim Treppensteigen! Um den Tisch im Wohnzimmer haben sich seine drei Bühnenpartner von der Biermösl Blosn versammelt: Hans ("Hansi"), Michael ("Michal") und Christoph ("Stofferl") Well. Alle warten auf die Weißwürste.

Reden wir über Geld (12): Gerhard Polt: "Wein ist die beste Geldanlage": Kabarettist Gerhard Polt.

"Wein ist die beste Geldanlage": Kabarettist Gerhard Polt.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Lieber Herr Polt, liebe Biermösl Blosn, reden wir über Geld.

Gerhard Polt: Das ist natürlich ein Thema wie Glaube, Liebe, Hoffnung. Da kannst dir Zeit lassen. Das geht ja zurück bis in die frühesten menschlichen Kulturen. Da reden wir von 8000 Jahren vor Christus. Rein philosophisch geht es um die Frage, hab ich es, das Geld, oder hat es mich?

SZ: Und?

Polt: Ich weiß es nicht. Es gibt so absurde Seiten. Eine Frau, deren Mann ein fremdes Kind totgefahren hat, hat mir einmal erzählt, dass die Versicherung für das Kind 180.000 Mark gezahlt hat. Das wär so der Wert, an dem man das Kind dingfest machen kann. Und, hat sie gesagt, die Eltern hätten natürlich mehr wollen, eine Million. Aber bei der Versicherung wär der Wert eben festgeschrieben, genauso wie wenn ich einen Hax verlier oder einen Finger. 180.000 Mark - mehr gibt's nicht für ein überfahrenes Kind.

SZ: Geld macht unmenschlich?

Polt: Es hat auch was mit Nekrophilie zu tun. Menschen wenden ihre Liebe toten Dingen zu. Wie dem Geld. Ich kann des schon verstehen: Ein Mensch oder ein Tier kann einem ja weglaufen. Das Geld nicht. Ein Auto auch nicht. Die ganze Autoindustrie spekuliert auf diese Nekrophilie.

SZ: In Ihren Kabarett-Programmen geht es oft um Geld. Aus welchen Erfahrungen kommt das?

Polt: Einmal lernte ich einen Bankmenschen kennen. Ich fragte ihn: Und sonst geht's gut? Er sagte: "Ja, aber ich sitz auf einem heißen Stuhl. Ich soll möglichst viele Kredite vergeben. Aber die Leute, die unbedingt einen Kredit haben wollen, die werden ihn nicht zurückzahlen. Bei denen sagt man schon vorher: Ui ui ui. Und die, denen ich unbedingt einen Kredit geben will, die brauchen gar keinen."

SZ: Klingt, als hätte der Mann schon damals den Kern der heutigen Finanzkrise getroffen.

Polt: Ehrlich, ha?

Stofferl: Eines unserer Programme hat Diridari geheißen, also bayerisch für Geld. Es ist schön, wie der Bayer sprachlich mit Geld umgeht. Diridari, das klingt wie Larifari.

Hansi: Bei Diridari sind wir von der Vorstellung ausgegangen, dass Geld arbeitet und sich vermehrt. Wir haben über eine Orgie im Tresor gesungen.

Polt: Die Geldscheine haben kopuliert.

Hansi: Und natürlich können sie auch Aids bekommen. Dann sind sie infiziert, so wie derzeit in der Finanzkrise das Geld von der BayernLB.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Hansi Well heute nicht im Aufsichtsrat der BayernLB sitzt.

"Geld kann Aids bekommen"

SZ: Was die bayerische Staatsregierung vermurkst, zieht sich durch Ihre Programme. Mega Petrol, Schneider, BayernLB - lauter Affären, in die der Staat verwickelt war und bei denen Anleger oder Steuerzahler die Zeche zahlten.

Hansi: Ich wollt mich für die Kleinanleger bei Schneider in den Aufsichtsrat wählen lassen. Aber der Konkursverwalter hat mich abgelehnt.

Polt: Eine zentrale Frage ist: Wer haftet? Wir haben da mal eine Szene drüber gemacht mit dem Herrn Rösner, den spielte der Hansi. Er übernimmt für alles die Verantwortung: das Waldsterben oder wenn ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt. Wahrscheinlich wäre das psychologisch gut für das Volk, wenn es jemanden gäbe, so eine Art Popanz, der sich hinstellt und wo man sagen kann: Er war's.

Hansi: Jawoll, ich war's.

SZ: Und wer zahlt's?

Polt: Das ist die andere Frage. Jede chemische Reinigung muss eine hohe Versicherung abschließen für den Fall, dass sie die Umwelt schädigt. Eigentlich müsste das jeder Landrat und Bürgermeister. Wie hoch ist der Beitrag für die Staatsregierung, wie groß für Unterfranken? Da müssten sie ganz schön rechnen bei der Allianz.

Stofferl (aus der Küche): Die Weißwürscht sind warm, seid's Ihr bereit?

Polt: Ich bin innerlich aufgeschlossen. Stofferl: Hast du Weißbier?

Polt: Na. Ich hab gar nix da. Bloß Wein. (Betretenes Schweigen)

SZ: Sie treten seit 30 Jahren auf und protestieren gegen CSU, Gewerbegebiete, Umweltzerstörung. Was hat's gebracht?

Polt: Ja mei.

Hansi: Ich weiß noch gut, wie wir gegen die Startbahn 1 des Münchner Flughafens im Erdinger Moos gespielt haben. Inzwischen wollen sie die Startbahn 3.

Polt: Er will damit sagen, dass alles, gegen was wir protestieren, auf alle Fälle durchgesetzt wird.

Stofferl: Das stimmt nicht, die WAA Wackersdorf, der Transrapid! Und: Wir sind nicht krank geworden, weil wir immer das gesagt haben, was uns stört. Und im Publikum sind vielleicht auch manche nicht krank geworden.

SZ: Viele Bayern sind zufrieden mit der Modernisierung des Freistaats.

Polt: Am Rockzipfel meiner Kindheit habe ich die agrarische, handwerklich geprägte Zeit noch mitbekommen. Meine Frau kommt aus der Nähe von Cham, ich sehe das alles noch vor mir: die Misthaufen, in einem Bauernhof lief ein Rinnsal durch die Küche, das nur von einem Brett abgedeckt war.

SZ: Ein Rinnsal vom Misthaufen?

Polt: Nein, Frischwasser vom Bach. Das waren wirklich arme Hunde. Und dann kam der Zivilisationsumschwung: Wenn so ein Bauer mit einem Sachl, einem kleinen Hof, auf einmal Lkw-Fahrer werden durfte, da fühlte er sich wie ein König.

SZ: Also ging es durch die CSU wirtschaftlich aufwärts?

Hansi: Ja klar, war ja keine andere Partei net da.

Polt: Es is scho a Wahnsinn, was die sich teilweise leisten können. Da hat der Otto Wiesheu damals im Vollrausch den Rentner totgefahren, und sie machen ihn nachher ausgerechnet zum Verkehrsminister!

Michal: Jetzt ist er bei der Bahn und verdient Geld wies Heu. Wies Heu!

SZ: Wie lange regiert die CSU noch?

Hansi: Drei Millionen Jahre. Bis die Welt halt untergeht. Durch den Klimawandel kann's allerdings auch schneller gehen.

Lesen Sie im dritten Teil, warum für Hansi Well Kinderarbeit völlig normal ist.

"Geld kann Aids bekommen"

SZ: Im Buch "Hundskrüppel" über Ihre Kindheit beschreiben Sie, Herr Polt, Ihren ersten antikapitalistischen Akt: Wie Sie in einer Bank in der Münchner Amalienstraße einen Rollmops hinter der Fußleiste versteckt haben...

Polt: Der Bankchef war so eine unangenehme Erscheinung. Die Eltern meines Spezls hatten aus Ungarn Forint mitgebracht, und wir wollten wissen, wie viel sie wert sind. Da hat er gesagt, wir sollen uns schleichen. Wir haben uns gerächt. Es hat in der Bank furchtbar zu stinken angefangen. Sie haben lange gesucht.

Stofferl: Also stinkt Geld doch!

SZ: Teilen Sie die Einnahmen bei Ihren Auftritten durch vier?

Stofferl: Das ist Betriebsgeheimnis. Aber der Gerhard wird mit Naturalien bezahlt. Darum hab ich heut die Weißwürscht mitgebracht. Gell, Gerhard?

Polt: Ja, ich bin sehr zufrieden.

Michal: Wir schauen, dass wir die Preise für die Auftritte einigermaßen niedrig halten, weil ich mich selber noch gut erinnern kann, wie das ist, wenn man sich kein Kino oder Theater leisten kann.

SZ: Bei den Wells zu Hause waren Sie ja 15 Kinder. Wie konnte Ihr Vater Sie mit einem Lehrergehalt durchfüttern?

Stofferl: Kindergeld.

Michal: (gleichzeitig) Kinderarbeit.

SZ: Das waren jetzt zwei Antworten.

Stofferl: Ich hab immer schon Geld gekriegt, vom Vater hab ich nie wirklich einen Pfennig gebraucht.

Hansi: Der Stofferl war der Raffinierteste. Wenn wir Schokolade gekriegt haben, hat er draufgespuckt, damit es die anderen Geschwister nicht mehr mögen.

Stofferl: Ich war halt der Kleinste und musste schauen, wo ich bleib.

Hansi: Wenn die ganze Familie mit Volksmusik aufgetreten ist, hat er sich mit unserem Bruder Karli kurz vor dem Ende von der Bühne geschlichen, an den Ausgang gestellt und die Zehnerl und Fuchzgerl kassiert. Der Vater hat nie für einen Auftritt Geld verlangt, das fand er unanständig. Wenn ihn der Veranstalter fragte, hat er gesagt: "Gebt's uns halt das Benzingeld." Die Bedürfnisse waren nicht so groß auf dem Dorf. Aber wenn aus unerklärlichen Gründen beim Bauern eine Sau gestorben ist, hat der Lehrer profitiert.

Polt: Man konnte damals mit weniger leben. Es gab Plätze, da saßen Rentner stundenlang und bestellten mal ein Bier und nach vier Stunden wieder eins, zum Beispiel in München im Café Neumayr am Viktualienmarkt. Diese Nischen gibt es heute nicht mehr. Da fragt man sich: Wie geht die Gesellschaft mit den Menschen um?

Lesen Sie im vierten Teil, wieso Kleinsparer Gerhard Polt lieber in Wein investiert, als in Aktien.

"Geld kann Aids bekommen"

SZ: Herr Polt, wann war bei Ihnen das Geld knapp?

Polt: Ich habe in Göteborg Schwedisch studiert, mit wenig Geld. Ich habe zum Beispiel in Cafés aus einer Tasse Kaffee zwei gemacht, indem ich die Untertasse auch gefüllt habe. Und ich hab irre Jobs gemacht, zum Beispiel Nachtwächter.

Stofferl: ...und aufm Schiff.

Polt: Im Bauch einer Fähre habe ich Schnapsflaschen sortiert. Als jemand an Deck ausfiel, bin ich aufgestiegen und durfte an die Schnapsboutique.

Stofferl: Die Gschicht musst noch erzählen.

Polt: Also, es kam ein riesiger Mann an die Boutique und wollte noch eine Flasche Gordon's Gin. Die Boutique aber hatte schon geschlossen, mein Chef sagte zu dem Mann: "Hau ab". Da fiel er auf die Knie, brach in Tränen aus und rief: "Seid ihr keine Christenmenschen?" Natürlich war er angedonnert (macht Trinkbewegung). Später kam ein Kind, weinte und fragte, ob wir seinen Vater gesehen haben. Es beschrieb ihn, und wir wussten, dass es der Mann war. Und noch später kam eine Lautsprecherdurchsage: "Mann über Bord." Da warf mein Chef seinen Bleistift in die Ecke und fluchte: "Kruzifix, (laut) Kruzifix, schon wieder eine halbe Stunde." Wenn jemand über Bord gegangen war, musste ein Schiff laut Vorschrift eine halbe Stunde nach ihm suchen. Wir haben ihn nicht gefunden. Es war der Mann, der den Gin wollte.

SZ: Sie haben nach dem Studium bis 35 als Lehrer und Dolmetscher einen bürgerlichen Beruf gehabt.

Polt: Ich wollt' nie was werden.

SZ: Haben Sie mal in einem Projekt viel Geld versenkt?

Polt: Meine Filme "Kehraus", "Herr Ober" und "Germanikus" waren alle keine großen kommerziellen Erfolge, beim letzten ging sogar viel Geld verloren. Aber Gott sei Dank war ich an der Finanzierung nicht selbst beteiligt.

SZ: Sind Sie reich?

Polt: Mei, reich. Vielleicht reich an Erfahrung. Ich bin, wie es im Lateinischen heißt, "bene stante", also, es geht mir gut. Mir gehört mein Haus am Schliersee und die Wohnung hier.

SZ: Nicht so viel für einen bekannten Künstler. Wie legen Sie Ihr Geld an?

Polt: Ich bin der klassische Kleinsparer, nur normale Anlagen.

SZ: Besitzen Sie Aktien?

Hansi: Ich hab was in Wind- und Solarenergie angelegt. Ok, und bei Cargolifter hab ich 20.000 Mark verloren.

Polt: Ich hab keine Aktien. Eigentlich bin ich der Meinung, dass Wein die beste Geldanlage ist. So ein schöner Barbera d'Asti.

SZ: Und dann wieder verkaufen?

Polt: Nein, nein. Es ist auch so schön: Man geht in den Weinkeller, er reift, man grüßt ihn, man kennt ihn schon.

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