Reden wir über Geld: Gerhard Berger:"Aha, der Herr Sohn hat zu viel Zeit"

Als Formel-1-Fahrer wurde er nie Weltmeister, verdiente aber immer prächtig. Gerhard Berger über Gehaltsverhandlungen, Fast-Pleiten und die Frage, wie er sich um den Militärdienst drückte.

Fabian Heckenberger, René Hofmann und Angelika Slavik

Gerhard Berger, 51, ist immer noch ziemlich flott unterwegs: Mit seinem BMW X6 kommt er fast zwei Stunden vor dem vereinbarten Termin zum Interview. Als Formel-1-Rennfahrer ist der Österreicher nie Weltmeister geworden, gehörte aber immer zu den bestverdienenden Piloten. Zeit zu fragen, wie er das gemacht hat.

Ehemaliger Formel-1-Pilot Gerhard Berger redete bisher nie öffentlich über Geld. Für uns bricht er sein Schweigen.

Gerhard Berger: Jeder junge Fahrer, der in die Formel 1 will, muss etwas mitbringen.

(Foto: AFP)

SZ: Herr Berger, reden wir über Geld.

Gerhard Berger: Ich rede nie öffentlich über Geld, mein ganzes Leben lang nicht.

SZ: Dann wird's ja Zeit. Wie viel mussten Sie 1984 bezahlen, um in die Formel 1 zu kommen?

Berger: Ich hatte Glück. Es blieb am Ende sogar noch was für mich übrig. Jeder junge Fahrer, der in die Formel 1 will, muss etwas mitbringen. Das ist heute noch so. Ich organisierte für das ATS-Team BMW-Motoren und brachte die Skifirma Atomic als Sponsor. Da war auch was für mich drin. Der Chef meinte, er sollte mir wohl gleich die ganze Vermarktung übertragen.

SZ: Woher kam Ihr Geschick?

Berger: Ich hatte das früh daheim mitbekommen. Mein Vater war ursprünglich Fernfahrer gewesen. In den sechziger Jahren fing er mit dem Handeln an: Wir hatten einen Fahrzeugladen, Lkw-Werkstätten, eine Spedition. Aber eigentlich hat er mit allem gehandelt. Manchmal war das lustig: Da hat er ein Auto verkauft und dafür einen Dampfstrahler in Zahlung genommen. Am nächsten Tag war der Dampfstrahler weg, dafür hatten wir plötzlich ein Pferd.

SZ: Hat Ihr Vater mit Ihnen auch gehandelt?

Berger: Wenn ich ein Fahrrad wollte, hat er gesagt: Kannst du dir das leisten? Nein. Gut, ich leih' dir das Geld. Ich habe mir also das teure Rad gekauft und irgendwann weiterverkauft. Ich dachte, ich habe ein gutes Geschäft gemacht - bis mir mein Vater die Zinsen und die Inflation in Rechnung gestellt hat! Das war nicht nett, aber heute weiß ich, warum er es gemacht hat.

SZ: Spielte die Aussicht darauf, viel Geld zu verdienen, eine Rolle bei Ihrer Entscheidung: Ich werde Rennfahrer?

Berger: Ja und nein. Ich wollte Automechaniker werden, obwohl mein Vater davon geträumt hat, mich auf eine höhere Schule zu schicken. Aber das hat mich null interessiert. Und wenn du anfängst, an Motoren zu arbeiten, dann willst du sie auch frisieren und sie bewegen. Jeden Abend war ich mit dem Motorrad auf der Straße. Mein erster Rennwagen war ein Alfa, der verschrottet werden sollte.

SZ: Wie fand Ihr Vater das?

Berger: Schrecklich. Wenn er mitbekam, dass ich an einem Rennen teilgenommen hatte, hat er gesagt: Aha, der Herr Sohn hat zu viel Zeit! Wir brauchen mehr Arbeit für ihn! Als ich 18 war, hat er mir eine Konkursfirma gekauft. Plötzlich hatte ich zehn Lastwagen und 20 Mitarbeiter. Das war an sich toll. Nur: Mit dem Rennsport ließ es sich nicht vereinbaren, das wusste er genau. Erst als ich in die Formel 1 kam, fing der Sport an, ihn zu interessieren. Da hat er gefragt: Was kann man denn da verdienen? Bald sah er mit seinem Betrieb im Vergleich zu meinem Gehalt schlecht aus.

SZ: Sie haben sozusagen Ihre Bilanzen verglichen?

Berger: Genau. Meistens an Weihnachten, nach der Bescherung.

SZ: Hatten Ihre Eltern Angst um Sie?

Berger: Schon, es gibt ja viele Fahrer, die den Sprung in die Formel 1 nicht schaffen und dann Schulden haben ...

SZ: So war die Frage nicht gemeint.

Berger: Ach so, Sie meinen Angst um mein Leben? Meine Mutter hatte Angst. Mein Vater nicht. Der war doch sehr, sagen wir: geldorientiert. Außerdem war er daran gewöhnt, mich regelmäßig bei der Polizei oder im Krankenhaus abzuholen.

SZ: Warum das?

Berger: Ich bin in Tirol aufgewachsen, auf dem Land, ich habe mit dem Autofahren nicht bis zum Führerschein gewartet. Das war eine recht freie Kindheit. Fast wie im Wilden Westen.

SZ: Sie sind in der Formel 1 schnell aufgestiegen, fuhren bald bei Ferrari. Wie war das, mit Enzo Ferrari zu feilschen?

Berger: Beim ersten Vertrag hat er mich über den Tisch gezogen.

SZ: Dabei gelten Sie doch als gewiefter Verhandler.

Berger: Gegen den Alten hatte ich keine Chance. Er hat gleich gefragt: Wenn wir uns einigen, können Sie sofort unterschreiben? Ich nickte, da wusste er: Der hat keinen Manager. Man muss sich meine Lage vorstellen: Ich war ein Tirolerbub, der keine Fremdsprache sprach und drei Jahre zuvor noch in der Schmiergrub'n Lkw-Kupplungen getauscht hatte. Ferraris kannte ich nur von Postern. Und nun sollte ich für die Formel 1 fahren. Das hätte ich auch umsonst getan.

SZ: Wie viel hat er Ihnen bezahlt?

Berger: 750.000 oder eine Million Dollar in den ersten beiden Jahren, ich weiß es nicht mehr genau. Als der Vertrag auslief, habe ich Revanche genommen.

SZ: Was war Ihr bester Vertrag?

Berger: Am lustigsten waren die Verhandlungen mit McLaren-Teamchef Ron Dennis, als ich dort mit Ayrton Senna fuhr. Senna und ich waren Freunde, wir haben beim Verhandeln Pingpong gespielt. Als sein Vertrag auslief, wusste ich, da kann ich auch meinen aufstocken. Wir waren auf einem Boot vor Sardinien, als Senna mich fragte: Wie viel soll ich verlangen? Ich sagte, 20 Prozent mehr ist frech, das wird er dir nicht geben. Verlang 50 Prozent, dann glaubt er, du hättest andere Optionen. Am nächsten Morgen sagte Senna: Ich werde das Doppelte verlangen.

SZ: Und? Hat's funktioniert?

Berger: Es war ein langes Gezerre. Ein paar Tage vor dem ersten Saisonrennen lag Senna noch in Brasilien auf der Couch und ließ ausrichten, wenn er nicht bekomme, was er verlange, mache er eben Urlaub. Dann haben sie ihn einfliegen lassen und zunächst nur für das erste Rennen bezahlt, anteilig. So ging das die ganze Saison - und am Ende hatte er verdient, was er verlangt hatte. Das war auch ziemlich gut für mich.

SZ: Die Formel 1 gilt als Glamoursport. Wie wichtig ist es, die Rivalen bei den Statussymbolen zu übertreffen?

Berger: Das bringt das Geschäft mit sich: das Rennen, die Party, schöne Autos, Flugzeuge. Ein Typ wie ich kostet so etwas bis zum Letzten aus. Eine Zeit lang war das wie im Paradies. Heute sehe ich das anders. Das Problem ist, dass der Wettbewerb nie aufhört: Wenn ich mir einen Jumbo kaufe, kauft sich ein anderer zwei und lässt sein Gepäck extra fliegen.

SZ: Haben Sie Vorbilder, die nicht viel Geld verdienen?

Berger: Ich habe Freunde, die oft tagelang in die Berge gehen, dort nur zusammensitzen und einen guten Schmäh haben. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, denke ich mir oft: So willst du auch sein! Aber das bekomme ich auf Dauer nicht hin. Das gibt mir manchmal zu denken.

SZ: Womit verdienen Sie heute Geld?

Berger: Wie früher, ich verkaufe Dinge: Immobilien, Autos, einen Flieger, ein Boot. Und ich habe den Familienbetrieb, den ich nach dem Tod meines Vaters 1997 übernommen habe.

SZ: Ein Logistikunternehmen, das zwischenzeitlich vor der Pleite stand.

Berger: Wir hatten mal Probleme, stimmt. Aber heute läuft der Laden, Red Bull ist mit 50 Prozent beteiligt. Wir machen 100 Millionen Euro Jahresumsatz.

"Ich konnte nicht neun Monate durch den Schlamm rutschen"

SZ: Was war Ursache der Probleme?

Berger: Schlechtes Management. Als mein Vater starb, war ich ja noch Rennfahrer. Da habe ich den Laden Leuten überlassen, die sich kümmern sollten. Dass das nicht läuft, habe ich erst kapiert, als es fast zu spät war. Heute treffe ich die strategischen Entscheidungen. Wenn man eine Firma hat, muss man richtig drauf schauen, das habe ich gelernt.

SZ: Klingt aber nicht, als wären Sie Spediteur aus Leidenschaft.

Berger: Mein Vater starb bei einem Flugzeugabsturz, er hat diese Firma aufgebaut. Deshalb, und weil sie dort steht, wo ich aufgewachsen bin, habe ich eine besondere emotionale Bindung an dieses Unternehmen. Aber natürlich fließt da nicht mein ganzes Herzblut rein. Man wird nicht reich in diesem Geschäft, es geht um ganz geringe Margen. Aber ich stand plötzlich da mit diesem Unternehmen und irgendwann kommt dann der Ehrgeiz. Da denkt man sich: Gut, wenn ich es schon habe, dann soll es gut laufen.

SZ: Die Formel 1 würde Sie als Geschäftsfeld mehr reizen?

Berger: Sie reizt mich, keine Frage. Aber im Moment ist sie im Wesentlichen nur für Bernie Ecclestone ein gutes Geschäft, der die Rechte vermarktet.

SZ: Sie könnten Ecclestone beerben. Der Mann ist achtzig.

Berger: Reizvoll, aber Bernies Schuhe sind mir wirklich zu groß. Eigentlich suche ich keinen Job. Aber es gibt Tage, an denen mir der Motorsport fehlt.

SZ: Sie wohnen seit 1987 in Monte Carlo. Haben Sie mal ausgerechnet, wie viel Steuern Sie so gespart haben?

Berger: Ach, so viel kann das nicht gewesen sein (lacht). Aber ich bin damals nicht nur deshalb dorthin gezogen, sondern auch wegen des Militärs.

SZ: Wegen des Militärs?

Berger: Das österreichische Bundesheer wollte mich zum Wehrdienst einziehen. Ich hatte das ein paar Mal verschoben, aber irgendwann war das ausgereizt. Da war ich Mitte zwanzig und hatte einen Vertrag mit Ferrari. Ich konnte nicht neun Monate durch den Schlamm rutschen, da wäre mein Cockpit weg gewesen. Also bin ich weg aus Österreich. Obwohl sich die Sache dann doch anderweitig regeln ließ.

SZ: Was heißt denn "anderweitig"?

Berger: Machen Sie aber jetzt nicht so eine große Sache draus, ja? Ganz Österreich hat das diskutiert, furchtbar. Die Kurzfassung lautet: Irgendwann war ich untauglich und die Sache vom Tisch.

SZ: Sie haben als Leistungssportler Millionen verdient und wurden als untauglich eingestuft?

Berger: Immerhin werden ein paar meiner Wirbel mit Schrauben zusammengehalten, das darf man nicht vergessen (grinst). Jedenfalls gab es damals eine Diskussion im Fernsehen, ich war eingeladen und der Verteidigungsminister auch. Das sollte eine harte Konfrontation werden, aber vor der Sendung flüsterte der Minister, wir sollten uns nicht bekriegen, dann würden wir uns schon einigen. Also habe ich während der Sendung die Klappe gehalten, alle waren ganz irritiert. Aber wenig später hat man, sagen wir, meine Untauglichkeit erkannt.

SZ: Nach Monaco gezogen sind Sie dann aber trotzdem. Ihre Kinder wachsen nicht auf wie im Wilden Westen, sondern in einer Enklave für Superreiche.

Berger: Das stimmt, damit hadere ich auch manchmal. Aber es sind Mädchen - für den Ankauf und Verkauf von Fahrrädern hätten sie sich vermutlich ohnehin nicht begeistert.

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