Reden wir über Geld: Felix Baumgartner:"Das Glück ist wie ein Vogerl"

Felix Baumgartner stürzt sich hauptberuflich von Hochhäusern und Denkmälern. Ein Gespräch mit dem Basejumper über Angst, Risiken - und seinen geplanten Sprung aus dem Weltall.

Alexander Hagelüken und Alexander Mühlauer

SZ: Herr Baumgartner, reden wir über Geld. Sie springen illegal von Hochhäusern und Brücken. Was kostet Sie das?

BAUMGARTNER

Unterwegs wie ein moderner Supermann: Felix Baumgartner springt von Hochhäusern, Brücken und Denkmälern.

(Foto: AP)

Baumgartner: Ich spreche nicht gern über Geld. Abenteuer und Leidenschaft haben kein Preisschild.

SZ: Sie verdienen mit Ihren Sprüngen aber viel Geld. Wann wurde es einmal richtig teuer für Sie?

Baumgartner: Na gut, einmal bin ich auf der Europabrücke am Brenner von einem fahrenden Lastwagen in die Tiefe gesprungen. Vor Ort hat mich keiner erwischt. Als der Sprung am Abend in den Fernsehnachrichten lief, hat sich die Luftfahrtbehörde eingeschaltet. Ich musste mehr als 1000 Euro Strafe zahlen.

SZ: Gegen welche Gesetze hatten Sie verstoßen?

Baumgartner: Die Europabrücke liegt in der Einflugzone vom Innsbrucker Flughafen. Und weil ein Fallschirm als Luftfahrzeug gilt, hätte ich eine Genehmigung gebraucht. Außerdem bin ich von einem Lastwagen-Dach gestartet. Ich habe gegen eine Straßenverkehrsregel verstoßen, die das Auf- und Abspringen von fahrenden Fahrzeugen verbietet - einzige Ausnahme sind Müllwagen.

SZ: Das Bußgeld ist Ihnen wohl egal. Ihre Währung ist die Aufmerksamkeit.

Baumgartner: Gemessen am medialen Echo war die Geldstrafe sehr gering.

SZ: Lässt sich das vorher berechnen?

Baumgartner: Eigentlich ja. Die Trophäen für Base-Springer sind die höchsten Gebäude der Welt. Wer es schafft, als erstes von einem Hochhaus zu springen, gewinnt - auch finanziell.

SZ: Womit verdienen Sie ihr Geld?

Baumgartner: Mit Werbung, mit Sponsoring und mit Vorträgen in Firmen.

SZ: Was zahlen die Firmen?

Baumgartner: 25.000 bis 35.000 Euro für zwei Stunden Reden. Die Menschen sind immer fasziniert, wenn jemand sein Leben aufs Spiel setzt.

SZ: Sie sind 1999 von den 450 Metern hohen Petronas Towers in Kuala Lumpur gesprungen. Wie planten Sie das?

Baumgartner: Das Schwierigste war, überhaupt in den Turm zu kommen. Die Petronas Towers sind ein Geschäftsgebäude, das heißt, man braucht entweder einen Ausweis oder einen Termin, um in die obersten Stockwerke zu kommen.

SZ: Haben Sie einen Termin gekriegt?

Baumgartner: Ich habe eine Woche vor dem Gebäude verbracht und alles beobachtet. Überall waren Sicherheitsleute. Mir war klar: Einen Termin krieg ich nicht, also musste ich mir einen Ausweis besorgen. Ich ging zu einem Security-Mann und bat ihn, ein Foto von mir zu machen. Bevor ich ihm die Kamera gab, hab ich sie vor den Ausweis auf seiner Brust gehalten, kurz gehustet und abgedrückt. So hatte ich ein perfektes Foto vom Ausweis. Zurück in Österreich hab ich ihn nachgebildet, laminiert und bin wieder nach Kuala Lumpur geflogen.

SZ: Kamen Sie so einfach an den Kontrollen vorbei?

Baumgartner: Ich bin als Geschäftsmann verkleidet rein und hab mich in 60 Minuten nach oben gekämpft. Es war schwierig, sich unauffällig zu verhalten. Ganz wichtig: ja keine suchenden Blicke. Mein Hauptproblem waren die Fensterputzer. Um sie zu bestechen, hatte ich so viel Geld dabei, wie die in einem Jahr verdienen. Aber Gott sei Dank waren sie mit ihrem Korb gut 100 Meter unter mir. Ich konnte meinen Fallschirm auspacken.

Manchmal muss man umkehren

SZ: Was fühlen Sie, wenn Sie in 400 Metern Höhe stehen?

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Unterwegs wie ein moderner Supermann: Felix Baumgartner springt von Hochhäusern, Brücken und Denkmälern.

(Foto: AP)

Baumgartner: Als erstes muss man den Wind spüren. Der Wind ist das wichtigste, weil er die Öffnung des Fallschirms beeinflusst. Turbulenzen zwischen den Hochhäusern können tödlich sein. Ein leichter Windstoß aus der falschen Richtung und im schlimmsten Fall öffnet sich der Schirm in die falsche Richtung und man knallt gegen das Gebäude.

SZ: Was machen Sie, wenn der Wind zu stark ist?

Baumgartner: Dann springe ich nicht.

SZ: Das sagen Sie jetzt so leicht. Ist der Druck nicht wahnsinnig hoch, doch zu springen?

Baumgartner: Das stimmt. Ich wollte mal vom Pirelli Turm in Mailand springen. Über 30 Journalisten waren vor Ort, eine Menge Zuschauer, sogar der Präsident der Lombardei. Ich bin nicht gesprungen, weil ein leichter Wind wehte. Reinhold Messner hat mir gesagt: Es zählt nur der, der vom Berg herunterkommt und darüber berichten kann.

SZ: Andere entscheiden sich falsch. Wie viele Springer sterben pro Jahr?

Baumgartner: Ich schätze zwischen fünf und zehn. Ein großes Problem sind die Videos auf Youtube, da sieht alles so einfach aus. Man darf aber nicht vergessen, dass man mit bis zu 200 km/h unterwegs ist - ein Fehler, und es ist aus.

SZ: Sind auch Freunde von Ihnen umgekommen?

Baumgartner: Ja. Es ist schlimm, Kollegen oder Freunde zu verlieren. Man muss damit fertig werden und hinterfragt sein Tun. Bisher konnte ich mir bei Unfällen von anderen immer erklären, warum das passiert ist. Ich hab einige Freunde, die Glück im Unglück hatten und nicht gestorben sind, aber im Rollstuhl sitzen. Mit denen rede ich drüber, was schiefgelaufen ist. Man muss immer versuchen, das Risiko zu minimieren.

Die Mutter macht die Finanzen

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Felix Baumgartner hat mit seinem Sprung von der Christus-Statue in Rio de Janeiro seinen Marktwert deutlich gesteigert.

(Foto: AP)

SZ: Sie sind gelernter Motorradmechaniker. Wie kamen Sie zum Springen?

Baumgartner: Ich bin beim Bundesheer zum Fallschirmspringer ausgebildet worden. Ein Amerikaner hat mir dann das Handwerk des Base-Springens beigebracht - vor allem auch die Risiken. Wir sind sehr oft von Antennenmasten oder Brücken wieder heruntergeklettert, obwohl andere vor uns gesprungen sind.

SZ: Aber davon kann man nicht leben.

Baumgartner: Ich hab nie viel Geld gebraucht. Ich wohnte bei meinen Eltern.

SZ: Was sagten die denn, dass ihr Sohn von Brücken herunterspringt?

Baumgartner: Mein Vater verstand das nicht und sagte, ich solle einen ordentlichen Beruf lernen. Ich bat ihn, noch ein Jahr zu warten. Ich spürte, dass ich auf dem Weg zum Profi bin. Aber für den Vater, einen Eisenbahner-Sohn, der im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist, war das unverständlich. Er hat nicht verstanden, warum Sponsoren Geld dafür zahlen, dass jemand wo runterspringt.

SZ: War es schwer, Sponsoren zu finden?

Baumgartner: Ich hatte das Glück, dass mich Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz unterstützte. Der veranstaltete damals in Wien seinen ersten Flugtag und suchte Fallschirmspringer. So ging es los.

SZ: Wie viel haben Sie denn verdient?

Baumgartner: Als ich 1999 vom höchsten Gebäude der Welt gesprungen bin, hat Red Bull gesagt, dass ich etwa 7000 Euro und einen Fallschirm pro Jahr bekomme. Im selben Jahr bin ich noch von der Jesus-Statue in Rio de Janeiro gesprungen. Das steigerte den Marktwert. Das Bild ist sogar auf dem Umschlag eines Schulbuchs.

SZ: Was machen Sie mit dem Geld?

Baumgartner: Mein Vater sagte immer: Du musst erst sparen und dann kannst Du dir was kaufen. Damit es nicht auffällt, wie gut ich verdiene, habe ich mir jahrelang Autos in derselben Farbe gekauft. Ich hab immer nur die PS-Zahl gesteigert, so dass ich mich vor dem Vater nicht rechtfertigen musste. Der hat immer nur ein silbernes Auto gesehen.

SZ: Sie könnten Ihrem Vater doch einfach sagen: Es geht Dich nichts an.

Baumgartner: Es geht ihn auch nichts an. Aber egal, was ich mir im Leben gekauft habe - es war nie wichtig, ob es mir Freude machte; es war immer wichtig, wie viel es gekostet hat. Ich bin 42, aber wenn ich in meinem Haus die Badfliesen rausnehme, sagt mein Vater: Das Bad ist doch noch gut, lass es so.

SZ: Was machen Sie mit Ihrem Geld?

Baumgartner: Konservativ anlegen. Meine Mutter macht die Finanzen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Auch heute esse ich fast täglich bei ihr. Sie ist eine sehr gute Köchin.

SZ: Wie lange sind Sie mit Ihrer aktuellen Freundin zusammen?

Baumgartner: Knapp zwei Jahre.

SZ: Ist den Frauen einer zu riskant, der alle paar Monate sterben könnte?

Baumgartner: Zuerst macht es einen attraktiv, wenn man springt. Später, wenn Sie mit dir liiert sind, betrifft es sie viel mehr.

SZ: Haben Sie sich wegen der Gefahr gegen Kinder entschieden?

Baumgartner: Wenn ich Kinder hätte, würde ich nicht mehr so viel riskieren. Ich habe noch ein paar Ideen, und wenn die realisiert sind, kommen die Kinder.

Demnächst ins All

SZ: Welche Ideen haben Sie noch?

Baumgartner: Ich arbeite seit fünf Jahren an einem Sprung aus dem Weltall. Ich wäre der erste Mensch, der im freien Fall die Schallmauer durchbrochen hat.

SZ: Was ist dabei das größte Risiko?

Baumgartner: Die große Frage ist: Was macht der menschliche Körper, wenn er Überschallgeschwindigkeit fliegt? Und das Schlimmste, das passieren könnte, ist ein unkontrolliertes Drehen beim freien Fall. Man wird dann so schnell, dass das Blut nur mehr eine Möglichkeit hat, den Körper zu verlassen: durch die Augen. Wenn es noch schneller wird, könnte sich das Gehirn vom Gehirnstamm lösen. Das wäre tödlich. Wir haben für diesen Fall einen Bremsschirm eingebaut.

SZ: Und das genügt als Sicherheit?

Baumgartner: Das wäre die Sicherheit.

SZ: Wann springen Sie aus dem All?

Baumgartner: Ich wollte schon 2010 springen, aber wir haben noch ein Problem. Jemand behauptet, er hätte Rechte an diesem Projekt und hat uns auf eine dreistellige Millionensumme verklagt.

SZ: Der Traum vom Fliegen der Menschheit ist ja schon sehr alt. Denken wir nur an Ikarus - der ist abgestürzt.

Baumgartner: Ja, leider. Aber es war immer wichtig für die Menschheit, voran zu kommen. Ich werde heute dafür belächelt, dass ich fliegen möchte. Aber in Wahrheit leiste ich Pionierarbeit. NASA und EADS unterstützen mich.

SZ: Haben Sie wirklich keine Angst, dabei umzukommen?

Baumgartner: Am meisten habe ich davor Angst, vor meiner Mutter zu sterben.

SZ: Könnte passieren.

Baumgartner: Ja, aber ich mache seit 24 Jahren Extremsport und lebe noch. Jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse und meiner Mutter in die Augen schaue, ist es vielleicht das letzte Mal. Ich sag mir dann immer: Das Glück ist wie ein Vogerl, irgendwann fliegt es weg.

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