Reden wir über Geld: Dirk Müller:"Man muss einen Hau haben"

Deutschlands bekanntester Börsenhändler Dirk Müller über die schlechten Seiten der Kapitalmärkte, sein loses Mundwerk - und die Chancen für Anleger.

M. Zydra

Dirk Müller, 40, ist Deutschlands bekanntestes Börsengesicht und trägt den Spitznamen "Mister Dax". Er ist Makler der MWB Fairtrade Wertpapierhandelsbank. Seit 16 Jahren arbeitet er auf dem Frankfurter Parkett. Nun versilbert er seine Popularität und hat sein erstes Buch geschrieben: C(r)ashkurs.

Aktienhändler Dirk Müller: "In dem Job muss man einen Hau haben"

Dirk Müller: "Es wird im neuen Jahr an den Börsen nochmal richtig knallen."

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Müller, reden wir über Geld. Welchen heißen Aktientipp haben Sie?

Dirk Müller: Ja, ja, alle denken immer, Börsenprofis hätten die Glaskugel. Aber wenn du Freunde behalten willst, gibst du am besten keinen Tipp ab.

SZ: Kommen Sie, das ist doch Teil Ihres Jobs.

Müller: Okay, ich empfehle derzeit, Bargeld zu halten. Keine Aktien. Es wird im neuen Jahr an den Börsen nochmal richtig knallen.

SZ: Na also, geht doch, Sie Pessimist.

Müller: Sehen Sie, mit solchen Tipps macht man sich keine Freunde.

SZ: Im Jahr 2008 ist der deutsche Aktienindex Dax um 40 Prozent gefallen. Das kann man im Casino auch haben.

Müller: Stimmt. Die Börse hat sich von ihrer ursprünglichen Aufgabe entfernt. Früher war das der Platz, wo sich ideenlose Leute mit Geld und arme Leute mit Ideen zusammentaten, um eine Firma aufzubauen.

SZ: Und heute?

Müller: Es ist ein zweites, wesentlich muskulöseres Standbein hinzugekommen: die Wetten auf Unternehmen, Devisen und Schweinehälften. Diese Wettumsätze übersteigen die reale Wirtschaft um das Zehnfache.

SZ: Kein guter Ort, um für die Altersvorsorge zu sparen.

Müller: Aktienbeteiligungen an einem Unternehmen sind die beste Form der Investition. Man ist am Gewinn beteiligt und am Verlust. Aber diese Spekulanten, die einen Konzern binnen weniger Minuten Milliarden Euro weniger wert machen, sind gefährlich.

SZ: Es heißt, langfristig lohnen sich Aktien immer. Stimmt das?

Müller: Es gibt Phasen, in denen man Aktien haben musste, um eine gute Rendite zu erzielen. Allerdings gibt es auch Phasen, in denen man definitiv keine Aktien haben darf.

SZ: Wann denn?

Müller: Im Jahr 2000, als eine Internetbutze an der Börse mehr wert war als die Lufthansa mit ihrer gesamten Flotte. Dann muss der gesunde Menschenverstand reagieren und sagen: Das haut nicht mehr hin. Oder im Sommer 2007. Die Bankenkrise war spürbar, und die Aktienkurse sind weiter gestiegen. In solchen Situationen muss der Anleger raus aus Aktien.

SZ: Wer sagt dem Anleger rechtzeitig Bescheid, dass er aussteigen soll?

Müller: Jeder muss selbst etwas tun. Sich so über die Börse informieren, wie man es auch vor dem Autokauf oder vor dem Kauf eines Toasters tut.

SZ: Toaster und Autos sind einfacher zu begreifen. Wem kann der Anleger in Gelddingen vertrauen?

Müller: Zunächst darf man vom Mann am Bankschalter nicht erwarten, dass er dein Freund ist und das Beste für dich will. Er hat klare Vorgaben, welches Produkt verkauft werden muss. Anders sieht es bei Vermögensverwaltern aus, die gegen Honorar arbeiten. Die nehmen vielleicht ein Prozent der Anlagesumme als Beratungshonorar, aber dafür geben sie unabhängig Rat.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Aktienhändler ticken.

"Man muss einen Hau haben"

SZ: Wie ticken Aktienhändler?

Dirk Müller, ddp

Schnelle Entscheidungen aus dem Bauch heraus: Aktienhändler Dirk Müller hat auch bei großen Summen oft nur wenig Zeit zum Überlegen.

(Foto: Foto: ddp)

Müller: Da muss man einen Hau haben, sonst geht der Job nicht.

SZ: Nettes Bild, das Sie von Ihrem Beruf zeichnen.

Müller: Man muss bereit sein, sehr schnell aus dem Bauch heraus Entscheidungen über sehr große Geldbeträge zu treffen, manchmal in Sekundenbruchteilen auf eine Handbewegung oder einen Knopfdruck hin. Natürlich ist viel Erfahrung und Wissen erforderlich, um Substanz für die Bauchentscheidung zu haben, aber dieser Job fordert viel Stressresistenz und Selbstvertrauen.

SZ: Wie oft liegen Sie falsch?

Müller: Fehler sind Teil unseres Geschäfts, es gibt im Laufe jeden Tages immer Entscheidungen, die Geld kosten. Wir müssen immer mit dem Misserfolg leben. Am Ende des Tages sollte der Saldo aber positiv sein.

SZ: Wie sind Sie denn Börsenhändler geworden? Haben Sie als Kind schon gepokert?

Müller: Ich bin fern der Metropole groß geworden, und das Börsenleben, die Hektik, wie Leute über das Parkett rennen und laut schreien, das hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht war es der amerikanische Film Wall Street, der die Faszination stärkte.

SZ: Sie sind bekannt, viele Leute vertrauen Ihnen deshalb. Trotzdem reden Sie Klartext. Das ist doch eine Bürde, denn Sie haben ja auch mal unrecht.

Müller: Ich muss Klartext reden. Als Makler am Parkett ist mein ehrliches Wort das wichtigste, was ich habe. Wir handeln dort auf Zuruf, ohne Notar, ohne Schriftstück jeden Tag Millionen beträge - einfach durch Nicken oder Winken. Da kann niemand lügen. Der wäre sofort seinen Job los. Deshalb sage ich meine Meinung ohne Umschweife. Ob ich recht habe, ist eine andere Frage.

SZ: Die meisten Finanzmarktprofis sind nicht gerade offenherzig.

Müller: Sie haben nicht die Möglichkeit, frei zu sprechen. Hinter mir steht keine große Bank, die verlangt, dass ich die Hausmeinung einhalte. Mein Arbeitgeber unterstützt mich voll.

SZ: Was bedeutet Hausmeinung?

Müller: Fondsgesellschaften haben ein elementares Interesse daran, dass Leute in ihre Fonds investieren - und nicht daran, dass die Anleger ihr Geld abziehen. Also werden diese Experten tendenziell immer die Meinung vertreten, dass es an den Börsen aufwärts geht. Banken wollen Geschäfte machen, und natürlich machen sie entsprechend Druck, dass geschäftsstörende Meinungen ausbleiben.

SZ: Kann sich dem keiner entziehen?

Müller: Wenn ein Fondsmanager öffentlich sagen würde, lieber Kunde, bitte verkaufen Sie Ihre Fondsanteile, denn an den Aktienmärkten kommt Schlimmes auf uns zu - dann wäre das Nächste, was er zu hören bekommt, das Quietschen der Tür beim Arbeitsamt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was der Autor Müller erreichen möchte.

"Man muss einen Hau haben"

SZ: Sie geben jetzt ein Buch heraus und sind als Vortragsredner viel unterwegs. Was ist Ihr Interesse?

Müller: Ich bekomme immer mehr Feedback bei den Vorträgen. Den Leuten gefällt meine direkte Art. Da nur wenige andere Experten dieses Feld so besetzen, möchte ich die Chance ergreifen. Zum einen den Menschen helfen, die richtigen Entscheidungen für die Altersvorsorge zu treffen. Und zum anderen mir ein zweites Standbein aufbauen, das mir langfristig die Unabhängigkeit erhält.

SZ: Bei all dem Rummel, besteht nicht die Gefahr, dass Sie abheben?

Müller: Die Gefahr besteht immer, ich hoffe aber, dass mir meine Freunde rechtzeitig eine auf die Nuss geben. Aber ich denke nicht, dass ich ein Typ bin, der abhebt. Ich wohn' auf dem Land, fahr' einen zehn Jahre alten BMW und sitz' gern am Lagerfeuer.

SZ: Was verdient man denn so als Börsenhändler? Sie sind bestimmt reich.

Müller: Das Börsenhändlergehalt wird landläufig überschätzt...

SZ: ...keine Floskeln bitte, das können Sie besser...

Müller: Ich krieg' nicht mehr als ein normaler Bankangestellter. Es ist ein gutes Gehalt, aber es sind keine Millionenboni wie im Investmentbankingbereich, über den viel Negatives geschrieben wird - und das teilweise zu Recht. Es gibt übrigens viele Leute in der Finanzszene, die Anstand haben, auch wenn das keiner glauben mag.

SZ: Was empfinden Sie, wenn Sie einen Geldschein in der Hand halten?

Müller: Ein Versprechen, dass mir jemand dafür eine Ware gibt. Auf dieser Hoffnung fußt unser System. Und diese Hoffnung schwindet. Das Problem ist, dass Papiergeld aus dem Nichts erschaffen wird. Wenn die Bank mir einen Kredit von 10.000Euro gibt, hat sie Geld geschaffen, einfach so, ohne dass dem eine Wirtschaftsleistung gegenübersteht.

SZ: Ich gebe das doch Geld aus und schaffe dadurch Wirtschaftsleistung.

Müller: Es geht um Grundsätzlicheres. Jahrtausendelang konnte Geld nur Gold oder Silber sein. Papier war grundsätzlich nur eine Quittung für eine bestimmte Menge Edelmetall. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass die Zettel Geld sind. Dieses Experiment machen wir erst seit den 70er Jahren, als in den USA und damit auch in Europa die Golddeckung der Währungen aufgehoben wurde.

SZ: Befürchten Sie eine Inflation?

Müller: In den USA gibt es jetzt Geld ohne Zinsen. Viele leere bunte Zettel. Irgendwann kaufen die Ausländer keine US-Staatsanleihen mehr, weil sie dem Papiergeld nicht mehr trauen. Schon jetzt ist die amerikanische Notenbank Aufkäufer der US-Staatsanleihen. Das Vertrauen in den Dollar schwindet...

SZ: ... und die Welt stürzt ins Chaos?

Müller: Nein, kein Chaos, durch die Krise wird hoffentlich vieles besser werden. Für Sparer ergibt sich eine Jahrhundertchance, wie zuletzt 1929/1930. Man wird nach dem großen Kurseinbruch in diesem Jahr Aktien sehr billig kaufen können. Große Vermögen werden in der Krise gemacht. Man darf nur nicht zu früh wieder einsteigen.

SZ: Sagen Sie Bescheid, wann die Zeit reif ist?

Müller: Klar, aber bitte kein blindes Vertrauen. Gegenüber niemandem.

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