Reden wir über Geld:"Das Wort Luxus darf man nicht mehr sagen"

Elisabeth Gürtler, Chefin des Hotel Sacher, über Exquisites in der Krise, ihren diktatorischen Vater und warum eine Opernball-Loge so teuer ist.

A. Mühlauer u. H. Wilhelm

Elisabeth Gürtler, 59, lädt in die Bar des Hotel Sacher in Wien und bestellt einen "Kaffee verkehrt". Das sei ein Milchkaffee, erklärt sie galant. Vor 19 Jahren erschoss sich ihr Ex-Mann Peter, damals Chef des weltberühmten Hotels, mit einem Jagdgewehr. Elisabeth Gürtler übernahm von einem Tag auf den anderen die Geschäfte. "Wer hätte es denn sonst machen sollen", sagt sie und zuckt mit den Schultern.

SZ: Frau Gürtler, reden wir über Geld. Wie spüren Sie die Krise in ihrem Luxushotel Sacher?

Elisabeth Gürtler: Das Wort Luxus darf man nicht mehr sagen. Das ist vorbei.

SZ: Warum?

Gürtler: Ich sage das nicht, weil ich so gescheit bin. Aber es ist doch so: Seit wir diese Krise haben, will niemand mehr das Wort Luxus in den Mund nehmen. Wir sprechen jetzt vom "Qualitätsdenken" oder so ähnlich.

SZ: Was ist Luxus?

Gürtler: Luxus ist etwas, das man nicht essentiell braucht. Etwas, das an der Spitze der Bedürfnispyramide steht. Diese Spitze ist auch nur ganz wenigen zugänglich. Allein durch diese Ausgrenzung ist Luxus sehr asozial.

SZ: Und davon leben Sie.

Gürtler: Nein, wir leben nicht davon. Wir sind nicht nur Luxus. Das kann sich kein Unternehmer mehr leisten. Auch Luxusmarken wie Hermès und Louis Vuitton verkaufen Artikel, die sich an das mittlere Segment richten. Das müssen sie auch, um genug Umsatz zu erzielen. Man kann das Luxus-Image nutzen, um damit günstigere Artikel zu vermarkten.

SZ: Also: Merkt das Hotel Sacher die Krise?

Gürtler: Natürlich. Statt Junior-Suiten werden Standardzimmer gebucht. Und wer früher Standardzimmer gebucht hat, geht nun ins Vier- statt ins Fünf-Sterne-Hotel. Aber vielleicht ist das ganz gesund, das Zurückführen auf Normalität. Diese jungen Männer, die schnell zu Geld gekommen sind, die wollten es auch zeigen. Ein Investmentbanker, der in einem Vier-Sterne-Hotel wohnte, der konnte kein guter Investmentbanker sein. Das ist jetzt vorbei.

SZ: War Ihnen dieser offen zur Schau gestellte Reichtum suspekt?

Gürtler: Wissen Sie was: Es war mir egal. Es ist mein Geschäft. Und wenn es die Leute wollen, dann bieten wir das.

SZ: Sie sind in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Vater war erfolgreicher Unternehmer ...

Gürtler: ... mir wurde nichts geschenkt. Mein Vater war ein diktatorischer Patriarch, der von uns absolute Leistung verlangte. Für Leistung gab es Gegenleistung. Ich wünschte mir ein Pferd. Mein Vater sagte: Wenn Du sehr gut in der Schule bist, kriegst Du eines. Ich erinnere mich, einmal hatte ich in Latein auf einen Ovid einen Dreier. Ich musste auf die nächste Arbeit einen Einser bekommen, sonst wäre sich das nicht ausgegangen. Ich habe gelernt wie eine Wahnsinnige und den Einser bekommen.

"Wenn man etwas machen muss, dann kann man es auch"

SZ: Und so auch das Pferd?

Gürtler: Ja, mit 15. Ein Pferd zu pflegen und zu reiten ist natürlich zeitaufwändig. Also hat mein Vater mir erklärt: Wenn ich jetzt keine guten Noten mehr habe, dann ist das Pferd wieder weg. Und ich wusste: Das ist kein leerer Sager, das meint er auch so. Also habe ich weiter gelernt. Ich dachte mir oft, mein Gott, wie gut geht es meinen Mitschülerinnen. Die müssen jetzt keine Angst haben, ob sie alle Erwartungen erfüllen können. Aber ich habe etwas fürs Leben gelernt: Wenn man etwas machen muss, dann kann man es auch.

SZ: Haben Sie ihren Vater auch mal enttäuscht?

Gürtler: Seine größte Enttäuschung war meine Scheidung von Peter Gürtler, dem Sacher-Chef. Das hat er als eine persönliche Beleidigung empfunden! Er hat es als Beleidigung seiner Person empfunden, dass sein Schwiegersohn ihm seine Tochter zurückgab.

SZ: Wie hat er Ihnen das gezeigt?

Gürtler: Er hat mir nach der Scheidung gesagt: Jetzt ist Arbeit angesagt. Ich habe dann in seinem Unternehmen gearbeitet und es gab kein Pardon.

SZ: Das muss Sie verletzt haben.

Gürtler: Ja. Aber wenn man diesen Druck aushält, dann bekommt man eine gewisse Stärke. Man weiß, dass man mit Dingen leben kann. Das habe ich aus meiner Jugend gelernt. Ich hätte ja auch sagen können, ich verzichte auf das Pferd. Aber das wollte ich nicht. Mein Vater wusste schon, wo er mich packt. Ich wollte mein Pferd auf keinen Fall verlieren, das war undenkbar.

SZ: Reiten Sie bis heute?

Gürtler: Nein. Ich habe aufgehört, als mein geschiedener Mann 1990 starb und ich das Hotel Sacher übernahm. Ich wusste, es war mit der Aufgabe nicht vereinbar. Also habe ich aufgehört, auch wenn mir das bis zu diesem Augenblick unvorstellbar war. Ich habe meine Pferde einer Freundin gegeben. Ich habe sie ihr geschenkt, dafür durfte sie sie nicht verkaufen und es musste ihnen gutgehen.

SZ: Was für ein Opfer!

Gürtler: Ich habe deshalb auch jahrelang kein Pferd angeschaut, weil ich mir das ganze Thema gar nicht geben wollte.

SZ: Warum haben Sie das Hotel überhaupt übernommen?

Gürtler: Wer hätte es denn sonst machen sollen? Ich habe das nie in Frage gestellt. Aber einfach war es nicht. Einige Mitarbeiter haben sich gedacht: Na gut, jetzt kommt die Madame, der sagen wir mal, wie es hier läuft. Sie haben mich nicht mit Informationen versorgt; wer nichts weiß, der kann auch nichts entscheiden. Es gab auch kein transparentes Rechnungswesen. Als ich das einführen lassen wollte, hat sich der zuständige Herr geweigert. Also musste er gehen.

"Ich steige auf kein Pferd mehr"

SZ: Wie haben Sie sich denn durchgesetzt?

Gürtler: Man muss mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn man selbst keine Disziplin hat, dann wird es schwierig sein, von den Mitarbeitern Disziplin einzufordern. Bei uns gab es zum Beispiel große Diskussionen, wer ein wie großes Zimmer bekommt. Das ging mir so auf die Nerven. Ich räumte mein riesiges Zimmer und zog in ein sechs Quadratmeter kleines, dunkles Zimmer - das kleinste von allen. Damit hörten die Diskussionen auf.

SZ: Sie haben im Hotel Sacher Einiges auf den Kopf gestellt.

Gürtler: Als ich das Haus übernommen habe, gab es viele Dinge, die mich gestört haben. Die wurden mittlerweile eliminiert. Ich mach' das jetzt seit 19 Jahren, alleine.

SZ: Und was haben Sie beim Opernball verändert, den Sie von 1999 bis 2007 leiteten?

Gürtler: Die Einzigen, die wir noch eingeladen haben, waren der Bundespräsident und die Regierung. Und eine Loge gab es nur noch für den Bundespräsident und den Bundeskanzler. Die Minister hätten die Loge kaufen müssen, wenn sie gewollt hätten. Aber ... so viel möchte ich gar nicht mehr dazu sagen, ich habe ja nichts mehr damit zu tun.

SZ: Sie verlangten damals 36.800 Euro für eine Loge. Viel Geld.

Gürtler: Die Nachfrage war unglaublich groß, wir hätten auch 50.000 Euro verlangen können. Wir haben dann die Möglichkeit des Sponsorings eingeführt. Wer die Oper regelmäßig unterstützte, der hatte das Vorrecht auf eine Loge. Da gab es Diskussionen! Aber ich hatte kein Problem damit. Das Geld war ja nicht für mich. Es geht darum, dass die Oper eine Neuinszenierung bieten und bessere Sänger engagieren kann. Das kommt der Allgemeinheit zugute.

SZ: Sie geben nicht so gerne auf, oder?

Gürtler: Man muss sich immer überlegen, ob es Sinn hat, für etwas zu kämpfen. Wissen Sie, manchmal merkt man auch, dass man etwas nicht unbedingt ändern muss. Aber wenn man draufkommt, eine Veränderung ist absolut notwendig, dann sollte man es durchziehen.

SZ: Seit zwei Jahren stehen Sie an der Spitze der Spanischen Hofreitschule. Reiten Sie wieder?

Gürtler: Ich steige auf kein Pferd mehr. Ich habe nicht genügend Zeit, um zu trainieren und wirklich gut zu sein. Aber als ich die Leitung der Schule angeboten bekam, haben meine Kinder gesagt: Mama, die Pferde waren Dir dein Leben lang so wichtig. Wenn Du jetzt sowas machen kannst, dann tu es. Jetzt gehe ich zwei Mal am Tag rüber in die Schule und sehe die Pferde. Das finde ich sehr schön.

SZ: Haben Sie ihre Kinder so leistungsorientiert erzogen wie ihr Vater Sie?

Gürtler: Nein. Ich war nicht stark genug dafür. Ich glaube auch, dass nicht jeder diesen Druck aushält. Man muss schon Kraft haben.

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