Süddeutsche Zeitung

Reden wir über Geld: Clemens Schick:"Hier bin ich, Halleluja!"

Schauspieler Clemens Schick über Gagen bei James-Bond-Filmen, seinen ersten Bankkredit und warum er nach acht Monaten aus einem Schweigeorden weggeschickt wurde.

A. Hagelüken u. H. Wilhelm

Das Leben von Clemens Schick verläuft in Kurven und auf Umwegen. Er ging an die Schauspielschule, dann flüchtete er vor den als egozentrisch empfundenen Kollegen ins Schweigekloster. Als Jung-Schauspieler verdiente er wenig, heute bekommt der 38-Jährige etwa in einem James-Bond-Film Tausende Euro - verzichtete aber voriges Jahr weitgehend auf Gagen, um in Kunstfilmen mitzuspielen. Höchste Zeit für ein Gespräch über Besitz, Glück und Ziele im Berliner Café Einstein.

SZ: Herr Schick, reden wir über Geld. Sie drehen gerade im thailändischen Dschungel einen teuren Actionfilm mit Ulrich Tukur und Sharon Stone...

Clemens Schick: Ja, ich spiele dort einen serbischen Auftragskiller.

SZ: Jetzt sind Sie kurz in Berlin. Ist das ein Kulturschock?

Schick: Vielleicht klimatisch. In Thailand ist es sehr heiß. Wir drehen an der Grenze zu Birma. In wunderschöner Natur, in totaler Einsamkeit im Dschungel, die Hotelanlage hat keine Fernseher, kein Telefon, nichts. Ich bin dort sehr glücklich.

SZ: Warum?

Schick: Weil ich in der Natur bin. Alleine bin ich dort noch glücklicher. Natur ist meist geschmackvoll und selten zu laut. Das gefällt mir. Absurderweise drehen wir genau dort Krieg und Zerstörung, und ich bin der Böse. So verdiene ich gerade mein Geld (lacht).

SZ: Als serbischer Killer in der Idylle. Schon wieder sind Sie ein Böser, wie im James-Bond-Film Casino Royale.

Schick: Letztes Jahr habe ich drei Filme gedreht, und meine Rollen waren sehr friedlich. Aber mir ist diese Kategorisierung auch egal. Ich denke so nicht als Schauspieler. Viel wichtiger ist, herauszufinden, wo die Sehnsüchte der Rolle sind, warum die Figur tötet und dabei anders empfindet, als unsere Moral es vorschreibt. Außerdem liebe ich Action.

SZ: Machen Sie die Stunts selbst?

Schick: Ja, am liebsten mache ich alles selber. Da erhebt dann aber oft die Versicherung Einspruch. Nächsten Monat bekomme ich Training im Fallschirmspringen, weil wir einen Kampf in der Luft drehen. Das ist doch unglaublich. Ich bin jetzt schon aufgeregt vor Freude.

SZ: Sie suchen Ihre Grenzen?

Schick: Ich gehe sehr gerne sehr weit. In vielen Bereichen, im Beruf wie privat.

SZ: Ihr Berufsleben begann ziemlich ungerade, oder?

Schick: Finden Sie? Ich wollte erst an die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin. Die lehnten mich aber ab. Da habe ich mir ein Sixpack gekauft, um mich zu betrinken. Nach dem vierten Bier merkte ich: Das ist alkoholfrei (lacht). Ich studierte dann in Ulm Schauspiel, aber das war mir alles zu selbstbezogen, die Leute zu narzisstisch. Ich wollte mehr vom Leben. Ich hörte von einem Kloster in Frankreich, in dem man schweigen kann. Dort bin ich hin und wusste sofort, dass ich angekommen bin: Menschen, die ohne Eigennutz leben, die sich Gott und Jesus Christus hingeben. Das hat mich begeistert. Die Mönche dort haben mir aber vom ersten Tag an gesagt, dass sie nicht an meine Berufung glauben.

SZ: Sie ließen sich nicht abbringen?

Schick: Nein, ich brach mein Studium in Ulm ab und verschenkte meinen Besitz. Für mich war die Sache klar.

SZ: Was zog Sie an?

Schick: Die Gemeinschaft. Auch heute noch eine Sehnsucht von mir. Auch das gefällt mir am Theater und Film. Dort können großartige Gemeinschaften entstehen, wenn man zusammen arbeitet. Ich komme aus einer Großfamilie, habe einen Zwillingsbruder. Teilen, mit anderen sein, ist für mich Normalität.

SZ: Sie hatten kein Problem damit, auf Besitz zu verzichten?

Schick: Nein. Ich wusste ja, warum ich es tue. Ich bekam auch sehr viel. Ich bin mit wehenden Fahnen bei der Gemeinschaft von Taizé angekommen und habe gesagt: Hier bin ich, endlich, Halleluja. Heute weiß ich, dass meine Klosterkarriere wohl an einem anderen Verzicht gescheitert wäre: an dem auf Sexualität.

SZ: Wie war das Leben dort?

Schick: Sehr einfach, es gibt kein Telefon, keinen Fernseher, kein Komfort.

SZ: Wie jetzt in Thailand?

Schick: Ähnlich. Nur gab es dort einen geistigen Überbau. Man arbeitet, betet und lebt in dem Kloster zusammen, oft im Schweigen. Ich war sehr glücklich.

SZ: Sie finden, die Menschen reden zu viel?

Schick: Auf jeden Fall. So viel gibt es gar nicht zu sagen, wie wir kommunizieren.

SZ: Warum blieben Sie nicht dort?

Schick: Ich wurde nach acht Monaten weggeschickt. Die Mönche blieben bei ihrer Einschätzung, ich sei nicht berufen. Das war damals hart. Ich war darüber sehr traurig, es war wie Liebeskummer.

SZ: Hatten die Mönche recht?

Schick: Wer weiß das. Ich habe jetzt ein reiches, abenteuerliches Leben. Im Kloster hätte ich auch ein schönes Leben haben können. Ach, das ist 16 Jahre her. Meine Aufgabe war unter anderem, die Kinder der Pilger zu betreuen. Ich tanzte mit ihnen jeden Morgen zu Freddy Mercury, weil ich das noch aus der Schauspielschule in Ulm kannte.

SZ: Was war nach dem Rauswurf?

Schick: Ich jobbte als Landschaftsgärtner, als Türsteher und Kellner. Ich hab dann weiter in Berlin Schauspiel studiert. Eher weil ich nicht wusste, was ich sonst machen soll. Und dann war ich auch schon am Theater.

SZ: Wie viel haben Sie dort verdient?

Schick: Ich glaube, das waren damals 2300 Mark brutto.

SZ: Wenig Geld. Kennen Sie viele, die nicht vom Schauspielen leben können?

Schick: Ein paar, klar. Es ist ein sehr harter Kampf. Ich bin sehr froh, dass ich so viel Glück hatte. Die ersten Jahre hatte ich mit großen Schulden zu kämpfen. Man verdient sehr wenig, lebt in zwei Städten, gibt viel für die Fahrten aus und Ähnliches. Zum Glück hatte ich einen freundlichen Bankberater, der mir manches Mal einen hohen Kredit gegeben hat - als Schauspieler konnte ich ihn ganz gut überzeugen.

SZ: Wie hoch war der Kredit?

Schick: So hoch, dass ich die Nerven behalten musste!

SZ: Heute verdienen Sie gut, wohnen aber in Berlin-Kreuzberg auf 57 Quadratmetern. Das reicht Ihnen?

Schick: Ich brauche nicht mehr Platz. Besitz interessiert mich immer noch nicht. Ich könnte in einer Stunde mit allem ausziehen, was mir etwas bedeutet. Wir waren fünf Kinder zu Hause, wir haben jedes Jahr die Zimmer gewechselt, jeder nahm seine Klamotten und zog in ein anderes Zimmer, die Möbel blieben zurück. Das prägt mich bis heute.

SZ: Luxus mögen Sie schon. Sie fahren einen VW Phaeton...

Schick: Ja, Luxus mag ich, wenn er geschmackvoll ist. Ich würde mir aber nie so ein teures Auto kaufen. Ich teste den Wagen nur. (lacht)

SZ: Was verdienen Sie jetzt beim Film? Mehr als beim Theater?

Schick: Ich habe letztes Jahr drei Kinofilme gedreht, die alle ein sehr kleines Budget hatten. Ich habe 2009 sehr wenig verdient, war aber mit den Projekten, die ich gemacht habe künstlerisch sehr glücklich, mit den Rollen, den Drehbüchern und den Regisseuren. Das bedeutet mir am Ende mehr als Geld.

SZ: Und wovon haben Sie gelebt?

Schick: Wenn man zum Beispiel wie ich bei einem Bond mitgespielt hat oder aus anderem Grund in der Öffentlichkeit steht, hat man für bestimmte Medien ein Image. Manche Firmen wollen daran teilhaben und binden mich in ihre Kampagnen und Events ein. Das kann Spaß machen, kann aber auch anstrengend sein.

SZ: Wie war es, in dem James-Bond-Film mit den großen amerikanischen Schauspielern zu drehen?

Schick: Was mich beeindruckt hat, war deren Bescheidenheit. Es ging nur um den Film. Um sonst nichts. Klar, weil auch ein extremer finanzieller Druck auf allem lag. Ich werde, glaube ich, keinen Film mehr in meinem Leben spielen mit einem so hohen Budget. Das ist allen am Set bewusst, dass sie dem gerecht werden müssen.

SZ: Was haben Sie am Tag verdient?

Schick: Die deutsche Gage. Jeder wurde so bezahlt, wie er in seinem Land verdient. Der tschechische Schauspieler bekam die tschechische Gage.

SZ: Was verdienen Sie normalerweise?

Schick: Wie gesagt, manchmal nichts, manchmal mehrere tausend Euro am Tag. Man darf aber nicht vergessen, dass man als Schauspieler oft wochenlang keinen Cent verdient, manchmal monatelang nichts. Da relativiert sich die hohe Gage sehr schnell wieder.

SZ: Was änderte sich durch die Bond-Rolle?

Schick: Die Presseaufmerksamkeit. Was man am Theater macht, interessiert eher nur das Feuilleton.

SZ: Sie sagten mal: "Früher war Flirten einfacher, da wusste ich, ich bin gemeint. Heute denke ich manchmal, die Frau meint den Schauspieler."

Schick: Ach...

SZ: Haben Sie das nicht gesagt?

Schick: Doch, in einer Frauenzeitschrift.

SZ: Soll das heißen, wir bekommen nur die langweiligen Antworten, weil wir aus der Wirtschaftsredaktion sind?

Schick: Nein. Aber ich rede doch mit einer Tageszeitung anders.

SZ: In einem anderen Interview sagten Sie, Sie hätten früher geklaut wie ein Rabe.

Schick: Sie nicht? (lacht).

SZ: Natürlich nicht. Wir sind doch von der Wirtschaftsredaktion.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2010/tob
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