Reden wir über Geld (32): Christoph Daum:"Ich weiß nicht, was Lukas Podolski kostet"

Christoph Daum über den Einfluss der Millionäre im Fußball, Abenteuer bei der Geldanlage und seinen Traum, Weltmeister zu werden.

C. Dohmen und A. Hagelüken

Das Vereinsgelände des 1. FC Köln ist eine Baustelle. Neben den Kränen schreitet Christoph Daum (54) über den Platz, emotional wie eh und je. Kaum ein deutscher Trainer hat es geschafft, so viele unterschiedliche Klubs aus dem Nirgendwo an die Spitze zu führen - von Stuttgart über Leverkusen bis Istanbul. Und keiner erlebte so viele Tiefen, bis hin zu der Kokain-Affäre, die ihn das Amt des Bundestrainers kostete. "Ich habe sehr viel nachgedacht", sagt Daum und lässt in fast jedem Satz spüren, dass man wieder mit ihm rechnen soll. Kommende Woche empfängt der Aufsteiger Köln den FC Bayern München.

Reden wir über Geld (32): Christoph Daum: Fußballtrainer Christoph Daum: "Ich weiß ja gar nicht, was Lukas Podolski kostet."

Fußballtrainer Christoph Daum: "Ich weiß ja gar nicht, was Lukas Podolski kostet."

(Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr Daum, reden wir über Geld. Seit ein paar Jahren gibt es immer mehr dieser Millionäre, die ihr Geld in Fußballclubs stecken, Roman Abramowitsch, der SAP-Gründer Dietmar Hopp oder diese Woche Al Fahim aus Abu Dhabi bei Manchester City. Sie haben bei Austria Wien unter so einem Millionär gearbeitet, Frank Stronach. Wie ist das?

Christoph Daum: In anderen Vereinen wird immer gefragt: Was kostet das? Den Frank Stronach musste man nur überzeugen, dass ein Investment etwas bringt. Da hat man viel mehr Möglichkeiten.

SZ: Klingt ja schön.

Daum: Frank Stronach hat sich sein Vermögen hart erarbeitet. Ein Mitarbeiter von Stronachs Gesellschaft hat auf Schritt und Tritt alle Investments überwacht. Und man muss wissen, dass diese Millionäre sich von ihrem Fußball-Engagement gesellschaftliche Anerkennung erhoffen.

SZ: Ein Fußballclub als Sättigungsbeilage fürs Ego.

Daum: Dass diese Leute kommen und 15 oder 30 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben, das ist nur eine Facette. Die investieren auch in Jugendarbeit und schaffen Strukturen, die dauerhaft was bringen. Ich sehe Dietmar Hopp oder Abramowitsch als Bereicherung.

SZ: Englische oder spanische Vereine haben Gönner wie Abramowitsch und/oder weit höhere Fernseheinnahmen - kann ein deutscher Klub überhaupt noch die Champions League gewinnen?

Daum: Nein, das ist vorbei. Da drücken wir uns die Nase an der Schaufensterscheibe platt. Heute reicht es vielleicht noch fürs Halbfinale, wenn es gut geht.

SZ: Nicht mal der FC Bayern mit seinen Star-Einkäufen hat eine Chance?

Daum: Nein. In Anbetracht der gewaltigen finanziellen Unterschiede schneidet die Bundesliga noch hervorragend ab.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Christoph Daum freiwillig in die zweite Liga gewechselt ist - und warum Lukas Podolski für den 1. FC Köln kein Thema ist.

"Ich weiß nicht, was Lukas Podolski kostet"

SZ: Geld regiert den Fußball?

Daum: Es garantiert nicht den Erfolg. Aber natürlich verschafft es Wettbewerbsvorteile beim Kauf von Spielern.

SZ: Vor ein paar Wochen sagten Sie: "Wir können eben keine 30 Millionen für Podolski bieten. Noch nicht." Das klang so, als erwarten Sie, dass der 1. FC Köln in Zukunft deutlich mehr Geld ausgibt.

Daum: Ich weiß nicht, aus welchem Zusammenhang das Zitat ist. Ich weiß ja gar nicht, was Lukas Podolski kostet. Weil er einen Vertrag hat, gehen wir da überhaupt nicht ran. Aber klar: Mit dem sportlichen Erfolg werden auch die Einnahmen zunehmen, sei es über Sponsoren oder Fernsehgelder oder internationale Spiele. Ich sag' immer: Wenn Du mir Zitronen gibst, mache ich Dir den besten Zitronensaft.

SZ: Aber Champagner wären Ihnen schon lieber. Sie hatten nach eigenen Angaben Angebote von Clubs, die in der Champions League spielen. Warum sind Sie stattdessen zum 1. FC Köln gegangen, der in der Zweiten Liga spielte?

Daum: Zu einem anderen Zweitliga-Klub wäre ich nicht gegangen. Ich bin hier aufgewachsen und habe hier als Trainer meine ersten Erfolge erzielt. Aber natürlich ist es so, dass ich mit dem Wechsel nach Köln wie öfter in meinem Leben ein Risiko eingegangen bin...

SZ: ...das Risiko, in der Zweiten Liga kleben zu bleiben und Ihren Nimbus als Erfolgstrainer zu verlieren.

Daum: Genau. Aber wir haben ja den Aufstieg geschafft.

SZ: Sie haben in der Bundesliga, in Österreich und der Türkei die Meisterschaft geholt, das können wenige von sich sagen. Wie kommen Sie als Erfolgstrainer damit klar, dass die Meisterschaft mit Ihrem jetzigen Verein derzeit unmöglich ist?

Daum: Indem ich mich von diesem Anspruch für den Moment löse. Das Ziel an sich werde ich nie aufgeben, weil es Teil meiner Denk- und Handlungsweise ist. Aber realistisch peilen wir jetzt einen Mittelplatz an.

SZ: Sie sollen 2,5 Millionen Euro im Jahr verdienen, bei einem Aufsteiger. Sie sagten vor ein paar Jahren, Sie seien einer der billigsten Trainer. Stimmt das noch?

Daum: Ich bin immer sehr überrascht, was da spekuliert wird. Ich habe hier auf zwei Drittel dessen verzichtet, was ich bei anderen Klubs hätte verdienen können. Wenn man etwas älter ist und sich einen Grundstock aufgebaut hat, geht es mehr ums Verwirklichen als um Geld.

Lesen Sie im dritten Teil, wie Christoph Daum in einem Duisburger Arbeiterviertel ohne viel Geld aufgewachsen ist - und welche Lehren er daraus für sein Trainerleben zieht.

"Ich weiß nicht, was Lukas Podolski kostet"

SZ: Sie sind mit wenig Geld aufgewachsen. Ihr Vater arbeitete im Bergbau, wurde verschüttet, war querschnittsgelähmt und starb kurze Zeit später. Da waren Sie sechs Jahre alt.

Daum: Als Kind schaust du nicht aufs Geld. Da geht es nur um Liebe. Und die habe ich von meiner Familie gekriegt, reichlich. In dem Duisburger Arbeiterviertel, wo ich aufwuchs, da hatten alle kein Geld. Da waren Menschen aus Ostpreußen, aus Schlesien, aus Siebenbürgen, was weiß ich. Ich hab' nicht mitgekriegt, dass es woanders mehr gab.

SZ: Woran erinnern Sie sich?

Daum: Wir sind raus auf die Felder und haben mit Handschuhen Brennnesseln gepflückt, die wurden schön kleingehackt und zu Suppe gekocht.

SZ: Heute ist es eine andere Welt. Junge Fußballspieler verdienen mit 19 Jahren Millionen. Wie wirkt sich das aus?

Daum: Sie könnten auch fragen: Wie war das damals, als man über Brieftauben kommuniziert hat? Das ganze Tempo des Lebens hat sich unglaublich verändert. Auf- und Abstiege gehen heute viel schneller als früher.

SZ: Was meinen Sie damit?

Daum: Heute haben Spieler oft gar nicht mehr die Zeit zu reifen. Die werden einfach von den Medien zu einer Persönlichkeit aufgebaut, der sie noch gar nicht entsprechen können.

SZ: Wie Sebastian Deisler, der schon als 19-Jähriger hochgelobt wurde, später Depressionen bekam und aufhörte?

Daum: Das ist so vielschichtig, da möchte ich nicht mit irgendwelchen Aussagen über einzelne Menschen urteilen.

SZ: Was bedeutet das denn für Sie als Trainer?

Daum: Ich behandle die jungen Spieler als Heranwachsende. Ich begleite sie nicht nur sportlich, sondern auch charakterlich. Es geht ja darum, nicht nur den Fußball zu meistern, sondern auch das Leben.

SZ: Als Erfolgstrainer haben Sie Millionen verdient, es investiert - und wie so mancher aus der Fußballszene Geld verloren. Fehlt in solchen Stressjobs die Zeit, sich um Geldanlage zu kümmern?

Daum: Wenn du anlegst, zahlst du natürlich Lehrgeld. Das ist bezahlte Lebenserfahrung.

SZ: Sie haben zum Beispiel 70 Wohnungen auf Mallorca gekauft, die schwer zu verkaufen waren.

Daum: Das war ein Geschäft, das von lauter honorigen Firmen wie dem Wirtschaftsprüfer Ernst&Young und der Deutschen Bank begleitet wurde. Wissen Sie, wie man ein Bank definiert? Eine Bank ist ein Institut, das dir bei schönem Wetter einen Regenschirm aufdrängt, den es sofort zurückhaben will, wenn es zu regnen anfängt. Dieser Spruch gefällt mir gut.

SZ: Und sonst?

Daum: In der Leverkusener Zeit hatte ich mal einen Freund, wir sind fast jede Woche zum Billard oder in die Sauna. Dem gab ich Geld, und dann hat er einen betrügerischen Konkurs hingelegt. Mein Geld ist weg. "Dir tut das doch nicht weh", sagt er und lacht mir ins Gesicht.

SZ: Sie haben mal gesagt: Wenn man viel Geld verdient, zieht man die falschen Leute an wie das Licht die Mücken.

Daum: Das gilt nicht nur für mich. Natürlich hatte ich mal 'ne Flugzeug- und 'ne Schiffsbeteiligung. Das hört sich alles toll an mit Verlustvortrag und, und, und. Wenn du's hinterher ausrechnest, hättest du mit Bundesschatzbriefen ähnlich viel Geld verdient und weniger Kopfschmerzen gehabt. Heute lege ich viel konservativer an.

SZ: Sie haben Köln Ende der achtziger Jahre von unten nach oben geführt. So erfolgreich wie bei Ihren zwei Vizemeisterschaften war der Klub seitdem nicht mehr. Aber Sie flogen damals von einem Tag auf den anderen hinaus.

Daum: Das war ein absoluter Schlag. Ich habe damals gesagt: Sollte mal bei mir Krebs festgestellt werden, dann war dieser Tag der Auslöser. Für mich war das ein seelisch absolut einschneidendes Erlebnis. Ich habe es nicht für möglich gehalten.

Lesen Sie im vierten Teil, wie Christoph Daum mit Geld seine Spieler motiviert - und ob er den Traum vom Amt des Bundestrainers noch immer träumt.

"Ich weiß nicht, was Lukas Podolski kostet"

SZ: Sie haben mal gesagt: Wer sich wie ich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet hat, denkt immer daran, dass er es geschafft hat. Aber er fürchtet, dass es einem jemand wieder wegnehmen könnte.

Daum: Wissen Sie, was mir keiner wegnehmen kann? Das, was hier oben drin ist (tippt an seinen Kopf).

SZ: Sie haben doch selbst mal Spielern in der Kabine Geldscheine hingehalten und gesagt: Das wollen Euch Eure Gegner wegnehmen!

Daum: Richtig. Ich hab die Meisterschaftsprämie von 40.000 Mark auf ein Plakat geklebt, um zu zeigen: Auch darum geht es. So kann man motivieren.

SZ: Nach dem ersten Bundesliga-Spiel dieser Saison hat ein Fernsehreporter gesagt, Ihre Mannschaft sei in der zweiten Halbzeit wie gelähmt gewesen. Sie fuhren ihn gleich an: "Wissen Sie, was Lähmung medizinisch bedeutet?" Als hätten Sie das Gefühl, er wolle Ihnen das Prädikat "Erfolgstrainer" wegnehmen.

Daum: Ach nee. Wenn mir jemand so kommt, greife ich das halt als Wortspiel auf. Das war lustig gemeint.

SZ: Ihr Trainerleben ist eine Achterbahnfahrt aus großen Höhen und Tiefen. Immer haben Sie Mannschaften von unten geholt, nach oben geführt - und dann kam oft was dazwischen. Vizemeister mit Köln, dann geflogen. Meister mit Stuttgart, dann durch eine falsche Einwechslung den Europacup verpasst und Gespött der Nation. Mit Leverkusen am letzten Spieltag die Meisterschaft vergeigt. Im Jahr 2000 als Bundestrainer ausgesucht, aber wegen Kokain-Konsums weggeschickt. Haben Sie eine Erklärung für diese Achterbahnfahrten?

Daum: So ist das Leben. Aber über mich berichten Medien halt mehr als über andere Menschen, die nicht so im Fokus stehen.

SZ: Bei anderen ist es weniger turbulent. Haben Sie nie darüber nachgedacht, warum es gerade bei Ihnen so viel Auf und Ab gab?

Daum: Ich habe sehr viel nachgedacht. Du kommst immer wieder zu anderen Ergebnissen. Warum passierte das in Stuttgart, warum passierte das in Unterhaching? Das waren immer wieder unterschiedliche Lebenssituationen. Im Jahr 2000 war ich nach 27 Jahren von meiner Frau getrennt, das war eine ganz schwierige Situation für mich.

SZ: Sie könnten Bundestrainer sein, wenn Sie damals 2000 nicht gekokst hätten. Wann haben Sie das letzte Mal daran gedacht?

Daum: Jetzt, wenn Sie es ansprechen.

SZ: Sie haben mal gesagt: "Trenne dich nie von deinen Träumen, sonst hörst du auf zu leben." Wovon träumen Sie heute?

Daum: Es gibt so viele Herausforderungen - die Umwelt, soziale Fragen, die Erziehung meiner Kinder. Und den Fußball.

SZ: Unabhängig von Köln, was wollen Sie in Ihren Leben noch gewinnen?

Daum: Fußball-Weltmeister wäre nicht schlecht. Aber das wird jetzt gleich wieder falsch verstanden (lacht).

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