Reden wir über Geld:"Banken haben viel an Vertrauen verloren"

Endlich mal ein reuiger Banker: Hypo-Vereinsbank-Vorstand Andreas Wölfer über die Fehler der Banken in der Finanzkrise und den Umgang mit reichen Kunden.

T. Fromm und A. Hagelüken

Andreas Wölfer, 47, ist im Vorstand der Hypo-Vereinsbank (HVB) für das Geschäft mit vermögenden Kunden zuständig. Während in Deutschland die Wut auf Reiche wächst, hat er mit den Vermögensverlusten seiner Klientel zu kämpfen. Ein Gespräch über das große Geld.

Reden wir über Geld: Hypo-Vereinsbank-Vorstand Andreas Wölfer: "Vielen unserer Kunden ist schon bewusst, dass sie privilegiert sind."

Hypo-Vereinsbank-Vorstand Andreas Wölfer: "Vielen unserer Kunden ist schon bewusst, dass sie privilegiert sind."

(Foto: Foto: Hypo-Vereinsbank)

SZ: Herr Wölfer, reden wir über Geld. Als Vermögensmanager nehmen Sie nicht jeden. Was müssten wir mitbringen, damit Sie uns bei der Geldanlage assistieren?

Andreas Wölfer: Die Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten.

SZ: Jetzt mal im Ernst: Die Bereitschaft hätte auch ein Normalverdiener, aber den würden Sie ja nicht nehmen.

Wölfer: Sagen wir so: Ab einem flüssigen Vermögen von 500000 Euro aufwärts macht es Sinn, zu uns zu kommen.

SZ: Plus Immobilien und Goldbarren.

Wölfer: Wenn vorhanden, käme das noch dazu, ja.

SZ: Was ist der Unterschied zur normalen Kundenberatung?

Wölfer: Zum Beispiel das Beratungskonzept: Bei uns hat ein Kundenbetreuer rund 80 Kunden oder Familienverbünde. Im normalen Kundengeschäft muss sich ein Mitarbeiter im Branchendurchschnitt um rund 800 Kunden kümmern.

SZ: Welcher Service wird erwartet?

Wölfer: Unsere Kunden rufen schon mal nachts um ein Uhr aus New York an, wenn die Kreditkarte nicht funktioniert. Was die Leute wollen, ist Service rund um die Uhr, keinen Produktverkäufer.

SZ: Das hätten wir auch gerne. Stattdessen wollen uns alle ständig irgendwelche Finanzprodukte verkaufen, um hohe Gebühren zu kassieren. Müssen wir direkt für die Beratung an eine Bank zahlen, um ernstgenommen zu werden?

Wölfer: (lacht) Bei uns muss niemand etwas dafür zahlen, um als Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Berechnet wird immer nur die Dienstleistung, die Sie in Anspruch nehmen, je nach Aufwand ist der Betrag eben unterschiedlich hoch. In unserer Vermögensberatung zum Beispiel zahlt jeder Kunde eine Individualvergütung, hier gibt es keine festen Tarife.

SZ: Und Sie beraten anders als bei normalen Kunden?

Wölfer: Unsere Kunden beraten wir grundsätzlich nicht anders als die übrigen Kunden auch. Es geht immer um die Frage, welche Rendite bei wie großer Sicherheit erwirtschaftet werden soll. Die Beratung der vermögenden Kunden ist aber häufig intensiver, weil es bei großen Vermögen oft um komplexere Fragestellungen geht.

SZ: Wo finden diese Gespräche mit den Reichen statt?

Wölfer: Nennen wir sie Vermögende.

SZ: Warum?

Wölfer: Unsere Kunden bezeichnen sich selbst lieber als "erfolgreich" oder "vermögend". Das ist vielleicht eine deutsche Eigenart: Hier definieren sie sich nicht über ihren Reichtum, sondern vor allem über den persönlichen Erfolg und die Leistungen, die ihnen zu ihrem Wohlstand verholfen haben.

SZ: Empfehlen Sie Ihren Kunden, einen Teil ihres Geld zu spenden, um den sozialen Frieden zu erhalten?

Wölfer: Vielen unserer Kunden ist schon bewusst, dass sie privilegiert sind, auch wenn sie sich dies in der Regel selbst hart erarbeitet haben. Deshalb ist ein großer Teil auch bereit, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben.

SZ: Es gibt in Deutschland 826.000 Millionäre und es werden noch mehr.

Wölfer: Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Die Finanzkrise hat auch die Millionäre stark getroffen.

SZ: Nach der Internet-Blase zu Anfang des Jahrtausends etwa stieg die Zahl der Millionäre ungebremst weiter.

Wölfer: Ja, aber damals hatten hauptsächlich Aktien an Wert verloren, vor allem aus dem Technologiesektor. Von der momentanen Krise sind fast alle Geldanlageformen betroffen: Aktien, Rohstoffe, Geldmarktfonds, in vielen Ländern auch Immobilien. Dieser Krise konnte kaum jemand ausweichen. Da kann es passieren, dass jemand, der vorher eine Million Euro hatte, heute nur noch einen Teil davon besitzt. Vermögende haben unter der Krise besonders gelitten.

SZ: Warum?

Wölfer: Die meisten Deutschen haben in der Regel höchstens sieben bis zehn Prozent flüssiges Vermögen in Aktien, Fonds, Festgeld oder Anleihen angelegt. Der Rest steckt in Versicherungen und meist auch in der eigenen Immobilie. In diesen Bereichen waren die Verluste gering. Vermögendere dagegen investieren durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent in liquide Anlageformen und Wertpapiere. Sie sind deshalb stärker von Wertverlusten betroffen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Andreas Wölfer die Verantwortung der Banken in der Krise einschätzt - und ob der Umgang mit Reichen auf die eigenen Ansprüche abfärbt.

"In jeder Krise gibt es Chancen"

SZ: Wie schützt man sich vor dem nächsten Crash, wenn alle Geldanlagen gleichzeitig abstürzen?

Wölfer: Eine solche Krise wird sich hoffentlich in den nächsten hundert Jahren nicht noch mal wiederholen. Der beste Schutz ist aber weiter eine breite Streuung der Anlagen. Statt komplexer Produkte sind einfache Lösungen gefragt.

SZ: Die Krise ist auch ein Versagen der Eliten, von vielen Leuten, die zu Ihren potentiellen Kunden zählen.

Wölfer: Es gibt keinen Zweifel, dass auf allen Ebenen Fehler gemacht wurden. Trotzdem bleibt die soziale Marktwirtschaft ohne Alternative. Von ihr profitieren die meisten Bürger.

SZ: Kritisiert man Sie für Ihre Arbeit?

Wölfer: Unser Berufsstand steht derzeit in der Kritik. Die Banken haben viel an Vertrauen verloren. Aber wir Banker müssen auch unsere eigene Rolle in der Entstehung der Krise kritisch hinterfragen. Wir haben bestimmten Entwicklungen an den Finanzmärkten nicht Einhalt geboten. Das war ein Fehler.

SZ: Endlich mal ein reuiger Banker.

Wölfer: Wobei ich darauf Wert lege, dass nicht nur Banker diese Krise zu verantworten haben. Wie komplex und gefährlich bestimmte Marktmechanismen waren, haben auch die Bankenaufsicht, Ratingagenturen und viele andere nicht erkannt. Andererseits: Das Finanzsystem hat in den vergangenen Jahren auch einen starken Aufschwung finanziert. Davon haben viele Menschen profitiert.

SZ: Ein Boom, der finanziell nicht bei allen ankam.

Wölfer: Die Vorstellung, dass Reichtum gerecht und an alle verteilt wird, ist mit dem Kommunismus gescheitert.

SZ: So so. Der Crash entstand auch durch die Renditengier. Finden Sie es gut, dass Deutsche-Bank-Chef Ackermann schon wieder 25 Prozent Eigenkapitalrendite ankündigt? Die lässt sich nur über riskantere Geschäfte erzielen.

Wölfer: Es steht mir nicht zu, Strategien und Ziele eines anderen Hauses zu kommentieren. Klar ist: Wenn eine Bank nicht erfolgreich ist, wird sie in der Folge am Markt schlecht bewertet. Allerdings zählen nicht mehr die kurzfristigen Gewinne, sondern die Nachhaltigkeit des Erfolgs. Die Bank der Zukunft wird zunehmend nicht mehr nur an der Eigenkapitalrendite gemessen werden.

SZ: Sind Ihnen die kleinen Geschäftsbanken nicht überlegen? Namen wie Privatbank Sal. Oppenheim klingen eindeutig edler als HVB. HVB könnte auch ein Klebstoff sein.

Wölfer: Der Name mag besser klingen, aber wir haben mehr zu bieten. Wir sind ein starkes regionales Institut und nah am Kunden. So haben wir allein in Deutschland 45 Wealth Management Standorte - von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen.

SZ: Müssen Sie Ihr Geschäft "Wealth Management" nennen? Reicht nicht das deutsche Wort Vermögensverwaltung?

Wölfer: Die Schweizer Banken sind mit diesem Geschäft in den vergangenen Jahren stark expandiert und haben den Begriff geprägt. Aber Sie haben schon recht: Anglizismen sind in der Regel überflüssig. Entscheidend ist letztlich doch eine gute Idee, die hinter einem Begriff steckt.

SZ: Hören Ihre Berater viele Vorwürfe, so in der Art: Was habt ihr mit meinem Geld gemacht, es ist so wenig übrig?

Wölfer: Natürlich gab es schwierige Gespräche. Gleichzeitig honorieren es aber unsere Kunden, dass wir den persönlichen Kontakt zu ihnen auch in schwierigen Zeiten aktiv suchen. Und: In jeder Krise gibt es auch Chancen, die wir aufzeigen können.

SZ: Sie beraten ständig Reiche. Färbt das auf die eigenen Ansprüche ab?

Wölfer: Man sieht viel - und bewundert schon mal ein Auto oder eine Villa. Aber ich arbeite viel, sehe meine Familie häufig nur am Wochenende. Deshalb ist das Zusammensein mit meiner Frau und den Kindern für mich Luxus. Natürlich gehe ich auch gerne mal mit einem guten Kunden in die Oper, aber ich muss mich nicht ständig in den Kreisen unserer Kunden bewegen, um glücklich zu sein.

SZ: Ihre Freunde von früher ...

Wölfer: ... sind auch heute noch meine Freunde, ich pflege weiterhin denselben Freundeskreis.

SZ: Nur als Kunden würden Sie sie nicht nehmen.

Wölfer: Je nachdem.

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