Reden wir über Geld:"Anlagebetrug lohnt sich mehr als Drogenhandel"

Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber über das Abzockerparadies Deutschland und Mülltrennung als Verbrechensbekämpfung.

A. Hagelüken und H. Wilhelm

Medard Fuchsgruber, 44, ist einer der bekanntesten Wirtschaftsdetektive Deutschlands. Seit über 20 Jahren spürt der Saarländer Anlagebetrüger und verschwundenes Geld auf - am grauen Kapitalmarkt verlieren die Deutschen jedes Jahr mehrere Milliarden Euro. Fuchsgruber sitzt breitbeinig in der Kanzlei eines Münchner Anwalts, mit dem er zusammenarbeitet. Vor ihm auf dem Boden liegt ein riesiger Wachhund. Während des Gesprächs fängt dieser an, seinem Herrchen die Hand zu lecken.

Detektiv, Foto: dpa

Seit mehr als 20 Jahren fahndet Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber nach Anlagebetrügern und verschwundenem Geld. Er sagt: "Es ist normal, dass einer anruft und sagt, er dreht mir den Hals um."

(Foto: Foto: Katja Henkel)

SZ: Herr Fuchsgruber, reden wir über Geld. Und, äh, Tiere. Warum haben Sie einen Hund dabei?

Medard Fuchsgruber: Der reist immer mit. Das beruhigt mich. Als ich in den achtziger Jahren mit den Recherchen in der Warenterminszene anfing, waren die Sitten ziemlich hart. Die hatten Verbindungen zur organisierten Kriminalität.

SZ: Wurden Sie bedroht?

Fuchsgruber: Es ist normal, dass einer anruft und sagt, er dreht mir den Hals um. Und mit platten Reifen muss ich rechnen.

SZ: Wie viel Angst haben Sie?

Fuchsgruber: Es ist besser geworden. In den achtziger Jahren war es noch viel einfacher zu betrügen. Da tummelten sich auch die, die schon aussehen wie Kriminelle. Die sind heute weg.

SZ: Und müssen wieder als Türsteher arbeiten?

Fuchsgruber: Genau.

SZ: Fühlen Sie sich noch bedroht?

Fuchsgruber: Es kann immer was passieren. Mit einem Informanten hab' ich mich mal nachts auf einem Parkplatz getroffen. Es konnte eine Falle sein. Da war ich froh um den Hund.

SZ: Warum tun Sie sich den Job an?

Fuchsgruber: Ich verdiene so mein Geld. Die betrogenen Anleger zahlen eine Aufwandsentschädigung und eine Beteiligung bei Erfolg. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Viele Anleger verlieren sehr viel Geld, manche werden depressiv und medikamentenabhängig - und sind wahnsinnig dankbar, wenn man einen Teil des Geldes zurückholt. Ach ja, und es macht Spaß, die Betrüger aufs Glatteis zu führen.

SZ: Was sind Ihre Tricks? Wühlen Sie im Abfall, um geheime Akten zu finden?

Fuchsgruber: Schon. Zum Glück ist das seit der Mülltrennung einfacher. Früher hatte ich Bananenschalen und Kondome zwischen den Akten. Heute ist alles schön sauber.

"Ein Eldorado für Kapitalanlagebetrüger"

SZ: Mülltrennung als Verbrechensbekämpfung. Auf welche Argumente fallen Anleger denn am häufigsten herein?

Fuchsgruber: Den Deutschen ist Steuersparen wichtiger als Sex. Deshalb werben Betrüger fast immer mit dem Steuersparen. Außerdem fallen Anleger auf das Argument herein, etwas sei sicher - oder gut für die Umwelt. Ein Betrüger verkaufte Beteiligungen an Windkraftanlagen, die er auf ein Schiff stellte. Das Schiff fiel um, das Geld war weg.

SZ: Lernen die meisten Anleger aus solchen Erfahrungen?

Fuchsgruber: Nein. Einer ließ sich fünfmal reinlegen und verlor 150.000 Mark. Der investierte erst 30.000 Mark, die waren weg. Aber er dachte: Das Geschäft ist gut, es hat nur diesmal nicht funktioniert. Also legte er weiter an und fiel auf immer neue Versprechen rein.

SZ: Wie viele Anleger fallen nochmals rein?

Fuchsgruber: 25 bis 35 Prozent.

SZ: Ist jemand nicht selber schuld, wenn er ein fünftes Mal hereinfällt?

Fuchsgruber: Ich tue mich schwer, solche Menschen zu kritisieren.

SZ: Sind Deutsche dümmer als andere?

Fuchsgruber: Nein. Aber Deutschland ist ein Eldorado für Kapitalanlagebetrüger. Die Gesetze sind lax, Betrüger werden nicht so stark verfolgt. Und die Deutschen sind reich.

SZ: Wovon sollte man die Finger lassen?

Fuchsgruber: Von Anlagen, die man nicht versteht.

SZ: Dann dürften wir uns auch keine Waschmaschine kaufen.

Fuchsgruber: (lacht) Aber dabei ist der finanzielle Schaden kleiner.

SZ: Woran erkennt man noch Betrug?

Fuchsgruber: Wenn man zeitlich gedrängt wird. Und das Versprechen: Wir machen nur dich reich. Solche Angebote sollten Sie vergessen. Und die Show ist schlecht. Die muss der Kunde bezahlen.

SZ: Sind Menschen mit Hauptschulabschluss anfälliger als Akademiker?

Fuchsgruber: Nein. Ein Beispiel: Ein erfolgreicher Unternehmer hebt 30 Millionen Mark ab und fährt mit seinem Anwalt nach Paris. Dort wird ihm in einem edlen Hotel eine große Show vorgespielt. Der Anleger schiebt das Geld über den Tisch einem französischen Politiker zu. Da kommt einer herein und sagt zu dem Politiker: "Sie müssen schnell ans Telefon." Der Politiker steht auf, nimmt den Koffer und sagt zu dem Anleger: "Wir sehen uns ja nachher beim Dinner." In dem Moment fragt der Anleger natürlich nicht nach einer Quittung.

SZ: Und das Geld war weg?

Fuchsgruber: Ja. Das Unglaublichste: Die Polizei hat die Typen erwischt. Aber der Anleger bekam seine 30 Millionen nie wieder - weil er keine Quittung hatte.

SZ: 30 Millionen bei einem Geschäft - Anlagebetrug lohnt sich.

Fuchsgruber: Es ist höchst rentierlich. Für Drogen- und Waffenhandel müssen Sie mit hohen Strafen rechnen. Bei Anlagebetrug nicht, man bekommt höchstens drei, vier Jahre. Und wenn man lesen und schreiben kann, wird man sofort Freigänger. Also: Anlagebetrug lohnt sich mehr als Drogenhandel

SZ: Wie viel Startkapital braucht ein Betrüger?

Fuchsgruber: Eine Million Euro schon. Die Show soll ja stimmen, wie im Pariser Fall. Ein Betrüger braucht Prospekte, schöne Büros, Renommee. Dann kann er das 10- bis 50-Fache erbeuten.

"Die meisten Betrüger sind Profilneurotiker"

SZ: Wie kauft jemand Renommee?

Fuchsgruber: Man kauft sich Doktortitel. Und Politiker, die sich mit einem sehen lassen. Durch Spenden kommen die. Und: Werbung in Sportstadien.

SZ: Was machen Betrüger mit dem Geld?

Fuchsgruber: Die Cleveren vergraben es oder überschreiben es an Verwandte. Wenn sie Insolvenz anmelden, können sie in Saus und Braus leben. Die Immobilie gehört der Tochter, das Konto der Ehefrau, der Ferrari dem Schwiegersohn. Die Gesetze machen es leicht.

SZ: Ist Geld das einzige Motiv für Betrüger?

Fuchsgruber: Die meisten sind Profilneurotiker. Und teils Verrückte. In Düsseldorf gab es eine Betrügerfirma, da fuhren die Angestellten im Parkhaus immer ganz schnell mit zwei Porsches durch die Schranke, um Gebühren zu sparen. Die zockten Millionensummen ab, wollten aber zwei Mark Parkgebühren sparen.

SZ: Was richten solche Betrüger an?

Fuchsgruber: Bei den betrogenen Anlegern gibt es furchtbare Schicksale. Die haben ihr ganzes Geld verloren und sogar Schulden angehäuft. Solche Menschen machen oft nicht mehr die Post auf, keine Briefe von der Bank. Und manche nehmen sich das Leben.

SZ: Weil sie sich schämen?

Fuchsgruber: Ja. Manche trauen sich nicht mehr aus dem Haus. Familien zerbrechen, weil sich die Mitglieder gegenseitig die Schuld geben. Manche verlieren die Achtung vor sich selbst. Bei uns will keiner zugeben, dass er betrogen wurde. Dabei ist schon fast jeder betrogen worden.

SZ: Sie auch?

Fuchsgruber: Jeder kann reinfallen. Sie auch, ich auch.

SZ: Sie weichen aus.

Fuchsgruber: Ich verlieh mal ein paar Tausender. Und bekam sie nicht zurück.

SZ: Sie sehen so viel Schlechtes in der Welt und verleihen trotzdem Geld?

Fuchsgruber: Gottlob kann ich Menschen noch vertrauen. Das Vertrauen wird zwar mal missbraucht, aber damit muss ich leben. Ich lass' mir die Lebensqualität nicht kaputtmachen. Als ich 17 war, fuhr mich ein Auto um. Zwei Jahre lang flickten sie mich zusammen. Seitdem weiß ich: Es gibt Wichtigeres als Geld.

SZ: Apropos Geld. Auf Ihrer Website steht, dass Sie auch Inkasso machen, also Geld eintreiben. Wie heißt Ihr bester russischer Schläger?

Fuchsgruber: Wie bitte?

SZ: Braucht man fürs Inkasso keine Schläger?

Fuchsgruber: Nein, ich mache etwas ganz anderes, kein normales Inkasso. Der einzige Russe, der bei mir arbeitet, ist der Hund.

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