Reden wir über Geld: Alexander Lebedew:"Sie könnten mich jeden Tag ins Gefängnis stecken"

"Die Krise kümmert mich nicht": Der russische Oligarch Lebedew über korrupte Beamte, Pläne mit Gorbatschow - und die Frage, warum er den Lebensstil eines Abramowitsch verabscheut.

Oliver Bilger

SZ: Herr Lebedew, reden wir über Geld.

Russischer Ex-Spion übernimmt britische Zeitung 'Evening Standard'

Ex-Spion, Milliardär und Zeitungskäufer: Alexander Lebedew

(Foto: dpa)

Lebedew: Sie wollen über Geld sprechen? Gerne. Aber warum reden Sie nicht mit Roman Abramowitsch? Da sehen Sie, wie jemand Milliarden für seinen persönlichen Genuss verprassen kann: für einen Fußballclub, Privatjets, Immobilien in der ganzen Welt, Boote. Ein perfektes Beispiel, wie man Geld nicht ausgegeben sollte. Gerade hat er für mehrere Millionen Euro in Deutschland eine neue Yacht bauen lassen.

SZ: Besitzen Sie auch eine Yacht?

Lebedew: Nein, ich habe überhaupt keine Boote. Ich besitze lediglich Anwesen in Russland und Westeuropa.

SZ: Teure Immobilien leisten Sie sich also.

Lebedew: Sie sind nicht teuer und nicht für einen privaten Gebrauch bestimmt. Es sind Kulturzentren oder Gebäude, in denen Benefizveranstaltungen und Konferenzen stattfinden. Meine persönlichen Ausgaben sind knapp bemessen. Wahrscheinlich liegt das an der Erziehung durch meine Eltern und der Prägung in der Sowjetunion. Wir gewöhnten uns daran, mit wenig zufrieden zu sein. Ich fühle mich in einem kleinen Hotelzimmer wohler als in einem großen Schloss.

SZ: Das sagt der Oligarch.

Lebedew: Diesen Begriff mag ich gar nicht. Ich bin ein ordentlicher Unternehmer. Ein guter Unternehmer kann das Leben für andere verbessern. Er schafft Jobs, modernisiert sein Land, erhöht den Lebensstandard. Er gibt Geld für wohltätige Zwecke aus, für Krankenhäuser, Theater, Kirchen.

SZ: Könnten die Oligarchen generell mehr für die Allgemeinheit tun?

Lebedew: Wenn sie es wollen. Ihr Engagement verbessert sich allmählich. Aber ich kann den Oligarchen keinen Rat erteilen. Trotzdem: Im Mai starben beim Grubenunglück von Raspadskaja hundert Arbeiter. Der Unfall geschah, weil offenbar zu wenig in die Sicherheit investiert wurde. Abramowitsch ist der Eigentümer der Mine und der kauft gleichzeitig eine neue Yacht - das sagt doch viel aus.

SZ: In den achtziger Jahren haben Sie für den sowjetischen Geheimdienst KGB in London gearbeitet. Haben Sie im Westen Ihren Geschäftssinn entwickelt?

Lebedew: Ich habe mein Geld in den neunziger Jahren verdient, nachdem ich aus dem Dienst ausgeschieden war. Ich hatte aber in London genug Zeit, um viele britische Zeitungen zu lesen. Das war die beste Wirtschaftsschule - wie eine Betriebsanleitung für spätere Geschäfte. In der Schule war die freie Marktwirtschaft in der Sowjetzeit ein Tabuthema.

SZ: In den Neunzigern konnten einige Geschäftsleute großen Reichtum anhäufen. Nicht immer ging es dabei völlig legal zu. Haben auch Sie vom Zusammenbruch der Sowjetunion profitiert?

Lebedew: Ich habe nie etwas aus den Händen der Regierung erhalten. Ich habe erst Geld auf den Finanzmärkten verdient, dann bin ich in die reale Wirtschaft eingestiegen. Ich habe alles von Null aufgebaut: meine Bank, die Fluglinien, das Flugzeugleasing-Geschäft, die Wohnungsbaugesellschaft. Ich bin der größte Kartoffelproduzent des Landes. Das alles ist mit großen Risiken verbunden. Es dauert eine lange Zeit bis ein neues Unternehmen Erfolg hat.

"Bitte glauben Sie Forbes kein Wort"

SZ: Leiden Sie heute eigentlich noch unter den Folgen der Wirtschaftskrise?

Lebedew: Die Krise? Die Krise kümmert mich nicht. Ich habe fast keine Kredite. Und die Krise betraf vor allem diejenigen, die Kredite aufgenommen hatten.

SZ: Das Magazin Forbes schrieb, Sie hätten in der Krise 2,5 Milliarden Dollar verloren.

Lebedew: Bitte glauben Sie kein Wort von dem, was Forbes schreibt.

SZ: Wie viel sind Sie denn wert?

Lebedew: Das Guthaben meiner Privatkonten übersteigt selten zwei bis drei Millionen Dollar und alles ist angelegt. Das Vermögen meiner Firmen haben Wirtschaftsprüfer im Jahresbericht 2008 mit 3,5 Milliarden Dollar angegeben.

SZ: Das war zu Beginn der Krise. Heute sind Sie noch zwei Milliarden Dollar wert, schreibt Forbes.

Lebedew: Ach was, ich bin mehr wert. Ich mache Forbes ein Angebot: Ich bezahle sie dafür, dass sie mein Unternehmen völlig transparent machen. Ich gebe ihnen jede Information dafür. Im Grunde gibt sich Forbes ja Mühe; sie sind die einzigen, die für etwas Transparenz sorgen. Lange Zeit dachte ich, undurchsichtige Unternehmen sind typisch für Russland, so wie Gazprom. Aber es gibt sie auch woanders - etwa in Deutschland ...

SZ: ... wo Ihre Fluglinie Blue Wings im Frühjahr Insolvenz anmelden musste.

Lebedew: Ich habe in Deutschland mehr als 500 Millionen Euro in die Gründung einer Fluggesellschaft investiert, die mit der Lufthansa konkurriert und hochwertige Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen anbietet. Aber ich war nicht in der Lage, mein Management zu kontrollieren. Intransparenz in Deutschland war bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt für mich. Mein Geld wurde gestohlen.

SZ: Sie erheben schwere Vorwürfe gegen Ihre ehemaligen Geschäftspartner.

Lebedew: Die Wirtschaftsprüfer von KPMG haben viele Missbräuche des deutschen Managements zum Vorschein gebracht. Die Mitarbeiter wickelten ihre eigenen Geschäfte mit dem Geld der Fluggesellschaft ab. Belegt ist der Kauf teurer Immobilien und Steuerhinterziehung. Das ist nur ein Bruchteil aller Vergehen des Managements. Es gibt viele interessante Einzelheiten, über die ich jetzt noch nicht sprechen kann. Zunächst muss die Staatsanwaltschaft ermitteln. Das alles geschah nicht etwa in Papua-Neuguinea, sondern in Deutschland, im Wirtschaftszentrum Europas.

SZ: Wie ist die Situation in Russland?

Lebedew: Russland muss modernisiert werden. Sämtliche Technologien sind veraltet, nichts wird selbst produziert, sondern alles importiert. Aber die Politik wird Russland nicht modernisieren können - im Gegenteil: Sie behindert die Modernisierung. Der Staat muss ein Regulator der Wirtschaft sein, nicht Akteur. Ein großes Problem ist auch die Korruption.

SZ: Fürchten Sie Ärger, weil Sie die Regierung öffentlich kritisieren?

Lebedew: Nur mit offener Kritik lässt sich in diesem Land etwas ändern. Sonst fallen wir zurück in die Sowjetzeit. Wir haben Wahlen, die keine sind, wir haben zu wenig Pressefreiheit. Auch wenn sich meine Kritik negativ auf meine Geschäfte auswirkt: Ich verteidige meine Werte, sonst müsste ich auswandern. Das will ich nicht, ich mag das Land.

SZ: In den vergangenen Monaten war es sehr ruhig um Sie. Warum eigentlich?

Lebedew: Ich habe viel nachgedacht, darüber, was ich als nächstes machen will. Und ob ich jeden Tag mit der Gewissheit aufwachen möchte, dass ich heute verhaftet werden könnte.

SZ: Verhaftet?

Lebedew: Ich finanziere die kritische Zeitung Nowaja Gaseta, ich kritisiere Regierung und Bürokratie. Sie könnten mich jeden Tag ins Gefängnis stecken.

SZ: Kritiker sagen: Sie stehen dem Kreml näher als Sie zugeben. Schon der Zar hielt sich einen Hofnarren, der alles sagen durfte, aber ohne Einfluss war.

Lebedew: Ich kenne diese Geschichten. Es heißt: Lebedew ist das Trojanische Pferd Putins. Oder sie sagen das Gegenteil: Lebedew ist ein Gegner Putins. Putin hilft mir nicht bei dem was ich tue, aber er beobachtet es.

"Vielleicht arbeite ich dann als investigativer Journalist"

SZ: Was müsste sich in Russland ändern? Immerhin will die Regierung den Staat modernisieren.

Lebedew: Für eine Modernisierung brauchen wir mehr ausländische Investitionen. Wenn wir Russland nicht für ausländische Investitionen öffnen, dann war's das. Putin und Medwedjew sind dafür gerade sehr offen. Noch vor zwei Jahren war das anders. Aber viele Unternehmer winken ab: kein Interesse.

SZ: Präsident Medwedjew setzt große Hoffnungen in Skolkowo, einem russischen Silicon Valley, das in der Nähe von Moskau geplant ist.

Lebedew: Die Vorstellung, dass Nanotechnologie plötzlich aus dem Nichts entsteht, ist eine Übertreibung. Die Regierung versucht, alles alleine zu machen. Sie sollte stattdessen Geld ausgeben, um die Gründung von Millionen von Unternehmen zu unterstützen. Sie werden für Innovationen sorgen. Putin und Medwedjew müssen Konditionen schaffen, damit sich alle an der Modernisierung beteiligen können.

SZ: Und wie tragen Sie dazu bei?

Lebedew: Ich träume von einer internationalen Stiftung, mit dem Namen Glasnost, also Offenheit - gemeinsam mit Michail Gorbatschow.

SZ: Was soll die Stiftung machen?

Lebedew: Wir vergeben Preise für Meinungsfreiheit, unterstützen Medien, fördern investigativen Journalismus und bekämpfen die internationale Korruption. Wenn Geld zur Verfügung steht, lassen sich so viele Missstände aufdecken.

SZ: Sie und Gorbatschow wollen also gegen die Korruption kämpfen?

Lebedew: Alleine haben wir keine Chance. Wir versuchen die hundert wichtigsten Unternehmer aus der ganzen Welt dafür zu gewinnen. Warum arbeiten nicht Carlos Slim Helú, Bill Gates, Warren Buffet und andere zusammen? Jeder sollte hunderttausend Dollar für die Stiftung spenden.

SZ: Und was haben die Investoren davon?

Lebedew: Wir versuchen, sie für die russische Wirtschaft zu interessieren. Die Unternehmer erhalten einen Anteil an meinem Fonds, der National Reserve Cooperation. Und ich zahle die halbe Million jeweils in die Stiftung.

SZ: Wie konkret sind diese Pläne?

Lebedew: Ich denke, wir gründen die Stiftung im März 2011, zu Gorbatschows 80. Geburtstag. Ich beende gerade einen Entwurf, dann werde ich mehr dazu sagen. Wenn uns viele ausländische Unternehmer unterstützen, kann ich selbst vielleicht meine Geschäfte abgeben. Im Moment ist meine Zeit jedoch zu 99 Prozent von meinen Unternehmen belegt: von Kartoffeln, Banken und Flugzeugen. Aber vielleicht werde ich eines Tages kein Unternehmer mehr sein. Dann arbeite ich stattdessen als investigativer Journalist.

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