Reden wir über Geld (31): Fettes Brot:"Wir wollen dicke Gagen"

Die Hip-Hop-Band Fettes Brot über ihre Wandlung zu Kapitalisten, das Ende der Plattenkonzerne und warum Fans ruhig Musik illegal kopieren dürfen.

M. Völklein und H. Wilhelm

Ein Hinterhof in Hamburg, oder genauer: in St. Pauli. Auf einer Tür steht "Fettes Brot Schallplatten GmbH". Die drei Hip-Hopper König Boris, 34, Björn Beton, 35, und Dokter Renz, 34, sind nicht mehr bei einem großen Plattenkonzern unter Vertrag, sondern habe ihre eigene Firma gegründet. Die drei Hamburger Jungs, Pioniere des deutschen Sprechgesangs, reden über ihr neues Leben als Unternehmer. Es unterscheidet sich immer noch von anderen Unternehmern: Zu trinken gibt es Kaffee, Mineralwasser - und Wodka, um zwei Uhr nachmittags.

Reden wir über Geld (31): Fettes Brot: Björn Warns (links), Martin Schrader (Mitte) and Boris Lauterbach sind "Fettes Brot".

Björn Warns (links), Martin Schrader (Mitte) and Boris Lauterbach sind "Fettes Brot".

(Foto: Foto: AP)

SZ: Meine Herren, reden wir über Geld. Sie haben sich mit einer eigenen Plattenfirma selbständig gemacht, sind jetzt Unternehmer ...

König Boris: ... so isses, uns ist quasi eine Krawatte gewachsen...

SZ: ... machen Sie seitdem andere Musik?

Dokter Renz: Nein. Ich bin erstaunt, dass wir es gut hinkriegen, hier das Geschäft zu machen, und drüben im Studio die Musik. Es wäre völlig hinderlich, wenn man beim Musikmachen schon über die Verwertbarkeit des Liedes nachdenken würde.

SZ: Aber Sie müssen die Platten nicht nur aufnehmen, sondern auch verkaufen.

Dokter Renz: Aber zum Glück können wir sie erst verkaufen, nachdem sie fertig sind. In der Zeit, in der wir die Platte machen - ein Jahr dauert das etwa - verkaufen wir herzlich wenig, da machen wir nur Musik. Das läuft ganz langsam an und wird wie eine Dampflok immer schneller, bis die zwölf Lieder fertig sind.

SZ: Gehen Sie anders mit Geld um, seit Sie Unternehmer sind?

König Boris: Nein. Naja, doch. Wir gucken mehr aufs Geld, weil wir ja jetzt unser eigenes ausgeben und nicht das der Plattenfirmen. Das haben wir um einiges leichter ausgegeben.

Dokter Renz: Als wir noch bei einer Plattenfirma unter Vertrag waren, haben wir einmal eine Werbebande für 50000 Mark im Stadion von St. Pauli gemietet. Das würden wir heute nicht mehr machen.

Björn Beton: Jetzt ist das Ganze erstens in Euro und zweitens unser eigenes Geld.

SZ: Wie teilen Sie sich den Gewinn?

Dokter Renz: Der Musketiergedanke steht im Vordergrund. Wir teilen alles gerecht.

König Boris: Der Notar war sehr irritiert. Auch darüber, dass wir Entschlüsse einstimmig treffen wollen.

SZ: Hat er Ihnen abgeraten?

Björn Beton: Ja, er fand das merkwürdig und mafiös. Das hat uns dann erst recht darin bestärkt, es so zu machen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Fettes Brot auf ein fettes Plattenlabel verzichten.

"Wir wollen dicke Gagen"

SZ: Warum haben Sie sich selbständig gemacht?

Dokter Renz: Unser Manager hatte sich das ausgedacht, als unser Vertrag bei der Plattenfirma EMI auslief. Erst waren wir wenig begeistert. Aber vermutlich gibt es so einen Zeitpunkt in der Entwicklung einer Band, zu dem sich das anbietet. Als es dann so weit war, fühlte es sich an wie Erwachsenwerden.

SZ: War es die richtige Entscheidung?

König Boris: Klar. Unser erstes Album, das im Anschluss erschien, war ein irrer Erfolg. Das war ein guter Start. Finanziell hat es sich gelohnt. Es bleibt mehr hängen bei uns, weil weniger andere Leute mitverdienen.

Björn Beton: Uns hat auch die Wandlung der Musikindustrie geholfen. Heute wird eine Firma wie iTunes von ein paar Typen in Amsterdam gemacht. Man braucht keine große Plattenfirma mehr, um Songs als MP3 dort anzubieten. Deshalb war es zeitgemäß, uns zu fragen, welchen Vorteil und welche Sicherheit ein großes Plattenlabel noch für uns hat.

SZ: Ist die Zeit der Großen vorbei?

König Boris: Unsere kleine Firma ist einfach schneller und wendiger. Wir können uns an die sich rasant verändernde Musikindustrie anpassen. Es findet eine Umwälzung statt - die Zeiten sind unsicher, wir wissen nicht, wie es nächstes Jahr aussieht. Da ist es von Vorteil, nicht so einen bürokratischen Klotz am Bein zu haben.

SZ: Was hat sich verändert?

König Boris: Wir verdienen mit Tonträgern immer weniger. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Viel hat sich auf den Live-Sektor verlagert. Das bekommen wir deutlich zu spüren. Und wir reagieren: Wir haben uns live neu aufgestellt, haben eine große Tour-Band.

SZ: Gehen Sie mehr auf Tour als früher, um Geld zu verdienen?

Dokter Renz: Nein, wir nehmen einfach mehr Geld. (Lachen) Es ist wirklich alles anders: Mittlerweile verkaufen wir mehr Songs im Internet als auf CD. Bis vor kurzem war das noch Zukunftsmusik, aber es kam schneller, als wir dachten. Den jungen Menschen muss man fast erklären, was eine CD überhaupt ist. Die kaufen sich die Songs bei iTunes.

König Boris: Ich finde den Preis im Internet auch realistischer. Wenn eine CD 17 Euro kostet, finde ich das zu viel. 99 Cent für ein Lied im Internet - das finde ich dagegen okay, das kann ich nachvollziehen.

SZ: Sie sind also nur 99 Cent wert?

König Boris: Nee, das kann man so ja wohl nicht sagen. Wir bestehen ja nicht nur aus Songs, sondern auch aus T-Shirts. (Lachen)

Dokter Renz: Ich finde es voll okay, wenn sich Leute unsere CDs von Freunden brennen lassen und dann auf unser Konzert kommen. Solche Menschen verurteile ich nicht moralisch. Jeder muss gucken, wie er sein Geld anlegt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Fettes Brot keine blöden Romantiker sind.

"Wir wollen dicke Gagen"

SZ: Die Menschen ziehen sich Musik illegal im Netz oder lassen sich Platten von Freunden brennen - und das finden Sie gut? Das ist nicht Ihr Ernst.

Dokter Renz: Rein künstlerisch ist das ein Traum. Der Künstler will von möglichst vielen Menschen gehört werden. Was gibt es Schöneres? Klar ist der nächste Gedanke: Ihr solltet euch die Platte lieber kaufen als brennen.

Björn Beton: Das habe ich dem Mädchen, das mir am Flughafen eine gebrannte CD zum Unterschreiben hingehalten hat, auch gesagt.

Dokter Renz: Auf unserer Seite im Internet hat einer geschrieben: Das neue Lied von Fettes Brot ist so geil, kann mir das jemand schicken? So läuft es gerade, da können wir nichts dran ändern. Und wichtig ist doch: Die Veränderungen auf dem Musikmarkt bedeuten nicht, dass die Musik für die Menschen unwichtiger geworden ist. Im Gegenteil, Musik hat immer noch einen wahnsinnig hohen Stellenwert.

SZ: Sie sagen, dass Sie mehr mit Live-Auftritten verdienen. Haben Sie die Ticketpreise erhöht?

Dokter Renz: Das muss man kalkulieren. Wir würden natürlich am liebsten für horrende Gagen spielen - bei ganz niedrigen Ticketpreisen. Geht aber nicht, denn wo soll das Geld denn herkommen, wenn nicht von den Zuschauern? Gut, mittlerweile sind Festivals außerdem total durchgesponsert. Daran hat man sich jetzt schon gewöhnt. Ob das gut oder schlecht ist, das ist halt das kapitalistische System, in dem wir leben. Mittlerweile sind Konzerte nach Versicherungen benannt, wie Fußballstadien.

König Boris: Man findet kaum mehr ein Festival mit erdigem Namen, eins, das einfach nur heißt.

SZ: Das Sponsoring macht die Ticketpreise günstiger.

Björn Beton: Klar, hat nicht nur schlechte Seiten. Und fairerweise muss man sagen: Wen interessiert schon die Cola-Werbung neben der Bühne? Es geht um die Band, die einen geilen Song spielt.

SZ: Aber Sie helfen den Firmen, sich ein cooles Image aufzubauen.

König Boris: Das stört uns. Aber wir sind ja keine blöden Romantiker, die denken: Wie schön wäre das, wenn das hier nur eine grüne Wiese wäre.

Dokter Renz: Doch, natürlich sind wir im Herzen blöde Romantiker.

König Boris: So isses. Aber wir haben unseren Frieden damit gemacht, dass es Sponsoren gibt.

SZ: Wenn die Sponsoren Sie so stören, könnten Sie ja Ihre Gage um die Hälfte kürzen.

Dokter Renz: Nein. Wir sind Geschäftsmänner, die dicke Gagen wollen. Zumal wir eben mit Plattenverkäufen nicht mehr so viel verdienen wie früher.

König Boris: Deshalb müssen wir aber noch lange keine Klingeltöne machen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Fettes Brot zu den Vorwürfen, eine "Mittelstandsband" zu sein, sagen.

"Wir wollen dicke Gagen"

SZ: Aber in der Hip-Hop-Szene geht es derzeit doch hauptsächlich ums Verkaufen, ums große Geld.

Dokter Renz: Das ist interessant. HipHop war eine anti-kommerzielle Jugendbewegung, wo Leute für zu hohe Gagen gedisst wurden. Das hat sich komplett ins Gegenteil verkehrt.

Björn Beton: Mittlerweile kann man sich als guter Geschäftsmann in seinen Songs anpreisen, als der, der sich am besten zu vermarkten weiß. Dafür bekommt man Anerkennung: Mittelmäßiger Rapper, aber sauguter Geschäftsmann.

SZ: Warum hat sich das verändert?

Björn Beton: Durch eine Erfolgsexplosion, das gab es in allen Musikrichtungen. Von Underground zum Mainstream. Am Anfang wurde diskutiert, was Ausverkauf ist und was nicht. Heutige Bands können mit der Diskussion gar nichts mehr anfangen. Früher wurden Bands dafür gedisst, wenn sie mit der Bravo geredet haben. Heute ist man der Coolste, wenn man auf dem Titel ist.

König Boris: Viel ist auch US-Plagiat. Viele Statussymbole wurden einfach eins zu eins übernommen, blind.

Dokter Renz: Und das war früher noch nicht so. Aber wer sind wir, dass wir den neuen Bands das sagen?

Björn Beton: Auf bestimmte moralische Grundlagen sollte man sich schon einigen können. Das sagen wir ja auch in unseren Liedern. Es fehlt absolut an Selbstkritik und an Kritik gegenüber dem, was aus Amerika kommt. Außerdem sind die Songs sehr unpolitisch geworden.

SZ: Sie meinen zum Beispiel den Rapper Bushido.

König Boris: Selbst bei denen, die für sich eine Ghetto-Vergangenheit in Anspruch nehmen, gibt es nie ein Aufbegehren gegen die Oberen. Stattdessen treten sie nach unten. Sie wenden sich gegen Minderheiten, gegen Menschen, denen es noch schlechter geht als ihnen selbst. Uns wird vorgeworfen, eine "Mittelstandsband" zu sein. Was soll das denn heißen? Ich weiß, wie es ist, kein Geld zu haben. Ich habe Freunde, die von Hartz IV leben. Uns ist klar, dass es ein Privileg ist, mit etwas mehr als genug Geld zu verdienen, was so viel Spaß macht. Wir würden das auch machen, wenn wir dafür kein Geld kriegen würden.

SZ: Nicht wirklich.

Dokter Renz: Ich weiß nicht wirklich, wie das wäre: Zehn Jahre Taxifahren, um die Musik zu finanzieren. Vielleicht ist man dann einfach irgendwann gefrustet. Weil man auch nicht gehört wird. Wir wissen mit jedem Lied, das wir auf Platte pressen, erreichen wir jemanden. Wenn ich das nicht hätte, dann weiß ich nicht, ob ich noch Lust hätte.

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