Süddeutsche Zeitung

Reden wir über Geld (17): Hermann Messmer:"Geld regiert die Scheidung"

Der Scheidungsanwalt Hermann Messmer über seine 5000 Trennungsfälle, die Haltbarkeit moderner Beziehungen und warum Paare am meisten übers Geld streiten.

A. Hagelüken, A. Mühlauer und T. Öchsner

Auf Hermann Messmers Schreibtisch gibt es keinen Computer, nur ein Telefon aus den siebziger Jahren. Das genügte ihm damals, als er zu Münchens bekanntestem Scheidungsanwalt wurde. Heute, mehrere tausend Ehescheidungen später, genügt es ihm immer noch. Messmer, 73, empfängt zusammen mit einem Hund, der sehr gerne bellt und Menschen anspringt. Auf den muss er heute Abend aufpassen. Der Hund gehört einer Freundin. Zeit für ein Gespräch über Liebe und Geld.

Hermann Messmer: Sie wollen also mit mir über Geld reden.

SZ: So ist es.

Messmer: Ja, das Geld (überlegt). Was mich immer wieder am meisten enttäuscht, ist: Die Leute streiten sich bei einer Scheidung nicht so viel über die Kinder oder das Haus, sondern vor allem übers Geld. Geld regiert die Scheidung.

SZ: Warum das?

Messmer: Bei der Scheidung soll jemand für etwas zahlen, von dem er sich nichts mehr runterbeißen kann. Der Mann muss für die Frau Unterhalt zahlen, obwohl er sie verlassen hat. Da sind viele einfach sauer.

SZ: Welche Rolle spielt Rache?

Messmer: Eine sehr große. Männer probieren es oft mit dem Holzhammer. Frauen fechten ein bisschen mehr mit dem Florett, mit List und Tücke. Oft gehen aber die Emotionen durch und die Leute tun Dinge, mit denen sie sich selbst schaden.

SZ: Was haben Sie da erlebt?

Messmer: Zum Beispiel hat eine Frau den Arbeitgeber ihres Mannes angerufen und gesagt: Als er sich letztes Jahr krank gemeldet hat, war er in Wirklichkeit mit seiner Freundin im Urlaub. Der Mann verlor seinen Job - und seine Ehefrau bei der Scheidung Geld. Andere Frauen haben ihre Männer denunziert, dass sie Schwarzgeld haben. Die Männer mussten nachzahlen, mussten Strafe zahlen - am Schluss merkten die Frauen, dass sie bei der Scheidung weniger bekamen.

SZ: Uns kommt es so vor, als ob der Mann Messmer mehr Verständnis für Männer hat.

Messmer: Männer sind auch keine Heiligen. Ein Ehemann hat jede Woche das Verhalten seiner Frau benotet: Kochen, Putzen, Bett usw. Je nach Note bekam sie mehr oder weniger Haushaltsgeld.

SZ: Und die ließ sich das gefallen?

Messmer: Naja, früher mussten die Frauen mehr Angst vor der Scheidung haben, weil sie dann gesellschaftlich geächtet waren. Eine Frau hatte einen Mann, der unglaublich geizig war. Sie konnte sich nur rächen, in dem sie ihm Hundefutter vorsetzte, ohne dass er es merkte.

SZ: Was kostet eine Scheidung?

Messmer: Die nackte Scheidung kostet zwischen 2000 und 15.000 Euro. Meist bleibt es aber nicht dabei. Mann und Frau streiten sich meist noch um das Vermögen und den Unterhalt.

Lesen Sie im zweiten Teil, wieviel Geld eine Scheidung bei Hermann Messmer kostet und wie der Anwalt dem Schauspieler Jack Nicholson helfen konnte.

SZ: Wie viel bekommen Sie pro Fall?

Messmer: Billig ist so eine Scheidung nicht. Bei Normalverdienern kriege ich so 3000 bis 15.000 Euro, bei Multimillionären vielleicht 100.000. Richtig teuer wird es, wenn die Scheidung zum Rosenkrieg ausartet.

SZ: Wie oft passiert das?

Messmer: In gut 60 bis 70 Prozent aller Fälle. Es ist eine Illusion, dass eine Scheidung vernünftig über die Bühne geht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

SZ: Sie sind doch in einem Dilemma. Einerseits wäre es fair, eine vernünftige Lösung für beide Seiten zu suchen. Andererseits profitieren Sie finanziell, wenn sich das Paar ausgiebig streitet.

Messmer: Heute kann ich es mir leisten, fair zu sein. Die Scheidung ist vernünftig, wenn Mann und Frau beide ein bisschen unzufrieden sind. Aber viele Klienten erwarten, dass der Anwalt gerade am Anfang Benzin ins Feuer gießt.

SZ: Wollten Sie schon immer Scheidungsanwalt werden?

Messmer: Ich hab' als Staatsanwalt angefangen. Dann hat mich der Till Burger, damals eine bekannte Anwaltsfigur, bei einer Verhandlung erlebt und abgeworben.

SZ: Mit Geld?

Messmer: Klar. Ich hatte Frau und Kind und verdiente 1250 Mark, das war Ende der fünfziger Jahre. Ich war in der politischen Abteilung. Eine unserer Hauptaufgaben war, die Leute zu verfolgen, die den Franz Josef Strauß beleidigt haben. Oft war das ein Schmarrn. Der Anwalt Burger bot mir das Vierfache.

SZ: Bekannt wurden Sie mit dem Ohrabbeißer-Prozess um Uschi Glas in den sechziger Jahren.

Messmer: Ja, das war meine Eintrittskarte in die Münchner Schickeria. Die Uschi Glas ist mit einem Typen aus einem Lokal gegangen. Dann gab es eine Eifersuchtsszene. Ein Nebenbuhler hat dem Typen ein Stück vom Ohr abgebissen. Ich hab' den Verletzten vertreten, der mit der Uschi unterwegs war.

SZ: Damals stand in den Münchner Zeitungen: "Keine Feier ohne Messmer".

Messmer: Ja mei, heute wird vor allem gearbeitet. Wir haben damals auch gelebt. Ich hab' ja sogar eine kleine Filmkarriere hinter mir. Der Klaus Lemke von "48 Stunden bis Acapulco" hat mich immer als Laien mitspielen lassen. Ich sollte dafür 500 Mark bekommen. Dann traf ich den Lemke mal und fragte, was denn mit meinem Geld sei. Der hat gesagt, dass sie das Geld schon auf mein Wohl vertrunken hätten. Mei, so war das Leben damals, schon ein bisserl lustig, nicht so tierisch ernst.

SZ: Fanden Sie auf Partys Kunden?

Messmer: Da kommt man halt so rein und lernt Prominente kennen. Und dann kommen die oft zu mir, um sich scheiden zu lassen.

SZ: Wen haben Sie geschieden?

Messmer: (überlegt) Den Rudi Völler, den Mehmet Scholl, den Hans Clarin, die Marischka. Den Tony Curtis haben wir auch mal vertreten.

SZ: Tony Curtis?

Messmer: Gegen die Christine Kaufmann. Da ging's um die Regelung der Kontakte mit den gemeinsamen Kindern. Diesen Guru Bhagwan hatten wir auch mal als Klienten.

SZ: Sie haben Bhagwan geschieden?

Messmer: Nein. Es drehte sich damals um eine angebliche Vergewaltigung. Den Bhagwan hab' ich nie gesehen. Da kamen immer nur Telegramme.

SZ: Haben Sie sich aus der Schickeria zurückgezogen?

Messmer: Nicht wirklich. Wir sind zum Beispiel in der Scheidung Max Strauß tätig. Und die Sache Bernd Herzsprung läuft auch noch. In letzter Zeit haben wir noch die Tochter vom Karl-Heinz Böhm geschieden und die Prinzessin Sowieso.

SZ: Was ist bei Promi-Scheidungen anders als bei normalen Bürgern?

Messmer: Also Prominente, wissens', wirklich Prominente, die sind pflegeleicht. Der Abteilungsleiter ist schwieriger als der Vorstandschef, der bayerische Meister schwieriger als der Weltmeister.

SZ: Warum?

Messmer: Das liegt am Geld. Wer schon ganz oben ist und genug hat, ist in der Regel bescheiden. Er muss sich nicht mehr darstellen und ist nett und freundlich. So wie der Jack Nicholson, der war bei mir, um sich ein paar Tipps zu holen, als er im Film einen Anwalt spielte.

SZ: Scheitern Promi-Ehen öfter?

Messmer: Jede zweite Ehe geht kaputt. Aber bei Promis sind es 80 Prozent.

SZ: 80 Prozent? Wie erklären Sie das?

Messmer: Prominente sind meistens vermögend. Sie sind eine willkommene Beute für Dritte - und Gelegenheit macht Liebe. Außerdem, Prominente leben ja nicht anonym, ihr Leben wird beobachtet. Das ist Stress. Und oft ist es so, dass der eine prominent ist und der andere nicht. Er steht dann im Schatten des Promis. Und irgendwann bricht es aus dem Unbekannten raus und er will auch im Licht stehen. Dann verlassen Frauen oft Männer, die von der ganzen Nation angehimmelt werden und nehmen sich einen Durchschnittsmann. Dann stehen sie wieder im Mittelpunkt.

SZ: So wie bei der Ex-Frau von Nicolas Sarkozy?

Messmer: Ja, der ist auch umschwärmt. Und dann nimmt sich die Cecilia Sarkozy einen Banker.

Lesen Sie im dritten Teil, wie verbreitet Eheverträge sind und wie es Hermann Messmer persönlich mit der Ehe hält.

SZ: Gibt es finanzielle Anzeichen dafür, dass eine Ehe gefährdet ist?

Messmer: Ganz wichtig! Da muss man sehr aufpassen. Zum Beispiel, wenn der Ehemann versucht, seiner Frau einzureden, dass sie unbedingt einen Job übernehmen soll. Oder wenn man merkt, dass der andere finanziell zu denken anfängt. Wenn die Frau ständig nach den Konten und nach dem Einkommen fragt, dann hat sie vielleicht schon einen anderen. Ganz gefährlich wird es auch, wenn ein Ehemann plötzlich total freundlich wird und ständig Blumen mitbringt, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen.

SZ: Was war die höchste Summe, die Sie jemals für einen Klienten herausgeholt haben?

Messmer: Das Schlaraffenland für Scheidungen sind die Vereinigten Staaten, das Reich der unbegrenzten Abfindungen. Aber auch bei uns geht es manchmal um Millionen.

SZ: Wie verbreitet sind Eheverträge?

Messmer: Bei der gehobenen Mittel- und Oberschicht sind sie sehr verbreitet. Aber Liebe und Ehevertrag, das ist immer ein Problem. Oft verlangen die Eltern eines Firmenerben einen Vertrag, sonst übergeben sie das Geschäft nicht. Das ist schon der erste Schreckschuss für die Ehe.

SZ: Wie viel soll sich der weniger Vermögende bieten lassen?

Messmer: Seit 2001 werden Eheverträge geprüft, ob sie ein Eheleben auf Augenhöhe ermöglichen. Das heißt, es wird kein Vertrag mehr anerkannt, bei dem die Ehefrau aus Angst vor der Scheidung hinnimmt, dass sie schlecht behandelt wird. Seit dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurden viele reiche Ehemänner plötzlich freundlicher zu ihren Frauen.

SZ: Auch bei weniger Reichen zerbricht jede zweite Ehe. Sind die Menschen für die ewige Liebe geschaffen?

Messmer: Für mich gibt es drei Gründe, warum immer mehr Ehen geschieden werden. Erstens: Früher haben die Frauen das Ehejoch einfach ertragen, weil sie nicht den Mut oder die Möglichkeit hatten eigenverantwortlich zu leben. Das zweite ist, dass man früher als Geschiedener ein Außenseiter war. Ein geschiedener Beamter oder Manager wurde nicht mehr befördert. Heute gibt es in Grünwald Schulen, wo die Kinder zum Klassenkameraden sagen "Was, deine Eltern sind noch nicht mal geschieden?".

SZ: Und der dritte Grund?

Messmer: Heute muss man es mit dem Partner viel länger aushalten. Früher war die Lebenserwartung nicht so hoch. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Mensch für die ewige Zweisamkeit nicht geboren ist.

SZ: Wie kommen Sie darauf?

Messmer: Am Anfang macht die Liebe blind und im Laufe der Ehe kommt die Sehkraft wieder. Irgendwann erschlafft das Ganze, nicht nur körperlich. Der größte Feind der Ehe ist der Alltag. Es sind die ganz großen Ausnahmefälle, in denen die Liebe 30 oder 40 Jahre hält. Unsere Kanzlei hat etwa 5000 Ehen geschieden.

SZ: Sind Sie deshalb so pessimistisch?

Messmer: Es ist ganz schwer, noch selbst an Werte zu glauben, weil man täglich sieht, wie Menschen miteinander umgehen. Manche haben über 20 Jahre das Bett geteilt und jetzt sind da nur noch Rachegelüste und Ekel. Ich bekomme jeden Tag die dunklen Seiten der menschlichen Kreatur serviert.

SZ: Wie halten Sie das aus?

Messmer: Das muss man abschütteln. Der Mensch hat eben zwei Seiten: Er ist gut und böse. So ist das. Aber irgendwie macht die Arbeit halt doch noch Spaß.

SZ: Wie steht es um Ihre Liebe?

Messmer: Ich bin seit über 50 Jahren verheiratet. Wir führen eine tolerante Ehe. Für mich hat die Ehe auf Lebenszeit die Schwindsucht. Ich weiß ja nicht, welcher Kerl die Ehe überhaupt erfunden hat. Ich glaube, der versteckt sich.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2008/tob
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