Rechtsstreit gegen Pleitebank HRE:Münchner Milliardenklage

Der Ex-Bundesbank-Chef Hans Tietmeyer hat Ärger wegen der Skandalbank Hypo Real Estate - er soll vor Gericht aussagen. Die Pleitebank HRE bezieht Tietmeyer und andere frühere Aufsichtsräte in das Gerichtsverfahren ein, in dem Altaktionäre eine Milliarde Euro Schadenersatz verlangen.

Klaus Ott

Sieben Jahre lang, von 1993 bis 1999, war Hans Tietmeyer Präsident der Deutschen Bundesbank. Sein Sachverstand ist auch heute noch gefragt. Auf Tietmeyers Internetseite sind 24 aktuelle Ämter verzeichnet. Das reicht von einer Honorarprofessur an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg bis zur Mitarbeit in Stiftungen, die nach Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Hannelore Kohl benannt sind.

10 JAHRE BUNDESSTIFTUNG UMWELT TIETMEYER

Hans Tietmeyer, 2001.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Nun kommt eine neue Aufgabe hinzu, mit der Tietmeyer bestimmt nicht gerechnet hat. Der ehemalige Bundesbank-Chef, der im August seinen 80. Geburtstag feiert, hat Ärger wegen einer ganz anderen Bundes-Bank und muss sich auf seine alten Jahre noch mit einer Milliardenklage herumschlagen.

Tietmeyer war nach einer langen Karriere in Politik und Geldgewerbe auch Aufsichtsratschef der Hypo Real Estate (HRE), die mittlerweile verstaatlicht wurde, also der Bundesrepublik gehört. Diese Bundes-Bank wird von Altaktionären auf eine Milliarde Euro Schadenersatz verklagt. Der Vorwurf: Die HRE habe, bevor sie im Herbst 2008 fast pleiteging, ihren Kapitalanlegern enorme Risiken verschwiegen.

Beim Oberlandesgericht München steht ein Musterprozess bevor, und an dem soll auch Tietmeyer teilnehmen. Die HRE hat in dieser Causa mehr als 20 früheren Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern den "Streit verkündet", wie das in der Juristensprache heißt. Dies bedeutet, dass die Ex-Manager und -Kontrolleure der HRE bei Gericht helfen sollen, die Schadenersatzklagen abzuwehren. Dem einstigen Vorstand um den alten Bankchef Georg Funke, gegen den die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt, hat die HRE schon vor zwei Jahren den Streit verkündet; die Anwälte von Funke & Co. sind beim Prozess bereits dabei.

Nun ist der ehemalige Aufsichtsrat dran. Mit Tietmeyer an der Spitze und mit Leuten wie Klaus Pohle, ehedem Vizechef des Pharmakonzerns Schering, und dem US-Investor Christopher Flowers, der bei der HRE viel Geld verloren hat. Die Bundes-Bank hat jetzt auch Tietmeyer, Pohle, Flowers und den anderen Ex-Kontrolleuren den Streit verkündet. Sie sind in ihrem eigenen Interesse gefordert, der HRE eine Niederlage bei Gericht zu ersparen. Gelänge das nämlich nicht, dann könnte die HRE anschließend versuchen, die Ansprüche der Altaktionäre an Funke, Tietmeyer & Co. weiterzureichen und sich an ihnen schadlos zu halten. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München gegen die HRE wäre dann, was die dort festgestellten Fakten anbelangt, die Grundlage für Forderungen der Bundes-Bank gegen ihre einstigen Manager und Kontrolleure. Um solche Ansprüche zu wahren, hat die HRE nach Angaben aus dem Umfeld der Bank den Streit verkündet. Ansonsten wäre ein möglicher Regress gegen den früheren Vorstand und einstigen Aufsichtsrat verjährt. Die HRE wollte also sicherstellen, dass eventuelle Zahlungen an die Altaktionäre nicht alleine zu Lasten des Bundes gehen, dem die Bank nunmehr gehört. Der Staat und die Bürger haben ja schon genug gelitten.

Als die weltweite Finanzkrise im Herbst 2008 mit der Pleite der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte und auch der HRE das Geld ausging, musste der Bund mit Kapital und Bürgschaften in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro einspringen. Sonst hätten unkontrollierte Kettenreaktionen gedroht, das ganze Finanzsystem hätte kollabieren können. Nach ihrer Rettung wurde die HRE vom Bund verstaatlicht; und von privaten Altaktionären auf Schadenersatz für deren Kursverluste an der Börse verklagt. Rund 80 Anleger aus aller Welt wollen ihr Geld zurück. Darunter große Fonds wie die Deka, die den Sparkassen und Landesbanken gehört. Sie werden vor Gericht vom Tübinger Anwalt Andreas Tilp vertreten. Der sagt, die Streitverkündung der HRE gegen Tietmeyer & Co. belege, "dass die Bank durchaus befürchtet, zu Schadenersatzzahlungen verurteilt zu werden".

Für die Anleger steigt jetzt das Risiko

Nach Ansicht von Tilp ist dieser Schritt andererseits auch "Prozesstaktik", um das Kostenrisiko für die Kläger zu erhöhen. Durch die Einbeziehung von mehr als 20 früheren Managern und Kontrolleuren stiegen die potentiellen Kosten auf fast das Zehnfache, rechnet der Anlegeranwalt vor. Das Argument, die Bank habe verhindern müssen, dass mögliche Ansprüche gegen Tietmeyer & Co. verjährten, lässt Tilp nicht gelten. Die HRE hätte mit den Ex-Vorständen und Ex-Aufsichtsräten auch außergerichtlich vereinbaren können, dass diese keine Verjährung geltend machten, meint Tilp. Wortkarg gibt sich hingegen Tietmeyer. Er lässt ausrichten, dass er sich nicht äußere. Auch die HRE schweigt; abgesehen von dem einen Satz, dass die Bank die Anleger-Klagen nach wie vor für unbegründet halte.

Die HRE hat Tietmeyer schon einmal viel Ärger gebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Ex-Bundesbank-Chef an die Spitze einer Expertengruppe berufen wollen, die neue Regeln ausarbeiten sollte, um künftige Schieflagen und Exzesse im Bankgewerbe zu verhindern. Die Opposition und sogar Teile der Regierung rebellierten dagegen, ausgerechnet dem Aufsichtsratschef der Skandalbank HRE diesen Job anzuvertrauen. Tietmeyer sagte ab und zog sich auch aus dem Kontrollgremium der Hypo Real Estate zurück. Ein Amt weniger. Aber genug zu tun hat der einstige Bundesbank-Chef immer noch. Nun auch vor Gericht.

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