Rechtsprechung:Qualm und Quoten

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Ob Rauchen oder Reparaturen: Im vergangenen Jahr hat der Bundesgerichtshof (BGH) wieder die Spielregeln im Mietrecht geändert.

Auch im vergangenen Jahr gab es wieder viele Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Sie verändern die Rechte und Pflichten von Vermietern und Mietern in Deutschland. Ein Überblick über die wichtigsten Urteile.

Wohnfläche. Bei der Berechnung von Mieterhöhungen kommt es immer auf die tatsächliche Wohnfläche an. Damit hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung korrigiert: Bisher durfte der Vermieter bei der Flächenangabe nämlich um bis zu zehn Prozent danebenliegen. Nun muss er - zumindest bei Mieterhöhungen - genau rechnen. (VIII ZR 266/14)

Vorkaufsrecht. Wird ein Mietshaus in Eigentumswohnungen umgewandelt, hat der Mieter ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Informiert der Eigentümer den Mieter nicht über den Verkauf, kann der Mieter später den Ersatz seines Schadens verlangen. (BGH, Urteil vom 21. Januar 2015, VIII ZR 51/15)

Eigenbedarf . Eine vermieterfreundliche Entscheidung hat der BGH am 4. Februar getroffen: Der Vermieter hat bei der Vermietung einer Wohnung keine Pflicht zu einer sogenannten Bedarfsvorschau. Das heißt: Er muss sich nicht darüber Gedanken machen, ob er oder ein Familienangehöriger Eigenbedarf haben könnte. Er kann offenlassen, ob und wann seine Kinder in seine Wohnung einziehen wollen. Der Vermieter kann daher unter Umständen schon zwei Jahre nach Abschluss des Mietvertrags wegen Eigenbedarfs für seine Kinder kündigen. (VIII ZR 154/14)

Teuer kann es für Vermieter aber werden, wenn sie den Eigenbedarf nur vortäuschen. Mieter können dann Schadenersatz verlangen. Damit hat der BGH seine jahrelange Rechtsprechung bekräftigt. In dem Fall wurde einem Mieter gekündigt, weil angeblich der neue Hausmeister des Gebäudes in seine Wohnung einziehen sollte. Es kam zu einem Prozess, in dessen Verlauf sich beide Parteien per Vergleich einigten. Der Mieter zog aus, doch statt des Hausmeisters zog eine Familie in die Wohnung ein. Der Mieter wollte nun finanziellen Ersatz für seine höhere Monatsmiete nach dem Umzug, den längeren Weg zur Arbeit und für seine Kosten des ersten Prozesses - insgesamt etwa 25 800 Euro. Er scheiterte beim Landgericht Koblenz. Der BGH hingegen gab ihm recht. Mit dem Vergleich habe der Mieter nicht auf eventuelle Schadenersatzansprüche verzichtet. (Az. VIII ZR 99/14)

Mietschulden. Der Vermieter kann fristlos kündigen, wenn der Mieter mit zwei Monatsmieten in Verzug ist. Das gilt auch, wenn die zuständigen Behörden einem Hartz-IV-Empfänger die Miete nicht bewilligt haben. Im dem Fall hatte ein sozialhilfeberechtigter Mieter zwar rechtzeitig einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt - die Behörden wollten die Miete von 1100 Euro für die 140 Quadratmeter große Wohnung aber nicht bezahlen. Der Vermieter kündigte dem Mieter schließlich fristlos. Der Mieter müsse für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen, so die Richter (Urteil vom 4. Februar 2015, VIII ZR 175/14)

Anders ist es, wenn eine öffentliche Stelle die Zahlungspflicht des Mieters schon übernommen hat: Dann wird dem Mieter ein Verschulden des Sozialamts, das nicht rechtzeitig an den Vermieter gezahlt hat, nicht zugerechnet (Beschluss vom 17. Februar 2015, VIII ZR 236/14)

Betriebskosten. Eine Betriebskostenabrechnung muss für den Mieter nachvollziehbar sein. Sie muss zum Beispiel eine geordnete Zusammenstellung der Gesamtkosten enthalten, Angaben zum Verteilerschlüssel, den Anteil des Mieters sowie den Abzug der vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen. Vermieter sind aber nicht verpflichtet, dem Mieter einschlägige Vorschriften mitzuteilen. Vermieter müssen auch die einzelnen Rechenschritte nicht erläutern (Urteil vom 6. Mai 2015, VIII ZR 193/14)

Instandhaltung. Maßnahmen, die die Mietwohnung im vertragsgemäßen Zustand erhalten, muss der Mieter grundsätzlich dulden. Ein Gewerbemieter - in diesem Fall ein Restaurantpächter - muss es hinnehmen, wenn er wegen der Reparaturarbeiten Umsatzeinbußen hat. (Urteil vom 13. Mai 2015, XII ZR 65/14)

Schönheitsreparaturen. Hier gab es im vergangenen Jahr - wieder einmal - einige Neuerungen. So hat der BGH am 18. März entschieden, dass Vermieter grundsätzlich nur dann eine Renovierung vom Mieter bei dessen Auszug verlangen können, wenn sie diesem die Wohnung bei Einzug renoviert übergeben oder ihm zumindest einen angemessenen Ausgleich für die Renovierung gegeben haben. Eine halbe Monatsmiete ist aber nicht angemessen. Ein Mieter soll nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren belastet werden, die der Vormieter hinterlassen hat (VIII ZR 185/14). Am selben Tag hat der BGH entschieden, dass auch die sogenannten Quotenabgeltungsklauseln unwirksam sind. Die Folge: War der Mieter kürzer als fünf Jahre in der Wohnung, kann er aus der Wohnung ausziehen, ohne sich anteilig an den Malerkosten beteiligen zu müssen (VIII ZR 242/13). Ebenfalls am 18. März 2015 entschied der BGH, dass eine Klausel wegen starrer Fristen unwirksam ist, wenn sie nur für bestimmte Arbeiten flexible Fristen vorsieht, nicht aber für alle Arbeiten. In diesem Fall ist die Schönheitsreparaturklausel insgesamt unwirksam (VIII ZR 21/13).

Führt der Mieter Schönheitsreparaturen während des laufenden Mietverhältnisses aus, obwohl er dazu wegen der Unwirksamkeit der Klausel im Vertrag gar nicht verpflichtet gewesen wäre, kann er keinen Ersatz von seinem Vermieter fordern. Grund: Die Schönheitsreparaturen kommen nicht dem Vermieter, sondern ihm selbst zugute (Beschluss vom 17. März 2015, VIII ZR 251/14)

Rauchmelder. Auch wenn ein Mieter bereits Rauchwarnmelder in der Wohnung angebracht hat, kann der Vermieter eine Nachrüstung mit eigenen Geräten verlangen. Da es sich um eine gesetzliche Pflicht des Vermieters handelt, kann der Vermieter das Haus einheitlich mit bestimmten Geräten ausrüsten, da allein er über die Ausstattung entscheidet. (Urteil vom 17. Juni 2015, VIII ZR 216/14)

Zigarettenqualm. Raucher müssen sich künftig mehr disziplinieren: Entlüften sie den Zigarettenqualm ins Treppenhaus, kann ihnen gekündigt werden. Der BGH: Eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch könne im Einzelfall eine Störung des Hausfriedens und eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten des Mieters darstellen, insbesondere, wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches und gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreichten (Urteil vom 18. Februar 2015, VIII ZR 186/14)

Ebenfalls eine gute Nachricht für viele Nichtraucher: Das Rauchen auf dem Balkon ist nicht mehr uneingeschränkt erlaubt. Richter prüfen künftig im Einzelfall an Ort und Stelle, ob der Zigarettenrauch vom Balkon darunter wesentlich stört. Falls ja, können Zeiten festgelegt werden, in denen geraucht beziehungsweise nicht geraucht werden darf (Urteil vom 16. Januar 2015, V ZR 110/14)

Lär m. Ohne Vereinbarung im Mietvertrag muss der Vermieter nicht dafür einstehen, dass ein bei Vertragsschluss bekanntes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück deutlich zunimmt. In dem Fall wohnten die Mieter seit 1993 in einer Erdgeschosswohnung mit Terrasse. Auf dem Gelände der benachbarten Schule wurde 2010 ein Bolzplatz errichtet, 20 Meter entfernt von der Mieterterrasse. Der Bolzplatz darf nur Montag bis Freitag bis 18.00 Uhr genutzt werden. Tatsächlich spielten dort Jugendliche auch am Abend und am Wochenende. Der Mieter kann laut BGH aber keine Mietminderung geltend machen. (Urteil vom 29. April 2015, VIII ZR 197/14)

Kappungsgrenze. Vermieter dürfen die Miete nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Die sogenannte Kappungsgrenze regelt außerdem, dass die Miete innerhalb von drei Jahren höchstens um 20 Prozent steigen darf. Seit 2013 können die Landesregierungen Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf festlegen, in denen die Miete innerhalb von drei Jahren sogar nur um 15 Prozent steigen darf. Dies regelt zum Beispiel die Berliner Kappungsgrenzenverordnung, die der BGH zu überprüfen hatte. Gut für Mieter: Die Richter winkten die Regeln durch. Die Berliner Kappungsgrenzenverordnung beruht damit auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch. (VIII ZR 217/14)

Zurückbehaltungsrecht. Wenn die Wohnung mit Schimmelpilz befallen ist, dürfen Mieter ihren Vermieter zwar unter Druck setzen und Miete einbehalten. Das darf jedoch nicht so weit gehen, dass sie über einen unbefristeten Zeitraum hinweg gar nichts mehr zahlen. In dem Fall hatte ein Mieter aus Kassel (Hessen) von März 2009 bis Oktober 2012 gar keine oder nur wenig Miete gezahlt: Er minderte die Miete wegen Schimmels in der Wohnung um 20 Prozent und behielt darüber hinaus weitere 80 Prozent ein, um seinen Vermieter unter Druck zu setzen. Die Miete dürfe jedoch nicht vollständig und auch nicht endlos zurückgehalten werden, entschied der BGH nun. Das Zurückbehaltungsrecht gelte nur, solange es noch seinen Zweck erfülle und den Vermieter unter Druck setze. Offen bleibt, welcher Anteil der Miete tatsächlich zurückbehalten werden darf und wie lange Mieter das Zurückbehaltungsrecht ausüben dürfen. (Az. VIII ZR 19/14)

© SZ vom 15.01.2016 / nase, rem, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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