Reaktionen auf Banken-"Stresstest":Warnrufe stören kollektives Aufatmen

Europas Finanzsystem ist gegen schwere Schläge gewappnet - das zumindest suggerieren die Ergebnisse des Stresstestes für die Banken des Kontinents. Entsprechend laut feiern Politiker die bestandene Prüfung - doch es gibt auch mahnende Stimmen.

Ist es der erwartete Befreiungsschlag? Nachdem die Ergebnisse des Belastungstests für europäische Banken am Freitagabend veröffentlicht worden sind, fallen die Reaktionen zumindest überwiegend positiv aus.

Reaktionen auf Banken-"Stresstest": Bankentürme in der Frankfurter Innenstadt: Nach Ansicht von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank beweisen die Tests die Widerstandskraft der europäischen Bankenbranche.

Bankentürme in der Frankfurter Innenstadt: Nach Ansicht von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank beweisen die Tests die Widerstandskraft der europäischen Bankenbranche.

(Foto: ag.ap)

US-Finanzminister Timothy Geithner begrüßte die Veröffentlichung der Ergebnisse des sogenannten Stresstestes. Damit habe die EU einen wichtigen Beitrag für die Transparenz der einzelnen europäischen Banken geleistet, sagte Geithner nach Angaben seines Ministeriums. Die Stabilität der Finanzmärkte werde dadurch gestärkt.

Nach Ansicht von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank beweisen die Tests die Widerstandskraft der europäischen Bankenbranche. In einer Stellungnahme der EU-Kommission hieß es: "Die Resultate sind ein wichtiger Schritt nach vorne, um das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen."

Vitor Constancio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), wies darauf hin, dass es "unwahrscheinlich" sei, dass sich dieses ganze Szenario tatsächlich ereignen sei.

Schäuble: "Positives Signal"

Auch der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht den Fall eines schweren Wachstumseinbruchs als "unwahrscheinlich" an. Obwohl das deutsche Geldhaus Hypo Real Estate (HRE) sich unter jenen Instituten befindet, die den Test nicht bestanden haben, wertete Schäuble es als "positives Signal", dass ausnahmslos alle teilnehmenden deutschen Banken die aufsichtsrechtlichen Anforderungen auch des ungünstigsten Szenarios erfüllten.

Der Bundesverband deutscher Banken erklärte, das europäische Bankensystem habe sich "in besserer Verfassung und krisenresistenter" gezeigt, als mancherorts erwartet worden sei. Aus Sicht des Präsidenten der Finanzmarktaufsicht Bafin, Jochen Sanio, haben sich die deutschen Banken "als robust und widerstandsfähig" erwiesen. Er sagte aber auch: "Diese Operation ist eine Operation zur Beruhigung der Märkte."

Giovanno Carosio, Chef der Bankenaufsicht CEBS, die den Stresstest durchgeführt hatte, äußerte sich zu den Schritten, die nach dem schlechten Abschneiden der durchgefallenen Banken folgen sollten: "Die Konsequenz für diese sieben Banken ist, dass sie sich mit ihren Aufsichtsgremien auf einen Plan einigen müssen, wie sie diese Schwächen beheben", so Carosio.

Erleichterung in Spanien und Griechenland

In Spanien und Griechenland, den beiden größten Sorgenkindern des europäischen Finanzsystems, überwog ebenfalls die Erleichterung. "Unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen ist das spanische Finanzsystem total solide", sagte der Gouverneur der Banco de España, Miguel Angel Fernández Ordóñez. Der griechische Finanzminister Giorgos Papakosntantinou bemerkte: "Das griechische Banksystem kann (positiv) auch auf viel schlimmere Zustände wie die heute herrschenden reagieren."

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befürchtet allerdings, dass der positive Ausgang des Stresstestes zu einem Stillstand bei wichtigen Finanzmarktreformen könnte. Zwar sei der Belastungstest ein Anfang für mehr Transparenz, sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann zu Handelsblatt Online.

Das Ergebnis der Stresstests werde die Märkte aber nicht einfach ruhig stellen, mahnte der Ökonom. "Denn die nötigen europäischen Finanzmarktreformen sind im Gegensatz zu den USA ja noch nicht einmal zu Ende diskutiert, geschweige denn beschlossen und eingeführt",so Zimmermann.

Der DIW-Präsident befürchtet, dass jetzt "fatalerweise der Eindruck entstehen" könne, man brauche diese Reformen nicht mehr. "Dafür waren die Tests viel zu selektiv und sind die Ergebnisse viel zu positiv", sagte Zimmermann.

"Nicht auf nicht verdienten Lorbeeren ausruhen"

So seien lediglich Wertabschläge bei den Staatsanleihen und Konjunktureinbrüche simuliert worden, Immobilienkrisen und das Versagen der Rohstoffmärkte seien dagegen nicht berücksichtigt worden. Zudem wisse man weiter zu wenig über den Bestand an toxischen Wertpapieren. "Die Deutsche Bank als nicht unerwarteter Testsieger hat auch für die eher unterstützungsbedürftige Postbank Verantwortung", erklärte Zimmermann.

Und die Landesbanken hätten weiter kein Geschäftsmodell, trotz des enormen Zuflusses an öffentlichem Kapital. "s gibt also keinerlei Grund, sich auf nicht verdienten Lorbeeren auszuruhen" betonte Zimmermann.

Was heute sicher ist, kann morgen unsicher sein

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sprach sich für eine Änderung der Eigenkapitalregeln bei Banken aus. Die Prüfungen hätten zwar gezeigt, dass einige Banken sehr ordentlich mit Kapital ausgestattet seien, sagte Bofinger im Deutschlandfunk. "Auf der anderen Seite wäre es sinnvoll, dass man insgesamt die Eigenkapitalregeln auf eine robustere Basis stellt."

Die Krise habe gezeigt, dass aus sicheren Aktiva wie Staatsanleihen sehr schnell unsichere werden könnten. Deshalb hätte die Unterlegung mit Eigenkapital zu einem bestimmten Prozentsatz unabhängig vom Risiko der Anlagen Vorteile.

Bofinger plädierte zudem für eine Entflechtung der Banken. Die Institute seien extrem vernetzt. Die Folgen des Zusammenbruchs eines Geldhaus auf andere seien bei dem Stresstest nicht untersucht worden, bemängelte der Wirtschaftswissenschafter. Wenn aber eine Großbank zusammenbreche, dürften andere Institute nicht in den Sog geraten, sondern müssten stabil sein.

Grüne fordern gesetzliche Schuldenbremse

Die Opposition im Bundestag kritisierte den Stresstest der Banken als wenig aussagefähig. Für die Institute gebe es weiterhin Gefahren. "Die deutschen Banken sind und bleiben wacklig", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, der Frankfurter Rundschau.

Insgesamt verfüge die Branche über zu wenig Kapital, um die Risiken abzudecken und erneute Hilfen des Staates in der nächsten Krise auszuschließen. Schick forderte "eine gesetzliche Schuldenbremse für die Banken". Auch die Linkspartei äußerte Zweifel an der Aussagekraft der Prüfung.

Bei dem Krisentest scheiterten neben der deutschen HRE fünf spanische Banken und ein griechisches Geldhaus an der geforderten Kernkapitalquote von 6,0 Prozent.

Insgesamt wurden Banken aus 20 europäischen Staaten unter die Lupe genommen. Am besten schnitt die Banca March aus Spanien ab. Das schlechte Abschneiden der fünf durchgefallenen spanischen Banken sieht der Gouverneur der Banco de España, Miguel Angel Fernández Ordóñez, eher gelassen: "Unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen ist das spanische Finanzsystem total solide."

Erleichterung an der Wall Street

Deutsche Banken sind nach den Ergebnissen des Krisentests für einen Konjunktureinbruch in aller Regel gut gerüstet: 13 von 14 deutschen Geldhäusern bestanden den Test, nur die verstaatlichte Hypo Real Estate (HRE) schaffte es erwartungsgemäß nicht. Nord LB und Postbank bestanden allerdings nur knapp.

Europaweit kamen 84 von 91 geprüften Banken erfolgreich durch den Test. Bei dem Stresstest wurde untersucht, ob eine Bank auch dann überlebensfähig ist, wenn sich die Märkte sehr negativ entwickeln oder die Konjunktur einbricht.

In Übersee sorgten die Ergebnisse des europäischen Stresstestes ebenfalls für gute Laune: An der Wall Street ging der Leitindex Dow Jones mit einem Plus von 0,99 Prozent bei 10.425 Punkten ins Wochenende. Die Anleger seien erleichtert darüber, dass die meisten Finanzinstitute die Belastungsprobe bestanden hätten, sagten Marktteilnehmer. Für weitere Aufwärtsimpulse sorgten außerdem weitere gute Quartalszahlen von US-Unternehmen.

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