Süddeutsche Zeitung

Reaktion auf Betrugsfälle:Task-Force gegen Wall-Street-Gauner

Lehren aus den Skandalen um Bernard Madoff und Raj Rajaratnam: In den USA sollen Finanzaufsicht und Polizeibehörden enger kooperieren.

Moritz Koch

Die US-Regierung bündelt ihre Kräfte im Kampf gegen die Finanzkriminalität. Auf Anweisung von Präsident Barack Obama gründete sie einen Krisenstab, der die Zusammenarbeit von 20 Behörden, darunter die Bundespolizei FBI und die Kartellbehörde FTC, koordinieren soll. Das Gremium ähnelt einer Arbeitsgruppe, die die Regierung von Ex-Präsident George W. Bush einrichtete, um 2002 die Hintergründe der Pleite des Energieversorgers Enron aufzuklären.

Es gehe aber nicht nur darum, "die Verursacher der letzten finanziellen Kernschmelze zur Verantwortung zu ziehen", sagte Justizminister Eric Holder, sondern auch darum, künftige Finanzkrisen zu verhindern. Finanzminister Timothy Geithner fügte hinzu, dass der Krisenstab zeige, wie aggressiv und vorausschauend die Regierung von US-Präsident Obama gegen Betrug vorgehe.

Aus Mangel an Beweisen

Nach Regierungsangaben sind allein in diesem Jahr schon 7600 Finanzverbrecher verurteilt worden. Der prominenteste von ihnen ist Bernard Madoff, der einst hochangesehene Investor, der mit einem Schneeballsystem einen Schaden von mindestens 20 Milliarden Dollar anrichtete. Seine Strafe: 150 Jahre Gefängnis.

Doch Madoff ist eine Ausnahme. Den Behörden gingen bisher vor allem kleine Fische ins Netz. Obwohl das Missmanagement an der Wall Street die USA in die tiefste Rezession seit den dreißiger Jahren stürzte, wurde bisher noch kein Manager eines großen Finanzkonzerns verurteilt. Erst in der vergangenen Woche scheiterte die Staatsanwaltschaft in Brooklyn bei dem Versuch, zwei Hedgefondsmanager der früheren Investmentbank Bear Stearns ins Gefängnis zu bringen. Die Jury sprach die beiden Banker aus Mangel an Beweisen frei.

Davon unbeeindruckt sagte Holder: "Wir werden unsere Ermittlungen unerbittlich fortsetzen und nicht zögern, kriminelle Machenschaften von Managern zur Anklage zu bringen, wenn wir es für angemessen halten." Der Krisenstab wird von Holders Justizministerium geleitet. Neben dem Finanzministerium und der Börsenaufsicht SEC wird auch das Ministerium für Wohnungsbau prominent vertreten sein, da die Finanzkrise am Immobilienmarkt ihren Ausgang nahm.

"Komplizierte Puzzles"

Es ist kein Geheimnis, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft nur zu gerne Anklage gegen Richard Fuld, den Chef der kollabierten Investmentbank Lehman Brothers, und Joseph Cassano, den früheren Leiter der Finanzsparte bei AIG, erheben würde. Doch bisher reichen die Beweismittel dafür nicht. Die Hürden für eine Verurteilung sind hoch, wie der gescheiterte Bear-Stearns-Prozess gezeigt hat.

In den Abgründen des kollektiven Versagens, das in die Finanzkrise geführt hat, ist es nahezu aussichtslos, die Schuld Einzelner festzumachen. "Viele Fälle von Finanzbetrug sind komplizierte Puzzles, deren Zusammensetzung akribische Arbeit erfordert", räumt Mary Schapiro, Chefin der SEC, ein. Dennoch glaubt sie, dass Prozesse möglich sind: "Durch die Koordination unserer Bestrebungen werden wir besser in der Lage sein, die Puzzleteile zu finden und dem Betrug ein Ende zu setzen."

Der Krisenstab wird innerhalb der nächsten 30 Tage zum erstem Mal zusammentreffen. Beobachter in Washington rechnen nicht damit, dass er schon bald greifbare Erfolge wird vorweisen können. Die Gründung ist daher zunächst eine politische Geste. Präsident Obama steht innenpolitisch unter großem Druck, die Wähler goutieren den Umgang der Regierung mit der Wall Street nicht. Die Rettung der Finanzinstitutionen durch den Staat war enorm unpopulär, und bisher ist es Obamas Mannschaft nicht gelungen, eine Verschärfung der Finanzaufsicht in Gesetzesform zu gießen.

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SZ vom 19.11.2009/tob
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