Reaktion auf Bankenkrise:Berliner Rezept für Verstaatlichung

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Das "Rettungsübernahmegesetz" soll am diesem Mittwoch verabschiedet werden. Auch Enteignungen werden dann möglich sein.

Guido Bohsem und Claus Hulverscheidt

Die Spitzen der Koalition haben sich auf Grundsätze für die mögliche Verstaatlichung angeschlagener Geschäftsbanken geeinigt. Nach einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den zuständigen Fachministern hieß es am Freitag, das "Rettungsübernahmegesetz" werde am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet. Laut Beschluss sind auch Enteignungen möglich - aber nur dann, wenn sich zuvor alle Alternativen als nicht zielführend erwiesen haben.

Wenn alle gütlichen Optionen keinen Erfolg bringen, ist auch eine Enteignung gegen Entschädigung möglich (Foto: Foto: dpa)

Ziel der Regierung ist es zum einen, den plötzlichen Kollaps einer systemrelevanten Bank zu verhindern. Zudem will sie die Umstrukturierung von Instituten, die bereits öffentliche Hilfen in Anspruch genommen haben, in ihrem Sinne lenken können - auch um zu verhindern, dass Steuergelder in die Taschen privater Investoren aus dem In- oder Ausland abfließen.

Fahrplan im Gesetz

Um dem Staat den nötigen Einfluss zu sichern, sollen Teil- und Vollverstaatlichungen mit dem Gesetz erleichtert werden. Erster Kandidat ist der angeschlagene Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate, den der Bund zu 95 Prozent übernehmen will.

Für diesen und ähnliche Fälle sieht das Gesetz eine Art Fahrplan vor. Zunächst muss sich der Staat darum bemühen, auf dem Verhandlungswege in den Besitz der gewünschten Aktien zu kommen. Denkbar sind etwa Übernahmeangebote an die Altaktionäre sowie Kapitalschnitte und -erhöhungen.

Zudem können in akuten Krisenfällen die Rechte der Hauptversammlung eingeschränkt werden. Bestimmte Kapitalmaßnahmen wären dann auch gegen den Willen der bisherigen Eigentümer möglich. Erst wenn alle gütlichen Optionen nachweislich keinen Erfolg gebracht haben, ist als letztes Mittel auch eine Enteignung gegen Entschädigung möglich.

Eine solche Enteignung könnte nach Ansicht von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Fall der Hypo Real Estate nötig werden, da deren Großaktionär Christopher Flowers bisher keine Anstalten macht, sein Aktienpaket im Volumen von 24,9 Prozent an den Bund zu verkaufen. Ein Gespräch des US-Finanzinvestors mit ranghohen Regierungsbeamten hatte am Donnerstagabend keine Annäherung gebracht.

Ein Flowers-Sprecher bestritt allerdings am Freitag, dass sein Unternehmen für die Aktien einen Preis von zehn Euro pro Stück verlangt habe. "Es gab überhaupt keine Diskussion über einen Preis", sagte er. Flowers hatte bei seinem HRE-Einstieg 22,50 Euro bezahlt, an der Börse war das Papier am Freitag gerade noch 1,15 Euro wert.

Oettinger schließt Insolvenz nicht aus

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger brachte am Freitag auch eine Insolvenz der Hypo Real Estate ins Gespräch. Er sei nicht davon überzeugt, dass "die HRE um jeden Preis erhalten werden muss", sagte der CDU-Politiker der Zeitschrift Wirtschaftswoche.

Zwar wären bei einer Pleite viele andere Banken zu Abschreibungen gezwungen. Aber ihnen "könnten wir dann zielgenauer und möglicherweise auch kostengünstiger helfen als durch eine in ihrer rechtlichen Dimension und finanziellen Auswirkung nicht überschaubare Verstaatlichung dieser Bank", sagte Oettinger. Er erwarte, dass die Bundesregierung neben anderen auch diese Alternative prüfe.

Die HRE selbst kündigte am Freitag an, sie werde sich von einem Teil ihrer Problemtochter Depfa trennen. Die auf das Geschäft mit steuerbegünstigten US-Kommunalanleihen spezialisierte Depfa First Albany Securities werde an die New Yorker Investmentbank Jefferies & Company verkauft. Finanzielle Details wurden nicht genannt. Der neue HRE-Chef Axel Wieandt sagte lediglich, der Verkauf sei ein weiterer Schritt zur Neuausrichtung der Bank.

Diese soll radikal verkleinert werden, die Hälfte der Mitarbeiter wird dabei wohl ihren Job verlieren. Die irische Depfa Bank ist der Hauptverlustbringer innerhalb des HRE-Konzerns. Sie hatte die Vergabe langfristiger Darlehen durch die Aufnahme kurzfristiger Kredite finanziert. Seit Ausbruch der Finanzkrise gibt es solche Kurzfristkredite aber nur noch zu völlig unrentablen Konditionen oder gar nicht mehr. Seitdem verliert das Institut täglich Geld. Der Staat und die Kreditwirtschaft mussten der HRE deshalb bisher mit Finanzhilfen in Höhe von 102 Milliarden Euro unter die Arme greifen.

In Regierungskreisen hieß es, die geplanten Änderungen am Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die Schaffung des Rettungsübernahmegesetzes seien auch, aber ausdrücklich nicht nur auf die Hypo Real Estate gemünzt. Vielmehr sollten die Bestimmungen für alle in Not geratenen Banken gelten, die bestimmte Kriterien erfüllten.

Auf Druck der Union wird zudem die Geltungsdauer des Gesetzes befristet, wobei das genaue Enddatum noch strittig ist: Im Gespräch sind der 30. Juni, das Ende der Legislaturperiode im Oktober und der 31. Dezember 2009. Die endgültigen Gesetzestexte sollen über das Wochenende ausgearbeitet und beim Vortreffen zur Kabinettssitzung am Montag abgesegnet werden.

© SZ vom 14.02.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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