Süddeutsche Zeitung

Razzia bei der LBBW:280 Beamte auf den Spuren des Größenwahns

Es war ein schönes Erbe von Königin Katarina - doch die Landesbanker in Stuttgart zockten schlimmer als Manager in privaten Geldhäusern.

Markus Hesse und Klaus Ott

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnliches Kreditinstitut. Die Geschichte der schwäbischen Sparkassen-Zentralbank reicht beinahe zwei Jahrhunderte zurück.

1818 hatte Königin Katharina von Württemberg die Württembergische Sparkasse "zum Wohle der ärmeren Bevölkerungsschichten" gegründet. Und für die Bürger im Ländle sollte die aus den Sparkassen hervorgegangene LBBW eigentlich auch heute noch segensreich wirken. Die Bank erbringe "ihre Leistungen für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die öffentliche Hand unter Berücksichtigung der Markterfordernisse", so lauten die Vorgaben im Landesbank-Gesetz.

Staatsanwaltschaften ermitteln quer durch die Republik

Viel ist von diesen hehren Absichten nicht übrig geblieben. Weder bei der LBBW noch bei den meisten anderen großen Landesbanken in Deutschland, die ebenfalls dem Gemeinwohl dienen sollten. Stattdessen haben einige Landesbanken, die in der Regel den Sparkassen und den Bundesländern gehören, zuletzt schlimmer spekuliert und gezockt als die meisten privaten Finanzinstitute.

Anstatt dem Staat Geld zu bringen, sind inzwischen etliche zehn Milliarden Euro an Kapitalhilfen und Bürgschaften nötig, um Pleiten zu verhindern. Was alles schief ging, das ermitteln Staatsanwaltschaften quer durch die Republik und Untersuchungsausschüsse in den Parlamenten. Es wird wohl noch viele böse Überraschungen geben über die Misswirtschaft in den Landesbanken.

Größenwahn, fehlende Geschäftsmodelle und mangelnde Kontrolle haben zum Niedergang der Staatsbanken geführt. Nahezu jedes große und auch manches kleine Bundesland wollte ein eigenes Finanzinstitut von internationaler Bedeutung haben. Die Landespolitiker in den Aufsichtsgremien förderten die Expansion, anstatt genau hinzuschauen, was da vor sich ging.

Und als 2005 von der Europäischen Union verordnet wurde, dass die Bundesländer nicht länger für ihre Banken haften dürften, besorgten sich viele Landesbanken schnell noch viele Milliarden Euro billiges Geld am Kapitalmarkt. Nach Wegfall der Staatshaftung waren schließlich höhere Zinsen fällig.

Die meisten Landesbanken wussten aber gar nicht, wofür sie das preiswert besorgte Kapital verwenden sollten. Viele Firmenkredite werden nämlich direkt von den Sparkassen vergeben, und die wollen sich ihre Kunden aus Industrie und Wirtschaft nicht wegnehmen lassen, auch nicht von den eigenen Zentralinstituten. Also steckten viele Landesbanken das Geld in Kreditpakete aus den USA, die oftmals Immobiliendarlehen enthielten, die mangels Sicherheiten hierzulande so nie gewährt worden wären. Oder man spekulierte in großem Stil an der Börse.

Ein Ende ist nicht absehbar

Als die Finanzkrise ausbrach, traf das vor allem die Landesbanken. Und es dauerte nicht lange, bis Staatsanwälte Verfahren einleiteten und begannen, jede Menge Akten und Dateien zu filzen. Erst in Sachsen, dann in Hamburg und Kiel, schließlich in Bayern und in Baden-Württemberg. Zuvor hatten sich Ermittler bereits um eine Immobilienaffäre der Landesbank in Berlin und um einen fehlgeschlagenen Großkredit sowie einen verlustreichen Aktienhandel bei der WestLB gekümmert.

Die Landesbanken machen seit Jahren immer wieder mit Skandalen von sich reden, und ein Ende ist nicht absehbar. Was bei den Ermittlungen herauskommt, bleibt allerdings abzuwarten. Die Kriminaler müssen sich in der Regel durch einen Wust von Daten wühlen, und das dauert. Mehrere hundert Kilometer Akten kommen leicht zusammen. Und ob hohe Verluste beim Handel mit Kreditpaketen aus Übersee strafbar sind, ist ungewiss.

Beim ersten Justizfall dieser Art, bei der Mitte 2007 fast pleite gegangenen Mittelstandsbank IKB, hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf derartige Ermittlungen eingestellt. Die früheren Vorstandsmitglieder seien nicht von "existenzbedrohenden Risiken" für die IKB ausgegangen, sie hätten sich von jahrelang erzielten hohen Erträgen leiten lassen. Das sei höchstens fahrlässig gewesen, aber nicht strafbar. Der frühere IKB-Chef Stefan Ortseifen soll wegen anderer Delikte vor Gericht. Er habe, so der Vorwurf, die Börse "irreführend" informiert und die Aktionäre getäuscht. Ortseifen weist das zurück.

Größter Aktionär der IKB war damals die Staatsbank KfW, die zusammen mit dem Bund bei der Mittelstandsbank viel Geld verlor. Mit dem einstigen Sinn und Zweck öffentlicher Kreditinstitute hat das alles nichts mehr zu tun. Im LBBW-Gesetz steht bis heute, diese Bank sei "zur Anlage von Mündelgeld geeignet".

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SZ vom 08.12.2009/mel
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