Ratingagenturen:"Von Beginn an versagt"

Nach der Herabstufung von Griechenland, Portugal und Spanien wächst die Kritik an den Ratingagenturen. Außenminister Westerwelle fordert nun eine unabhängige Behörde zur Bewertung von Bonitäten.

Nach den Herabstufungen Griechenlands, Portugals und Spaniens wächst in Deutschland die Kritik an den Ratingagenturen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich für die Einrichtung einer unabhängigen europäischen Behörde zur Bewertung von Bonitäten aus, um Interessenkonflikte künftig zu vermeiden.

Börsenchart; Reuters

Außenminister Westerwelle sprach sich für die Einrichtung einer unabhängigen europäischen Behörde zur Bewertung von Bonitäten aus. Im Bild: Ein Börsenchart in Taiyuan, China

(Foto: Foto: Reuters)

Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise müsse schnellstens die Lehre gezogen werden, dass die Europäische Union "der Tätigkeit von Ratingagenturen eigene Bemühungen" entgegensetze, sagte Westerwelle den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Ratingagenturen dürfen nicht gleichzeitig Finanzprodukte entwickeln, vertreiben und bewerten."

Einen Tag nach der Herabstufung Portugals und Griechenlands hatte die Ratingagentur Standard & Poor's am Mittwoch auch die Kreditwürdigkeit Spaniens abgewertet. Der Euro gab binnen Sekunden nach Bekanntwerden der Nachricht ebenso nach wie die Aktienmärkte.

"Nicht zu ernst nehmen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz eine Stellungnahme zu der jüngsten Herabstufung ab. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Arbeit der Agenturen zu bewerten. Dagegen warnte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn davor, die Agenturen überzubewerten: "Ganz offensichtlich bekommen sie ihre Daten aus den Märkten. Man weiß also nie, ob sie die Märkte bewerten oder diese die Agenturen. Deshalb sollte man sie nicht zu ernst nehmen."

Auch zahlreiche Ökonomen übten harte Kritik an den Agenturen. "Wir sollten das Wohl Europas nicht von den Ratingagenturen abhängig machen", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der Welt. "Die Ratingagenturen haben von Beginn der Finanzkrise an versagt - warum sollte sich die Europäische Zentralbank in dieser kritischen Phase überhaupt noch auf ihr Urteil verlassen?", sagte Bofinger.

"Wir hängen zu sehr am Tropf der Ratingagenturen", sagte dagegen Clemens Fuest, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums, der Welt.

Das Urteil der Ratingagenturen werde an den Märkten überbewertet. Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), sagte der Zeitung: "Es kann nicht sein, dass Ratingagenturen, die die Finanzkrise zu einem großen Teil mitzuverantworten haben, weil sie wertlosen Papieren Bestnoten verliehen haben, immer noch solch eine herausragende Rolle spielen."

"Wieder einmal geschlafen"

Zudem sei die Methodik der Ratingagenturen nach wie vor intransparent. Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, ging mit den Ratingagenturen hart ins Gericht. "Die Ratingagenturen haben wieder einmal geschlafen", sagt er der Welt. Hüther hält ihr Agieren für fragwürdig, weil sie wieder sehr spät gehandelt hätten.

Statt nach und nach Griechenland und Portugal herabzustufen, hätten sie mehrere Schritte auf einmal vollzogen und damit Nervosität an den Märkten ausgelöst. Er verlangte, dass Ratingagenturen künftig ihre Bonitätsbewertungen graduell vornehmen müssten. Die Europäische Zentralbank werde aber nun wohl die herabgestuften griechischen Staatspapiere als Pfand gegen Sicherheiten akzeptieren müssen.

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