Ratingagentur straft Italien ab:Krise frisst sich nach Kerneuropa durch

Es wird brenzlig für Rom. Die Ratingagentur Standard & Poor's setzt die Kreditwürdigkeit Italiens herab. Ein gefährlicher Schritt - nicht nur, weil das Land nun noch mehr Geld für seinen enormen Schuldenberg zahlen muss. Die Herabstufung verstärkt das grassierende Misstrauen in ganz Europa.

Ein Plus weniger - was ist das schon? Vordergründig, so scheint es, ist das alles nicht so schlimm. Italiens Kreditwürdigkeit wird eben nicht mehr mit der Note A+ bewertet, sondern mit einem A. Die Staatsanleihen des Landes gelten also immer noch also eine "prinzipiell sichere Anlage".

File photo illustration shows a man silhouetted in front of an electronic board showing the FTSE MIB Index in Rome

In der vergangenen Woche hatte Moody's eine Herabstufung Italiens angekündigt - nun ist aber Standard & Poor's vorgeprescht. Im Bild eine Kursanzeigetafel des FTSE MIB Aktienindex an der  Mailänder Börse.

(Foto: REUTERS)

Alles halb so wild also? Nein. Vielmehr belegt die Herabstufung, dass sich die Krise mit geradezu mathematischer Gewissheit nach Kerneuropa durchfrisst. Sie verläuft ganz nach Lehrbuch - seit 2007, als die ersten Banken kollabierten. Das Chaos bei den Finanzinstituten stürzte die Unternehmen in Schwierigkeiten, bringt nun reihenweise die Staaten in Bedrängnis und Zentralbanken in Erklärungsnot. Am Ende könnte es erneut die Finanzinstitute treffen - eine fatale Abwärtsspirale.

Jeder neuen Stufe dieser Krise geht ein Vertrauensverlust an den Finanzmärkten voraus. Nun wird dieser - nach Griechenland, Irland und Portugal - Italien treffen. Nicht sofort, sondern schleichend. Eine Herabstufung weckt Misstrauen.

Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Herabstufung an den Finanzmärkten keine Schockwellen auslöste. Zwar gab es an diesem Dienstag Kursrückgänge bei italienischen Anleihen, doch die Aktien legten zu und auch der Euro reagierte unbeeindruckt. Es ist die erste Herabstufung für Italien seit einer halben Dekade, und das nach mittlerweile vier Jahren Finanz- und Wirtschaftskrise. Stand Italien vorher mit dem A+ etwa auf einer Stufe mit der Slowakei, liegt es nun gleichauf mit Malta, Estland und Tschechien.

Vergangene Woche hatte bereits die Konkurrenzagentur Moody's eine Herabstufung Italiens angekündigt. Standard & Poor's (S&P) ist nun vorgeprescht und lässt damit Moody's zögerlich aussehen. Die Begründung für den Schritt war durchaus erwartbar: Hohe Schulden, labile Regierung, schwaches Wachstum. Das war auch bisher schon der Grund dafür, dass Italien als Schuldnerland seit Jahren deutlich schlechter bewertet wird als etwa Deutschland, Frankreich oder die Niederlande. Die Bestnote AAA hatte Italien schon 1996 verloren.

Doch so harmlos die Herabstufung nun zunächst klingt - für Italien ist der Schritt vor allem deshalb so gefährlich, weil das Land demnächst ungeheure Summen am Kapitalmarkt aufnehmen muss. Allein in diesem Jahr sind es 137 Milliarden Euro, 2012 gar 260 Milliarden Dollar. Die Entscheidung von Standard & Poor's wird dafür sorgen, dass das Vorhaben für Italien schwieriger und teurer wird als bislang angenommen. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat wie Deutschland rund zwei Billionen Euro Schulden. Das entspricht 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung - nach den Regeln des Maastricht-Vertrags sind allerdings nur 60 Prozent zulässig.

Während die Europäische Union derzeit darum ringt, wie sie das Problem Griechenland in den Griff bekommt, bildet sich in Italien ein neuer Gefahrenherd. Die Regierung in Rom hatte zuletzt ein Sparpaket im Volumen von 54 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Für die Europäische Zentralbank war dies Rechtfertigung genug, um weitere italienische Staatspapiere zu kaufen. Die Ratingagentur hat es nicht überzeugt - ironischerweise auch, weil die Sparmaßnahmen das Wachstum des Landes weiter drücken.

Banken misstrauen einander

Unheil keimt noch an anderer Stelle - bei den Banken. In den vergangenen Tagen sind die französischen Banken in Bedrängnis geraten, weil sie besonders stark in Griechenland engagiert sind. In den USA bekamen einige von ihnen offenbar kein Geld mehr, an diesem Dienstag wurde aber auch bekannt, dass selbst deutsche Unternehmen es mit der Angst zu tun bekommen. Siemens etwa soll mehr als eine halbe Milliarde Euro von einer großen französischen Bank abgezogen und bei der Europäischen Zentralbank (EZB) deponiert haben.

Wie schon nach der Lehman-Pleite wächst bei den Banken das Misstrauen. Zunehmend weigern sie sich, untereinander Geld zu verleihen - der sogenannte Interbanken-Markt droht zu kollabieren. Dies umso mehr, wenn jetzt auch italienische Anleihen bei den Banken in den Brennpunkt rücken sollten.

Schon in den vergangenen Wochen hat es enorme Kursabschläge bei den wichtigsten europäischen Geldinstituten gegeben. Selbst die Aktien deutscher Institute wurden dramatisch nach unten geprügelt - den Titeln der Commerzbank droht bereits das Schicksal eines Pennystocks.

Auch wenn Italien jetzt nur ein kleines Plus verloren hat - die Gefahr ist, dass daraus ein großes Minus wird.

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