Quacksalber und Scharlatane:Heilsame Geschäfte

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So beobachtet Harald Wiesendanger einen ,,bestürzenden Qualitätsverfall'' durch mäßig begabte, sich selbst überschätzende Möchtegerns. Diese versuchten, ,,mit überzogenen Erfolgsversprechen, wolkiger Esoterik, fragwürdigen Diplomen und dubiosen Titeln'' wettzumachen, was ihnen an therapeutischer Befähigung fehle.

Weit über 1000 Anbieter von Kursen unterschiedlichster Qualität tummeln sich in der deutschen Heilerszene, in denen angeblich beinahe jeder heilen lernen kann. Die Ausbildungskosten addieren sich oft zu fünfstelligen Summen.

,,Es war zu erwarten, dass Quacksalber und Scharlatane das umgehend ausnützen würden'', kritisiert Ingo Heinemann vom Bundesverband Sekten- und Psychomarktberatung in Bonn den Urteilsspruch.

Selbsternannte Heiler

An seine Beratungsstelle wenden sich immer mehr Menschen, deren Freund sich plötzlich zum Geistheiler berufen fühlt. Diese selbsternannten Heiler würden im Freundeskreis Diagnosen stellen, behandeln und dann auch noch Geld wollen, meist alles ohne ein Stück Papier, empört sich der Verbraucherschützer.

Wilfried Lubberich distanziert sich von solchen Scharlatanen, die den ohnehin schillernden Ruf der Geistheilerbranche beschädigten. Er ist ein Heiler mit Prädikat, zumindest auf seinem Praxisschild: ,,Empfohlen von der Internationalen Vermittlungsstelle für herausragende Heiler (IVH)'' ist dort zu lesen. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, ,,wirkliche Könner ausfindig zu machen'', sagt Harald Wiesendanger, der die Initiative im vergangenen Jahr gegründet hat.

Um von der IVH empfohlen zu werden, müssen Heiler einen Ehrenkodex anerkennen. Sie dürfen nicht mit Ärzten konkurrieren, weder Heilungsversprechen abgeben noch Diagnosen stellen.

Unmissverständliche Absprachen

Seriöse Heiler zeichnen sich aus durch unmissverständliche Absprachen über Behandlungsverlauf und Honorar, setzen Hilfesuchende niemals unter Druck und werben nicht mit irreführenden Titeln.

Mit dem IVH-Prädikat schmücken sich derzeit 125 Heiler. Ein Drittel von ihnen nehmen nur Spenden an, von den Übrigen hilft jeder Fünfte ,,zumindest in Notfällen'' auch unentgeltlich.

Lubberich versteht sich als Vollprofi, er kassiert pro Stunde Einzelsitzung 75 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Mancher Kassenarzt, der im Quartal nur zwischen 45 und 50 Euro pro Patient abrechnen darf, könnte da neidisch werden.

Stets ausgebucht

Seine Behandlungstermine in München, zu denen Lubberich zweimal pro Monat für jeweils drei Tage mit dem ICE anreist, sind stets ausgebucht. Manche Kranken kommen bis zu zwölf Mal, um die heilenden ,,Energieströme'' zu spü-ren. Dazu brauchen sie nicht unbedingt in die Praxis zu kommen, denn Lubberich bietet auch ,,Fernheilungen'' an.

Dabei stellt er sich nach vorhergehendem Telefonat ,,gedanklich auf den Hilfesuchenden ein'', nehme dadurch dessen seelische Vorgänge wahr und schicke die ,,universelle Heilenergie'', ganz gleich, wo der Kunde sich befindet. Das Honorar ist in diesem Fall frei vereinbar.

Für viele ist die Behandlung der letzte Strohhalm, nach dem sie greifen. Die Hälfte seiner Klienten hat Krebs, viele quälen chronische Rückenschmerzen, oder sie leiden wie Beate Stürzenbach an multiplen Allergien.

"Keine Heilungsgarantie"Lubberich gibt seinen Klienten allerdings ,,keine Heilungsgarantie''. Das ist anscheinend auch nicht nötig. Denn 65 Prozent der Bundesbürger vertrauen den Fähigkeiten von Geistheilern. Sie würden sich nach einer repräsentativen Umfrage der Wickert-Institute bei einer unheilbaren Erkrankung von einem medizinischen Laien mit besonderen Fähigkeiten durchaus behandeln lassen.

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