Prozess zur IKB:Vielen Dank, Herr Ackermann

Lesezeit: 4 min

Josef Ackermann bei Gericht, eine schwierige Sache: Dieses Mal liefert er kein Fotomotiv mit zweideutigen Gesten, aber ein wunderschön visualisiertes Beweismittel.

Harald Freiberger, Düsseldorf

Josef Ackermann kommt um 11:27 Uhr, drei Minuten, bevor die Verhandlung beginnt. Drei Minuten lang umringen ihn Kameraleute und Fotografen. Er setzt sich an den Zeugentisch und lächelt, schaut sich links und rechts um, nickt dem Staatsanwalt zu, grüßt die beiden Verteidiger und den Angeklagten Stefan Ortseifen auf der anderen Seite.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann (rechts) begrüßt im Landgericht Düsseldorf den Angeklagten Stefan Ortseifen (links). (Foto: Foto: dpa)

Drei Minuten, dann schickt Richterin Brigitte Koppenhöfer die Fotografen aus dem Saal. Noch bevor der Chef der Deutschen Bank das erste Wort gesagt hat, lässt sich schon behaupten, dass die Veranstaltung gut für ihn gelaufen ist. Es wird kein Bild mit einer zweideutigen Geste von ihm geben.

Ackermann vor Gericht, das ist eine schwierige Sache. Vor sechs Jahren zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses entstand das berühmte Foto, das ihn breit grinsend mit Victory-Zeichen zeigt.

Kampf gegen ein Bild

Auch damals hieß die Richterin Brigitte Koppendörfer. Nichts hat seinem Image je so geschadet wie dieses Bild, das scheinbar einen arroganten Wirtschaftsführer zeigt, der die Würde des Gerichts missachtet und vorher schon weiß, dass er gewinnen wird.

Die Entourage des Deutsche-Bank-Chefs muss heute noch gegen dieses Bild ankämpfen. Bei jeder Gelegenheit sagt sie, dass das damals alles ganz anders war. Dass es vor Prozessbeginn eine Verzögerung gab und dass er und andere Beteiligte sich über alles Mögliche unterhalten haben. Auch über Michael Jackson, der damals gerade wieder einmal in den Nachrichten war.

Michael Jackson war berühmt für sein Victory-Zeichen. Und Ackermann ahmte es in der Unterhaltung einfach nach, weiter nichts. So erzählen es seine Mitarbeiter. Und dass man daraus gelernt habe. Nie wieder werde man ihn während einer Pause eine halbe Stunde einfach so irgendwo herumsitzen lassen.

Kurzes Nicken, dann ist er weg

Auch deshalb kommt Ackermann jetzt immer so knapp zu seinen Terminen. Und er verschwindet danach so schnell, wie er gekommen ist: Ein kurzes Nicken zur Richterin, zum Staatsanwalt, zur Verteidigerseite, dann ist er weg, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Dazwischen steht die Zeugenaussage eines Mannes, dem im Verlauf dieses Prozesses eine zentrale Rolle zugewachsen ist. Es geht um die IKB, jene Düsseldorfer Bank, die wie wild in verpackte US-Immobilienkredite investiert hatte und in der Finanzkrise als eines der ersten Institute überhaupt den Bach hinunterging, nämlich im Juli 2007.

Angeklagt ist der damalige Chef Stefan Ortseifen, und zwar in zwei Punkten: Er soll zum einen seine Dienstvilla auf Firmenkosten renovieren lassen haben. Die Richterin ließ aber schon durchblicken, dass man Ortseifen wohl nicht wegen Untreue belangen können werde.

Nur sieben Tage später faktisch pleite

Bleibt der zweite Vorwurf: Kursmanipulation. Ortseifen verschickte noch am 20. Juli 2007 eine Pressemitteilung, in der er die Anleger beruhigte. Die IKB sei von den Verwerfungen des US-Immobilienmarktes allenfalls mit einem einstelligen Millionenbetrag betroffen.

Nur sieben Tage später war die IKB faktisch pleite, sie musste mit insgesamt zehn Milliarden Euro gerettet werden, die überwiegend vom Bund kamen.

Ortseifen hatte im Prozess ausgesagt, er habe am 20. Juli noch nicht gewusst, dass es so schlimm um seine Bank stand. Er habe deshalb in der Pressemitteilung nichts beschönigt. Die Lage der IKB habe sich erst dramatisch verschlechtert, als am 26. Juli die Deutsche Bank die Handelslinie von 78 Millionen Euro mit der IKB kündigte. Die Tatsache, dass die Deutsche Bank mit der IKB keine Geschäfte mehr machen wollte, habe wie ein "Fanal" gewirkt.

"Wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie die Handelslinie gekündigt haben", betont Ortseifens Verteidiger Rainer Hamm. Vielmehr gehe es darum zu klären, ob der IKB-Chef am 20. Juli schon wissen konnte, wie ernst es um sein Institut steht.

Ackermann schildert die Vorgänge aus der Sicht der Deutschen Bank. Gleich zu Anfang betont er, dass er den größten Teil davon recherchiert habe. Selbst involviert gewesen sei er erst ab dem Morgen des 27. Juli, einem Freitag.

Deutsche Bank wollte aktuellere Zahlen

Da teilten ihm seine Mitarbeiter mit, dass sie die Linie gekappt hätten. Seit einer Woche habe man genauere Informationen von der IKB über die Werthaltigkeit ihrer Zweckgesellschaft Rhineland Capital Fund verlangt. In dieser waren 13,7 Milliarden Euro angelegt, die sich überwiegend aus gebündelten US-Immobilienkrediten zusammensetzten.

Die letzten Daten stammten vom IKB-Quartalsbericht Ende Juni. Danach hatte das Rhineland-Portfolio noch 94 Prozent ihres ursprünglichen Wertes. Doch in der Zwischenzeit hatte es Berichte gegeben, dass es auf den Märkten mit US-Immobilien Probleme gibt.

Deshalb wollte die Deutsche Bank aktuellere Zahlen. Doch sie wurde von der IKB hingehalten. "Nachdem wir mehrere Tage keine Transparenz bekommen haben, hatten wir den Verdacht: Hier scheint etwas faul zu sein", sagt Ackermann.

Eigene Berechnungen

Die Deutsche Bank stellte daraufhin eigene Berechnungen an. Das Ergebnis: Große Teile des Rhineland-Portfolios sind nur noch 60 bis 80 Prozent wert. Für Ackermann steht damit fest: "Die IKB befand sich damals bereits in einer massiven Schieflage, da der Wertverfall von Rhineland das Eigenkapital schon aufgezehrt hatte."

Daraufhin habe man die Handelslinie gekappt. "Alles andere wäre den Aktionären gegenüber nicht zu verantworten gewesen, weil man schlechtem Geld gutes hinterhergeworfen hätte", sagt Ackermann.

Der Chef der Deutschen Bank hat sein Handeln damit gerechtfertigt. Aber die eigentliche Frage war ja, ob Ortseifen das sieben Tage vorher schon ahnen konnte. Richterin Koppenhöfer fragt ihn danach: Hat man das Kappen der Linie schon am 20. Juli erwogen? Ackermann sagt, die Probleme der IKB hätten sich an den Derivatemärkten bereits zwei Tage vor Ortseifens Pressemitteilung abgezeichnet.

"Am 20. Juli hatten wir keine Veranlassung, die Handelslinie zu kündigen, aber genügend Anlass, uns genau zu erkundigen, ob unsere Vermutung bezüglich der Schieflage sich als richtig erweist", erklärt Ackermann.

Ortseifen muss möglicherweise mit Schuldspruch rechnen

In den Papieren, die Ackermann vor sich liegen hat, befindet sich eine Kurve, die das anzeigt. Danach stiegen die Kosten von Kreditausfallversicherungen für die IKB ab dem 18. Juli von vorher 0,20 Prozent auf 0,60 Prozent, später sogar auf ein Prozent.

So viel mussten IKB-Gläubiger zahlen, wenn sie sich gegen einen Ausfall des Engagements absichern wollten. Die Richterin interessiert sich sehr für diese Kurve und bittet Ackermann, sie dem Gericht zu lassen. "Die Information haben wir hier zwar schon gehört, aber nicht so schön visualisiert", sagt sie. Die Richterin hatte vorher schon angedeutet, dass Ortseifen mit einem Schuldspruch wegen Kursmanipulation rechnen muss.

So hat Ackermann diesmal zwar kein Fotomotiv geliefert, aber vielleicht ein wichtiges Beweismittel.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: